Finalstimmung - und das schon am Dienstag. Herzlich willkommen zur heißen Phase der League of Legends World Championship (Worlds), der K.-o.-Runde. Wer sich jetzt wundert und fragt, was kicker eSport da schreibt: Riot hat den Zeitplan 2025 umgestellt. Es ist der Auftakt zu "Nonstop Cinema" - der Einsparung einer ganzen Turnierwoche. Denn Viertel- und Halbfinals finden diesmal am Stück statt. Am heutigen Dienstag ging es los - und es weht der Hauch eines Endspiels durch die Kluft. Zumindest vom Papier.
Der Entwickler hat die nominell stärksten Teams direkt aufeinander losgelassen: Hanwha Life Esports (HLE) gegen Generation Gaming (Gen.G). Laut Powerrankings - und dem allgemeinen Konsens der Szene - trifft hier die Eins auf die Zwei. Riot versprach "Kino" - und liefert mit diesem Kracher prompt.
Auf der einen Seite: das seit Jahren beste Team, das bei Worlds aber regelmäßig zwischen Glücklos und Kopflos pendelt: Gen.G will endlich WM-Titel holen. Auf der anderen: HLE, topbesetzt mit 'Zeus', dem Doppelweltmeister von T1, den das 'Faker'-Team nicht halten konnten, und 'Zeka' in der Mitte - einem worldserfahrenen Veteranen.
Spiel 1: HLE clever, Gen.G kaltschnäuzig
Beide Teams wurden ihren Rollen in Spiel 1 gerecht: Favorit Gen.G pickte konservativ - HLE hatte Pläne im Gepäck. Sie ließen Sion offen, den aktuell stärksten Champion, nahmen Sejuani in der Mitte und Pantheon als Support: Ungewöhnlich.
Die Picks sicherten Hanwha eine gute frühe Phase mit Vorteilen. Das Spiel entwickelte sich zum Schlagabtausch mit offenem Visier: 35 Kills in 33 Minuten. Profitieren konnte der Favorit, obschon es bis zum Schluss ausgeglichen blieb. Beide Mannschaften wirkten etwas nervös, leisteten sich Fehler, ließen sich hier mal aufpicken und verloren da mal zwei Türme.
Den Unterschied machten die Teamkämpfe und die individuelle Stärke: Gen.Gs Spieler waren besser, nicht zuletzt Supporter 'Duro', der auf Neeko einige Situationen drehte. Auch der offene Sion zahlte sich nicht aus: Gen.G fand mit Aatrox eine gute Alternative und egalisierte HLEs 'Zeus' auf Rek'Sai.
Spiel 2 als Epos: 58 Minuten Rekorde - Viper stirbt gar nicht
Zurück mit einem blauen Auge und auf der blauen Seite bannte HLE Sion gleich weg. Die anschließende Partie brach mehrere Rekorde des diesjährigen Turniers: Längstes Spiel, meiste Kills und eine Begegnung, die bis 58 Minuten ausgeglichen blieb. Wieder leisteten sich beide Mannschaften Fehler, einzig HLE-AD-Carry 'Viper' blieb bis zum Schluss ohne Tod.
Beide Teams hatten den gegnerischen Nexus kurz vor der Zerstörung, doch am Ende war es erneut der koreanische Meister Gen.G, der triumphieren konnte. Die Stunde lässt sich kaum in Worte fassen: HLE wollte vorsichtig spielen, hatte wieder den Gameplan dabei, der mit 'Viper' auf Ziggs auch hervorragend aufging: Vorsichtig spielen und auf Poke-Schaden setzen.
Nach einem verlorenen Atakhan schien alle Hoffnung dahin, dann kramte jeder der HLE-Spieler seine beste Leistung hervor: Alle zeigten perfekte Aktionen und kämpften sich zu Drache und Baron. Im Anschluss ging es vor und zurück. Letztlich entschied ein normalerweise harmloser Teamkampf in der Mitte die Runde: Dank kompletter Items und hohen Death-Timern konnte Gen.G den Sieg eintüten.
