Bis kurz vor Weihnachten bleibt Cooper Flagg 18 Jahre alt. Ein echtes NBA-Spiel hat er noch nicht absolviert - und doch muss er bereits. Flagg, der Rookie, muss Würfe für sich und andere kreieren, passen, selbst punkten. Er muss den Dreier treffen, am besten hochprozentig. Er muss dort verteidigen, wo 2,06 Meter große Forwards selten verteidigen: rund um die Dreierlinie, gegen kleine, flinke Ballführende des Gegners.
Dallas erhofft sich von Flagg nicht weniger, als dass er, der laut diverser Scouting-Reports kaum Lücken in seinem Spiel hat, die Lücken der Mavs schließt - und tatsächlich deutete die Preseason an, dass einiges möglich ist, am Ende vermutlich aber auch nicht alles geht. Bis Kyrie Irving von seinem Kreuzbandriss zurückkehrt, stellt das Team vor allem kreative Fragen: Wer soll das Spiel lenken, den Großen wie Anthony Davis und Dereck Lively II den Ball so servieren, dass sie in gute Scoring- oder Passsituationen kommen? Wer soll Defenses unter Druck setzen, um einfache Punkte zu ermöglichen? Wer bricht allzu engmaschige Netze rund um die Zone auf?
Cooper Flagg: "der kompletteste" Rookie der jüngeren Vergangenheit startet zweimal als Point Guard
Einerseits verpflichteten die Mavs im Sommer D’Angelo Russell, der durchaus werfen, scoren und passen kann, dessen Spiel aber wechselnden Launen unterliegt. Andererseits hofft Dallas auf Flagg. Nachdem Russell während der ersten beiden Preseason-Spiele auf der Eins startete, übernahm der Nummer-1-Pick die Aufgabe für die letzten beiden Partien - und tatsächlich blitzte vieles auf, das Dallas Hoffnung macht.
Flagg besitzt ein gutes Gespür für cuttende Mitspieler. Gelangt er tief in die Zone, legte er verlässlich für offene Korbleger ab. Dabei traf er für einen Rookie im Teenager-Alter aus dem Dribbling heraus immer wieder sehr gute Entscheidung. Flagg strahlte eine gewisse Selbstverständlichkeit aus. 2,8 Assists über vier Preseason-Spiele lesen sich nicht bahnbrechend, allerdings spielte der Rookie im Schnitt auch nur gut 20 Minuten. Zudem wollte Coach Jason Kidd Flagg nicht auf diese eine Aufgabe reduzieren.
Flagg ging in die Zone, schloss dort spektakulär ab, nahm Dreier aus dem Dribbling, attackierte, um selbst zu scoren, ebenso, um Mitspieler einzusetzen. Er tat, was er tun sollte und füllte den Spielberichtsbogen insgesamt mit 11,3 Punkten, 4,5 Rebounds, besagten 2,8 Assists, dazu 1,3 Steals und 0,8 Blocks.
Er offenbarte, dass er Blake Griffins Aussage durchaus mit Leben füllen kann. "Ich glaube, er ist der kompletteste Spieler, den wir in jüngerer Vergangenheit in der NBA begrüßen durften", sagte der ehemalige Clipper im Post Moves Podcast von Candace Parker und Aliyah Boston. Natürlich gebe es Verbesserungsspielraum, "aber er passt, wirft, verteidigt, reboundet." All das muss er bei den Mavs 2025. Vor allem werfen.
Cooper Flagg arbeitet an seinem Dreier
Denn wichtig wird, da stimmen Theorie und Praxis überein, vor allem der Dreier. Nur 30,8 Prozent ihrer Versuche aus der Distanz trafen die Mavs über vier Preseason-Spiele. Startet Flagg als Point Guard, hat er mit Klay Thompson lediglich einen überdurchschnittlichen Shooter an seiner Seite, wenngleich PJ Washington heiß laufen kann. Eigentlich müsste Flagg, der Rookie und in diesem Kontext wichtigste Playmaker, daher gleichzeitig Dallas zweitgefährlichster Schütze sein; und Flagg kannte die Umstände.
