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Der beste Bankspieler der NBA? Wie das neue Heat-System Jaquez entfesselt

kicker

Es ist nicht allzu lange her, da drohte sich eine negative Ansicht zur heutigen NBA zu etablieren: Alle spielen gleich, wollen nur Dreier nehmen, es wird nur Pick'n'Roll gespielt, und so weiter. Das stimmte schon damals nicht wirklich, machte aber nichts, da insbesondere einige ziemlich erfolgreiche Spieler (etwa James Harden) zumindest oberflächlich diesem Bild entsprachen.

Ende des Jahres 2025 stimmt es noch viel weniger. Allein an der Spitze der Western Conference stehen mit OKC, den Lakers, Denver und Houston vier Teams, die völlig unterschiedliche Ansätze verfolgen, um erfolgreich zu sein. Das vielleicht eigenwilligste Offensivsystem der Liga wird wiederum anderswo praktiziert, bei einem Team, das über die letzten Jahre für viele Sachen bekannt und berüchtigt war, nicht aber für seine Offensive.

"Heat Culture" steht zwar auch in dieser Spielzeit primär für die Defense, wo das Team vom Südstrand derzeit das viertbeste Rating der Liga verantwortet (es wäre die elfte Saison in Serie mit einer Top-10-Defense). Spannend ist in den ersten Saisonwochen jedoch das, was auf der anderen Seite des Courts passiert.

Und zwar insbesondere dann, wenn einer der wiederum eigenwilligsten Spielertypen der Liga eingewechselt wird.

Jaquez spielt plötzlich wieder eine Rolle

Jaime Jaquez Jr. startete als Rookie äußerst vielversprechend in seine NBA-Karriere, war 23/24 hinter der Wemby/Chet/Miller-Troika immerhin Vierter im Rookie-of-the-Year-Rennen. Das vergangene Jahr markierte dann aber einen Rückschritt für "Juan Wick", der sich in einer chaotischen Heat-Saison nie so recht zurechtfand und bei der peinlichen Erstrundenklatsche gegen Cleveland in den Playoffs kaum noch eine Rolle spielte.

Im Sommer jedoch hat sich viel getan. Miami-Coach Erik Spoelstra realisierte, dass die Heat-Offense, die drei Jahre in Folge zu den schlechtesten zehn der Liga gezählt hatte, sich verändern musste. In Absprache mit Team-Präsident Pat Riley und Franchise-Player Bam Adebayo fiel die Entscheidung für etwas Radikales.

"Wir wollten die Philosophie verändern, wie wir Basketball spielen", sagte Adebayo vor kurzem zu The Athletic. "Wir laufen weniger Pick’n’Rolls, setzen weniger Screens. Es gibt mehr Five-Out, und wir teilen den Wohlstand. Aus meiner Sicht ist das die beste Art und Weise, um Basketball zu spielen."

Miami pulverisiert Pick'N'Roll-Rekord

Was Adebayo damit knapp anriss, sieht im Detail so aus: Die Heat, jahrelang eine Schildkröte in Sachen Pace, spielen in dieser Saison deutlich (!) schneller als jedes andere Team. Klassische Pick'n'Roll-Plays finden sich im neuen Heat-System nahezu gar nicht, ebenso wenig wie Handoffs.

Zur Einordnung: Der bisherige Negativ-Rekord in Sachen Pick'n'Roll-Plays, seitdem diese erfasst werden (2013), liegt Second Spectrum zufolge bei 39,3 pro 100 Ballbesitzen und wurde 18/19 von den Sixers aufgestellt. Die Heat laufen derzeit 15 Pick’n’Rolls pro 100 Ballbesitzen, sind also in völlig anderen Sphären unterwegs.

Was es dafür zuhauf gibt, sind Attacken. Miami sucht Transition-Möglichkeiten, bestraft jedes Team, das auf dem Weg zum eigenen Korb zu langsam ist. Ein Viertel der offensiven Possessions sind Transition-Plays, damit führen die Heat die Liga an. Und auch wenn sie ins Halbfeld gelangen, nimmt das Tempo nicht ab.

Vielmehr wird unermüdlich gecuttet, der Ball schnell bewegt, bis sich ein vorteilhaftes Matchup findet, das attackiert werden kann. "Sie spielen super schnell", analysierte Lakers-Coach J.J. Redick. "Und dann schwingen sie den Ball herum, penetrieren, wieder und wieder, bis sie den Vorteil finden."

Jaquez über Miami-System: "Alle sind in Bewegung"

Es ist ein Spielstil, der das gegnerische Team viel Kraft kostet, und der die Tatsache kaschiert, dass Miami eben keinen Harden oder Doncic beschäftigt, der mit 60 Pick'n'Roll-Aktionen pro Spiel effiziente Offense kreieren kann (aktuell belegen die Heat offensiv Platz 13). Und der gerade Jaquez sehr entgegenkommt.