Draft-Rätsel in Spiel 3: Gen.G lädt ein - HLE nimmt an
Das dritte Spiel wurde damit schon zum entscheidenden. Und das, obwohl beide Teams auf Augenhöhe agierten.
Die Championwahl wirkte konfus: Zwar ging Sion für Gen.G durch, aber das Team entschied sich auch für Skarner, Viktor, Kaisa und Bard. HLE auf der anderen Seite pickte gut mit Rumble, Sivir und Trundle. "Wenn uns das nicht Spiel 4 bringt, können wir Gen.G auch gleich den Pokal geben", sagte Caster 'Atlus'. Es schien fast, als wollte Gen.G noch etwas weiterspielen.
Ihr Draft hätte später im Match gut funktioniert, mit mehreren stark skalierenden Champions. Aber selbst dann wäre HLE mit seinen Picks nicht untergegangen. Zumal Gen.G zunächst bis dahin hätte kommen müssen.
Hanwha dominierte, erspielte einen Goldvorsprung, holte Baron ohne das Gen.G es merkte und die Seele des Drachen ein paar Minuten später. Im entscheidenden Kampf waren die Carrys des koreanischen Meisters schon aus dem Spiel, ehe es wirklich zur Sache ging. Nach "kurzen" 32 Minuten riss HLE den Nexus ein, und große Fragezeichen schwebten über Gen.G.
Spiel 4: Komfort-Picks, kalter Poke - Gen.G erstickt HLE
Bedeutung hatte das wenig. HLE holte sich in Runde vier Smolder - extrem gut für die späte Phase des Spiels. Immerhin bekam HLEs bester Spieler den Champion. 'Viper' schaffte es dann tatsächlich, den kleinen Drachen auszuskalieren, aber auch das half nicht viel.
Für alle Spieler gab es Komfort-Picks: 'Kiin' durfte seinen K'sante ins Feld führen, 'Zeus' mit Camille spielen. Die Gameplans hätten unterschiedlicher nicht sein können: Poke vs. Dive - Also Schaden aus der Entfernung gegen explosives Hineinspringen. HLE hätte damit eine Chance gehabt, aber sie kamen nie wirklich in die Kämpfe. Zuvor hatte Gen.G schon genug "Poke"-Schaden gelandet. Nur ganz zum Schluss zeigte der Underdog mal einen überraschenden Nocturne-Sprung, ein letztes Aufbäumen. Auch das verzögerte nur das Unvermeidliche: 18:6 nach 31 Minuten. Da es aber schon 2:1 nach Spielen stand, war mit dem Sieg auch gleich Schluss.
Fazit: 3:1 - enger als es aussieht
Auf dem Papier steht ein 3:1, das problemlos auch andersherum hätte ausfallen können. HLE verkaufte sich deutlich stärker, als Analysten und Publikum das eingeschätzt hatten. Die individuelle Klasse überwog: Gen.G überstand die hart umkämpften ersten Runden - Reicht das für einen Weltmeister-Titel? Das kann schon sein.
Wenn das Papier nicht lügt, hat der koreanische Meister gerade das stärkste Team aus dem Turnier geräumt. Kaum eine andere Mannschaft wird eine Schlacht wie in Runde zwei der Serie liefern können. Was aber auch deutlich wurde: Die Meta dreht sich schon. Wenn die anderen Teams ein besseres Verständnis ausbilden können, wird es für Gen.G wie jedes Jahr sehr schwierig.
Morgen Früh: CFOs Dauerangriff testet KT Rolster
Eins von diesen Teams mit Metaverständnis spielt morgen am Mittwoch ab 8 Uhr: CTBC Flying Oyster (CFO) ist der erste ernst zu nehmende Titelkandidat seit einem gefühlten Jahrzehnt, der nicht aus China oder Korea kommt. Die Mannschaft aus Taiwan glänzt durch dauerhaften Angriff und hat mit 'Doggo' einen AD-Carry, der noch die tollsten Manöver wagt - und gewinnt. Mit KT Rolster steht eine weitere Bewährungsprobe an - Auf dem Weg zum Titel?