Nach der sechsten Niederlage seiner Boston Bruins in Serie präsentierte sich der Trainer Marco Sturm ratlos auf die Frage, woran es liegt: "Das ist eine gute Frage, ich weiß es nicht." Der Traumstart in seine Karriere als erster deutscher NHL-Headcoach ist noch keine zwei Wochen her - und doch ganz weit weg. Schon wird Grundsätzliches infrage gestellt.
Beispielsweise das System: "Das Frustrierende ist, dass wir es schon so oft gemacht haben, so oft darüber geredet haben. Aber wenn wir unter Druck stehen, haben wir zu kämpfen", sagte der ehemalige Eishockey-Bundestrainer nach dem ernüchternden 5:7 gegen die Anaheim Ducks.
Der Start war zu schön, um wahr zu sein
Mit drei Siegen zum Start in seine NHL-Trainerkarriere sah zunächst alles rosig aus. Es hatte Verwunderung ausgelöst, wie schnell der Deutsche die Probleme beim Traditionsklub anscheinend in den Griff bekommen hat. Doch elf Tage mit sechs Niederlagen und 28 Gegentoren später steckt Sturm in seiner ersten Krise. Und er macht keinen Hehl daraus, wie sehr sie an ihm nagt.
"Es ist frustrierend", sagte er bei der Pressekonferenz nach dem Spiel mehrmals, "wir sind in einem tiefen Loch." Der Druck nehme durch die Niederlagenserie weiter zu - das sei auch normal. Jedoch bemängelt der Trainer, dass sein Team diesem immer wieder nicht standhält: "Diese Zusammenbrüche in entscheidenden Momenten dürfen einfach nicht sein." Dass vor allem die Defensive patzt, habe ihn überrascht: "Es sollte unsere DNA sein, Bostons DNA, defensiv solide zu spielen und darauf in der Offensive aufzubauen. Aber es ist genau das Gegenteil. Wir schießen viele Tore und vergessen dabei unsere Abwehrarbeit. Das ist schwer zu verstehen. Woher kommt das?"
„Es ist wichtig, als Einheit auf dem Eis zu stehen.“ (Marco Sturm)
Das System sei dabei jedoch nicht das Problem, erklärte Sturm. Es gehe viel mehr um "individuelle Leistungen" und das "Commitment" der Spieler. Man gehöre nun mal nicht zur Ligaspitze: "Deshalb ist es umso wichtiger, als Einheit auf dem Eis zu stehen." Mit den aus dem Fußball bekannten deutschen Tugenden aus Kampf, Einsatz und Teamgeist holte der Coach 2018 sensationell mit dem DEB-Team die Silbermedaille bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang. Doch sein Erfolgsrezept funktioniert bisher in Boston nicht.
Sturm nimmt die Spieler in die Pflicht: "Einige müssen zulegen"
"Ich kann euch sagen, die Jungs arbeiten extrem hart", betonte Sturm, fügte aber einschränkend an: "Die meisten der Jungs, einige müssen zulegen." Die fehlende Arbeitsmoral hatte auch schon Konsequenzen: Stürmer Casey Mittelstadt wurde von Sturm bereits einmal auf die Tribüne verbannt, er meldete sich mit einem Tor zurück. Doch viele Möglichkeiten, personell umzustellen, hat der ehemalige NHL-Stürmer nicht. Das gibt der Bruins-Kader nicht her. "Die Jungs hier und ich, wir müssen das reparieren." Die Fehler, die sein Team macht, seien "zu reparieren", betonte Sturm, "wir haben noch viel Eishockey vor uns".