Dass Pat Spencer in der Abwesenheit von Curry bei den Warriors für Furore sorgen würde, war im Jahr 2019 noch Lichtjahre entfernt. Damals spielte der 1,88 Meter große Guard nämlich noch nicht einmal Basketball auf College-Level. Stattdessen war er eine absolute Lacrosse-Legende an der Loyola University in Maryland.
Und nicht nur dort: Spencer war schlichtweg der beste College-Spieler der ganzen Nation und gilt sogar als einer der besten Spieler aller Zeiten. So gewann er 2019 den Tewaaraton Award (gleichbedeutend mit der Heisman Trophy im Football) und wurde im Draft der Premier Lacrosse League an erster Stelle gezogen. Noch heute ist er der beste Assistgeber der NCAA-Geschichte und der viertbeste Scorer.
Spencer hatte aber andere Pläne. Nach vier Jahren auf dem Rasen sehnte er sich nach dem guten alten Hartholz, das ihn schon in der High School fasziniert hatte.
Damals brillierte er neben Lacrosse auch im Basketball und führte die Boys' Latin School of Maryland 2015 zu ihrem ersten State-Titel nach 25 Jahren. Anschließend hing er seine Basketballschuhe dann zunächst an den Nagel, weshalb die Verwunderung groß war, als er nicht in die Premier Lacrosse League ging. Stattdessen nutzte er die Regelung, die ihn für ein fünftes Jahr in der NCAA qualifizierte, um in Chicago für die Basketballer der Northwestern University an den Start zu gehen.
Pat Spencer schließt sich den Hamburg Towers an
Obwohl er vier Jahre lang keinen kompetitiven Basketball gespielt hatte, überzeugte er Head Coach Chris Collins im Workout mit seiner Athletik und bekam einen Platz in der Rotation. Nach vier Jahren als Lacrosse-Star dominierte er auch direkt in der Halle: Er startete 29 von 31 Spielen für die Wildcats und legte in der harten Big Ten Conference 10,4 Punkte, 4,1 Rebounds und 3,9 Assists im Schnitt auf.
Dann schwappte aber die Corona-Pandemie in die USA und beendete Spencers einzige richtige Basketball-Saison vorzeitig. Trotz seines starken Auftritts für Northwestern wurde er im folgenden NBA-Draft nicht gezogen, sodass es nahe lag, dass er sich wieder dem Sport widmete, in dem er nach Belieben dominierte.
Er wählte aber erneut nicht den Weg des geringsten Widerstands, sondern entschied sich, seine Profikarriere in Europa zu beginnen - genauer gesagt in Hamburg. Im Februar schloss der US-Amerikaner sich so den Towers an. Zunächst war er nur als Sparringspartner fürs Training eingeplant, aufgrund der Personalnot bei den Norddeutschen erhielt er Anfang April aber seine Lizenz und wurde in seinem ersten Profispiel überhaupt direkt zum Matchwinner.
Gegen Würzburg legte der damals schon 24-Jährige 18 Punkte auf, traf 2/2 von draußen und schnappte sich sieben Rebounds im knappen 95:83-Sieg. Dabei hatte er erst beim Warmmachen am Morgen erfahren, dass am Nachmittag sein erster BBL-Einsatz anstehen würde. "Basketball ist meine erste Liebe. Mit meinem ersten Profispiel ist ein Traum wahr geworden", schwärmte er anschließend.
Auf insgesamt acht Partien sollte Spencer mit den Towers kommen, ehe sich nach dem klaren 0-3 im Playoff-Viertelfinale gegen den späteren Meister Alba Berlin ihre Wege trennten. Was danach kommen sollte, war aus Spencers Sicht ganz klar: die NBA.
Pat Spencer schaffte den Sprung in die NBA
Um sich diesen Traum zu erfüllen, unterschrieb er im Oktober 2021 in der G-League bei den Capital City Go-Gos, dem Farmteam der Washington Wizards. Das erhoffte Sprungbrett wurde die G-League, wie für so viele andere Spieler, für Spencer allerdings zunächst nicht. In seiner ersten Spielzeit stand er nur magere 14,5 Minuten im Schnitt auf dem Feld und legte 7,5 Punkte auf.
Im Sommer 2022 kam er seinem Ziel aber endlich ein Stück näher. Er unterschrieb einen Exhibit-10-Vertrag bei den Warriors und durfte sich erstmals im Workout mit den NBA-Stars versuchen. Dort schaffte er es aber nicht, vollends zu überzeugen, sodass seine Reise zunächst ausschließlich in der G-League bei den Santa Cruz Warriors weiterging.