"Daran haben wir im Sommer viel gearbeitet", sagte er kürzlich über seinen Dreier aus dem Dribbling. "Das Feld breit machen. Den Raum nutzen, den der größere Court dir gibt. Das zu meinem Vorteil nutzen. Mich aus dem Pick-and-Roll heraus wohlfühlen und Würfe treffen können." Am College versenkte Flagg noch 38,5 Prozent seiner Dreier. Hinter der in NBA etwas weiter entfernten Linie waren es während der Preseason… 4/13.
Keine herausragenden Quoten. Gleichzeitig kein Drama. Selbst einer, der Zeit und Alter voraus zu sein scheint, der Lücken nur noch vom kindlichen Warten auf die Zahnfee kennt, darf sich anpassen. Tatsächlich ging Flagg auch aus dem Dribbling zum Dreier hoch, traf während seines ersten Spiels gegen OKC gleich zwei. Auch nach dem Pass nahm er den Distanzwurf. Der Prozess hat gerade erst begonnen. Flagg macht Hoffnung. Gleichzeitig muss er sie gewissermaßen auch erfüllen.
Durch seinen Mangel an Shooting provozierte Dallas gegnerische Defenses geradezu, unter Blöcken durchzugehen, um so den Raum in der Zone zu verengen. Das konnten die Mavs weder regelmäßig für erfolgreiche Dreier nutzen, noch fanden die Großen den nötigen Platz für ihr Spiel in Korbnähe. Dass sich Flagg mit Thompson bereits einer der besten Schützen der Geschichte als Mentor anbietet, könnte alles erfolgreich beschleunigen.
Cooper Flagg in der Preseason: vielseitige Defense, auch gegen kleinere
Defensiv demonstrierte Flagg während aller vier Spiele seine unglaublich flüssige Athletik. Immer wieder kam er als Helfer, um Würfe am Ring zu blocken, versperrte Passwege, übte Druck aus, öffnete sich unter dem eigenen Brett für unterschiedliche Aufgaben. Denn als nomineller Point Guard rutschte Flagg auch defensiv nach oben. Immer wieder musste er gegnerische Ballführende verteidigen, die naturgemäß kleiner sind - und damit mitunter auch explosiver als der für einen Forward bereits sehr explosive Rookie.
Die Offseason der Mavericks
Sorgen macht sich Coach Kidd deshalb nicht. "Pick-and-Rolls zu verteidigen, ist in dieser Liga hart, egal ob du 1,90, 1,94 oder 2,05 Meter groß bist", sagte Dallas’ Coach kürzlich. Dank seines Ehrgeizes werde sich Flagg am Ende zurechtfinden. Tatsächlich deutet der bisherige Weg genau in diese Richtung - und verloren wirkte der Nummer-1-Pick während der Preseason keinesfalls. Insgesamt interessant wird dennoch, wie gut Dallas mit seinen riesigen Lineups die Dreierlinie verteidigen wird, wenn sie mit Thompson nur ein "echter" Guard bereichert, dem ein Kreuzband- und ein Achillessehnenriss jedoch ein Stück seiner Dynamik raubten. Wobei die Mavs den Fokus in den vergangenen Jahren ohnehin verstärkt auf den Ringschutz legten.
Etwaige Fragezeichen entwachsen nach den ersten Eindrücken dem System. Flagg wirkte über vier Spiele wie der, den sich viele erwarteten: wie einer, der seinem Team auf unzählige Arten helfen kann, der Athletik mit Ehrgeiz und einem guten Gespür für das Spiel kombiniert, dessen Alter nicht mehr ist als eine Nummer, die Vorfreude macht auf das, was noch kommen könnte. Bei den Mavs muss Flagg all das einbringen. Für den Moment wirkt es, als könne er das auch…
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