Was war das nicht für ein harmonischer Sommer in Dallas: Mit Cooper Flagg ergatterte man durch Zufall eines der größten Talente des Jahrtausends, Superstar Anthony Davis war fit und konnte die ganze Offseason trainieren, Kyrie Irving macht nach seinem Kreuzbandriss enorme Fortschritte und Head Coach Jason Kidd sitzt für die kommenden Jahre fest im Sattel.
Nach zwei Spielen der neuen Saison zeigt sich, wie brüchig diese Harmonie in Wirklichkeit ist. Zum Auftakt hagelte es gegen den Rivalen aus San Antonio vor heimischer Kulisse eine 33-Punkte-Klatsche, bei der die Mavs - und speziell ihre Bigs - vom übermächtig wirkenden Victor Wembanyama teilweise vorgeführt wurden. Die Niederlage gegen die aufstrebenden Spurs war dabei vielleicht gerade noch so zu verkraften, die Schlappe gegen die Wizards allerdings weniger.
Gegen ein Team ohne Ambitionen, das vergangene Saison mit 18 Niederlagen Letzter im Osten wurde, lag Dallas im American Airlines Center in der zweiten Halbzeit teilweise mit -17 hinten. Die Aufholjagd im vierten Viertel, die die Mavs auf -4 ranbrachte, erlebten viele Fans schon gar nicht mehr. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits tausende Sitzplätze leer - beim zweiten Heimspiel der Saison!
Und viele der restlichen Fans waren damit beschäftigt, ihren Unmut lautstark zu äußern. "Fire-Nico"-Rufe hallten mehrfach durch die Halle, wie damals nach dem Trade von Luka Doncic. Dabei hilft auch nicht, dass eben jener Anthony Davis, für den GM Nico Harrison den Slowenen eintauschte, sehr rostig in die Saison startet.
Davis und Thompson bereiten Sorgen
24,5 Punkte und 13 Rebounds legte der Big Man über die ersten zwei Spiele auf. Das liest sich erstmal nicht schlecht, der Augentest fällt jedoch deutlich negativer aus. AD lässt bisher seine Dominanz an den Brettern vermissen, die ihn in den vergangenen Jahren ausgezeichnet hat. Er schließt generell schwach ab (39 Prozent), in unmittelbarer Korbnähe sehen die Zahlen aber besorgniserregend aus.
In direkter Ringnähe, wo er mit seiner Statur und Explosivität überragen sollte, trifft er magere 47,1 Prozent seiner Würfe. Zum Vergleich: In jeder seiner vergangenen drei Spielzeiten traf er hier über 70 Prozent!
Und AD ist nicht der einzige Veteran, der Sorgen bereitet. Klay Thompson ist aktuell ein Schatten seiner selbst. Er wirkt komplett verunsichert, trifft 30 Prozent aus dem Feld, 18,2 (!) Prozent von draußen und kann defensiv kaum noch mit den schnellen Guards mithalten.
Den entsprechenden Frust der Fans kann er dabei gut verstehen. "Man muss den Fans etwas geben, worüber sie sich freuen können", sagte Thompson nach der Niederlage gegen die Wizards. "Ich muss ihnen etwas bieten, wofür sie jubeln können. So ist das Spiel nun mal. Ich war selbst 20 Jahre lang Fan, bevor ich in die NBA kam. Ich hätte Spieler ganz sicher auch kritisiert. Wir verdienen viel von der Kritik, schließlich sind wir die, die da draußen auf dem Feld stehen und es möglich machen."
Dallas' Rotation wirft Fragen auf
Dazu wirft auch Kidds Rotation Fragezeichen auf. Starting Center Derrick Lively spielte bisher 29 Minuten, wobei deutlich zu sehen ist, dass ihm ein kreativer Guard an der Seite fehlt. Neuzugang D'Angelo Russell könnte dieser Spielmacher sein, er spielt bisher aber kaum und trifft in dieser Zeit so gut wie nichts (11,1 Prozent).
Stattdessen darf sich Cooper Flagg viel am Ball versuchen. Das sieht zu Teilen gut aus, zu Teilen merkt man ihm die 18 Jahre jedoch noch deutlich an. Für seine Entwicklung ist das natürlich enorm wertvoll, für den kurzfristigen Erfolg der Mavs allerdings nicht. Seine acht Turnover bei sechs Assists über die ersten zwei Spiele zeigen gut, warum die Mavs-Offensive nicht ins Laufen kommt. Flagg ist dies natürlich am wenigsten anzulasten, er kommt mit unglaublichen Erwartungen in die Liga und findet sich in einem ambitionierten Team wieder, in dem er direkt 30+ Minuten spielen muss.
Was die Stimmung in Dallas sicherlich auch nicht verbessert, ist die Form von Luka Doncic. Der Slowene, der so fit wie noch nie wirkt, ist wie die Feuerwehr in die Saison gestartet und hat direkt ein paar All-Time-Rekorde eingestellt. Vergleicht man das mit Davis' Saisonstart, dürften Mavs-Fans sofort wieder ihren Groll hochkommen spüren.
Ein Spieltyp wie Doncic ist genau das, was den Mavs derzeit mehr als alles andere fehlt. Jemand, der das Spiel lenkt, gute Entscheidungen trifft und seine Mitspieler einsetzt. Flagg ist dafür lange noch nicht bereit, Irving ist noch lange verletzt und Russell scheint auch nicht die Antwort auf dieses Problem zu sein. Es bleibt spannend, wie Kidd das in den kommenden Wochen und Monaten lösen wird.
Mavericks: Kidd mahnt zur Geduld
Allerdings darf man bei aller Kritik auch nichts überinterpretieren. Diese Saison ist nicht mal eine Woche alt und das Team muss sich erst finden, AD stand ja auch nur elfmal im Mavs-Jersey auf dem Court. "Ich finde, die Fans haben das Recht, ihrem Frust Luft zu machen, aber ein bisschen Geduld ist auch nötig", forderte Mavs-Coach Jason Kidd nach dem Stotterstart.
"Das ist ein anderes Team, ein neues Team. Wir lernen uns gerade erst richtig kennen. Wir werden weiter voneinander lernen. Also würde ich sagen: Habt Geduld - aber ich verstehe den Frust. Wir alle wollen gewinnen, wir alle wollen auf hohem Niveau spielen", führte er aus.
Geduld ist seit dem Doncic-Deal jedoch eine Tugend, die den Mavs und speziell Harrison nicht mehr vergönnt ist. Bezeichnend ist dafür auch, dass ESPN just nach der Niederlage gegen die Wizards berichtete, dass es noch keine Gespräche über eine Verlängerung von Harrisons Vertrag gegeben habe, der aktuell im Sommer 2027 ausläuft.
Dallas sollte zusehen, dass es von den kommenden zwei Heimspielen gegen die Raptors und Thunder mindestens eins gewinnt, sonst könnte es direkt dort weitergehen, wo es vergangenes Frühjahr aufgehört hat.