Zwei schwere Verletzungen, die Operationen am Handgelenk und an der Hüfte nach sich zogen, warfen ihn dann zurück und ließen ihn nur viermal in der Saison 2022/23 auflaufen. Spencer gab aber nicht auf, kämpfte sich zurück und spielte nach seinem Comeback den bis dato besten Basketball seiner Karriere.
Er legte 14,2 Punkte, 5,5 Rebounds und 3,9 Assists auf und bekam dann im Februar 2024 endlich seine langersehnte Chance in der NBA. Am 22. Februar unterschrieb er einen Two-Way-Vertrag bei den Warriors und gab drei Tage später gegen die Nuggets sein NBA-Debüt im Alter von 27 Jahren. In zwei Minuten blieb er ohne seine ersten Punkte, diese erzielte er knapp einen Monat später beim Sieg gegen die Grizzlies.
Spencer etabliert sich bei den Warriors
Danach gab es kein Zurück mehr für Spencer. Während er in der NBA nur sporadische Minuten sah, dominierte er in der G-League und spielte sich in den Fokus von Head Coach Steve Kerr. Aus sechs Partien in 2023/24 wurden 39 in der Saison 2024/25 plus knapp acht Minuten im Schnitt über sieben Playoff-Spiele.
Im Sommer 2025 unterschrieb er dann seinen nächsten Two-Way-Contract, mittlerweile war er aber fester Bestandteil der Rotation. Er stand in bisher allen 24 Spielen der Saison im Kader und spielte in 17 davon, in Abwesenheit von Curry durfte er zuletzt sogar zweimal starten. Dieses Vertrauen von Kerr rechtfertigte er umgehend mit grandiosen Leistungen.
Beim überraschenden Sieg über die Cavs legte er nicht nur einen neuen Karrierebestwert (19) auf, sondern war auch Topscorer, bester Assistgeber (7) und Matchwinner in der Crunchtime. Mit seiner Energie riss er auch die Fans im Chase Center mit und rief mehrmals in die Menge: "I’m that motherf*****". Das bekam auch Kerr mit.
"Auch sein Coach hat erkannt, dass Pat dieser Motherf***** ist. Ich hatte da schon so ein Gefühl, es begann sich abzuzeichnen, aber mir wurde es erst klar, als er es der ganzen Welt gesagt hat. Und heute Abend war es absolut eindeutig", sagte der Trainer nach dem Spiel auf der Pressekonferenz mit einem Schmunzeln.
Bezahlten die Warriors Spencer?
Seine Zahlen zeigen eindeutig, dass Spencer gerne im Rampenlicht steht. Über die vergangenen vier Spiele hat er in 25,5 Minuten Spielzeit 16,0 Punkte, 5,8 Assists und 4,0 Rebounds im Schnitt aufgelegt, wobei er sensationell aus dem Feld (59,1 %), von draußen (75 %) und von der Freiwurflinie trifft (100 %). Auch in der Defensive weiß er, seine fehlende Größe mit Einsatz und Athletik wettzumachen.
"Es macht Spaß, zuzusehen, wie ein Spieler, der sich alles hart erarbeiten musste, endlich seinen Moment bekommt und ihn nicht nur nutzt, sondern ihn regelrecht beim Schopf packt. Dieser Typ ist ein echter Kämpfer", schwärmte auch Kerr.
Diese Leistungsexplosion kommt für den ehemaligen Lacrosse-Star zu einem praktischen Zeitpunkt. Bei seinem aktuellen Two-Way-Vertrag darf er nur in 50 Saisonspielen zur Verfügung stehen und wäre auch für die Playoffs nicht spielberechtigt. Das Problem ist allerdings, dass die Warriors schon 15 Spieler im Kader haben und jemanden abgeben müssten, um Spencer standardmäßig für den Rest der Saison unter Vertrag zu nehmen.
Bei seinen derzeitigen Auftritten ist es unvorstellbar, dass die Warriors keinen Platz für ihren neuen Shootingstar schaffen, was diesem auch bewusst ist. Nach einem wichtigen Dreier in der Schlussphase des Cavs-Spiels drehte er sich zur Warriors-Bank und rief: "Bezahlt mich" - inklusive entsprechender Handgesten.
Sobald Curry wieder zurück ist, dürften seine Minuten wieder abnehmen, einen festen Platz im Kader der Warriors hat Spencer sich mit seinen Leistungen allerdings mehr als verdient. Vor allem wenn man sieht, wie hart er für diesen Traum gekämpft hat.
LeBron klettert auf Platz 2: Die meisten Regular-Season-Siege aller Zeiten
Hukporti mit Helm und Warnweste ausgezeichnet - was dahintersteckt
"Breiter Konsens in der Liga": Giannis will wohl nur zu einem Team