Der 24-Jährige ist selbst kein Shooter (derzeit 22,9% Dreierquote bei 1,5 Versuchen pro Spiel), dafür zählt er zu den derzeit profiliertesten Transition-Spielern und Drivern der Liga (in 30 Minuten Spielzeit verzeichnet er die neuntmeisten Drives aller NBA-Spieler). Durch den Platz und den Speed des neuen Systems findet er wieder und wieder Pfade, um Richtung Zone zu kommen, und kann dabei seine Physis und seinen Spielwitz zur Geltung bringen.

Jaquez verfügt über eine sehr gute Fußarbeit, die ihn auch als Post-Spieler gefährlich macht. Er hat Hakenwürfe im Repertoire, kreative Finishes, zudem ist er äußerst geduldig und ein guter Passer, der Teammates unterm Korb oder draußen finden kann, wenn die Hilfe in seine Richtung kommt.

"Ich denke, ich bin ziemlich gut darin, in die Zone zu kommen", untertrieb Jaquez schon in der ersten Saisonwoche. "Das macht es leichter. Alle sind in Bewegung. Die Reads sind dadurch für mich leichter - es ist viel leichter, Entscheidungen zu treffen, und jeder im Team kann ein Empfänger sein."

Auf den Spuren von … Giannis?!

Tatsächlich hat Jaquez seine Assistzahlen verdoppelt (5,1 statt 2,5 im Vorjahr); einen Großteil seiner Dimes spielt er aus dem Drive oder aus dem Post heraus. Seinen Scoring-Schnitt hat er von 8,6 auf 15,8 angehoben, dabei seine Effizienz sogar verbessert (von 54,3% auf 57,1% True Shooting).

Was insbesondere deshalb beeindruckt, weil Teams seinen Jumper nicht ernst nehmen und daher mittlerweile sogar damit begonnen haben, Mauern vor ihm aufzustellen, als hieße er Giannis Antetokounmpo. Was natürlich nicht der Fall ist, Jaquez ist 1,98 m lang, kein wirklich explosiver Athlet.

Er nimmt dennoch 86% seiner Abschlüsse am Ring oder aus der kurzen Mitteldistanz, trifft am Ring 72% - das ist einer der Top-Werte für Forwards, überboten lediglich von Spielern, die physisch deutlich imposanter wirken als er (Gordon, Giannis, Jalen Johnson, Markkanen). "Es kommt seinen Stärken entgegen, wie wir uns gerade aufstellen", analysierte Spoelstra.

Revolution bereits am Ende? Miami erstmals mit drei Niederlagen

So lässt es sich ausdrücken. Über die ersten Saisonwochen ist in jedem Fall Jaquez der Heat-Spieler mit dem größten On/Off-Swing (+9,3), auch wenn andere (gerade All-Star-Kandidat Norman Powell) zurecht noch etwas mehr im Fokus stehen. Er wirkt offensiv selbstbewusster, hat sich aber auch defensiv deutlich verbessert und erfüllt seine Rolle im System.

Stand jetzt zählt Jaquez in der Summe zu den Top-Kandidaten auf den Sixth Man of the Year-Award - wenngleich sich zeigen muss, wie sich Teams mit der Zeit auf ihn und Miami einstellen, wenn das neue System keinen mehr "überrascht". Aktuell haben die Heat erstmals in dieser Saison drei Spiele am Stück verloren, wobei Jaquez gegen Sacramento ihr bester Spieler war (27 Punkte, 6 Assists, 6 Rebounds).

Frei von Makeln ist auch er aber nicht. Der fehlende Jumper limitiert seine Effizienz; ob er sein Spiel in dieser Hinsicht noch erweitern kann, ist unklar, zumal er auch seine Freiwürfe nicht unbedingt überragend trifft (76,7%). Fällt bei den Teammates der Dreier nicht, können Teams auch seine Kreise besser einschränken.

Natürlich muss sich außerdem zeigen, ob die Heat ihren aktuellen Stil auch dann so beibehalten würden, wenn sie wieder einen "echten" Star beschäftigen, worauf die Franchise traditionell immer hinarbeitet. Es hat ja durchaus Gründe, dass gerade in den Playoffs bisher nicht die Teams am erfolgreichsten waren, deren größte Stärke ihr egalitärer offensiver Ansatz war.

Spoelstra: "Wollen unseren Kader maximieren"

Für den Moment ist all das aber eher nebensächlich. Für den Moment steht Miami als eine positive Überraschung der Saison da, als ein Team, das sich nach 17 Jahren unter Spo auf einen Schlag fast komplett neu erfunden hat. Selbst wenn der Beweggrund dahinter nicht ideologisch bedingt war, sondern pragmatisch.

"Es geht uns nicht darum, Leute auszutricksen oder das Rad neu zu erfinden", erklärte Spoelstra. "Wir wollen unseren Kader maximieren, einen Weg finden, das Beste aus uns herauszuholen."

Jaquez ist das womöglich beste Beispiel dafür. Er beweist, dass sich das System durchaus auf Spieler auswirken kann. Als einer der derzeit unterhaltsamsten, weil ungewöhnlichen Unterschiedsspieler der Liga. Auch damit hätte vor wenigen Monaten wohl kaum jemand gerechnet.

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