Niko Kovac strahlt mit seinen 54 Lebensjahren inzwischen eine Ruhe aus, die Borussia Dortmund beim Beseitigen von Nebenschauplätzen erkennbar weiterhilft. Noch ehe die Aufregung um den verweigerten Handschlag von Serhou Guirassy am Samstag so richtig aufkommen konnte, nahm sich der BVB-Trainer seinen Angreifer noch auf dem Rasen nach dem 2:1-Sieg in Leverkusen zur Seite, sprach sich mit ihm aus und nahm ihn anschließend - gut sichtbar für alle - in den Arm.
Kovac: "Stürmer benötigen das gewisse Extra"
Ganz erledigt hatte sich das Thema damit naturgemäß nicht. Zum einen, weil Guirassy nicht zum ersten Mal mit einem Ego-Anfall auffiel, nachdem er bereits beim Champions-League-Spiel in Turin (4:4) nur schwer akzeptieren konnte, dass nicht er, sondern Ramy Bensebaini einen Strafstoß schießen sollte. Zum anderen, weil sein sportlicher Wert zuletzt - zweier Tore in der Champions League beim 4:0 gegen Villarreal zum Trotz - nicht mehr so groß war wie noch in der Vorsaison, als Kovac ihn nachvollziehbarerweise als "Lebensversicherung" der Borussia bezeichnet hatte. Guirassys Ersatz Fabio Silva hatte in Leverkusen durch gute Ansätze und eine Vorlage zum 2:0 Eigenwerbung betrieben - und damit die Frage forciert, ob die Zeit nicht endgültig reif sei, Guirassy eine Pause auf der Bank zu verordnen.
Kovac vertritt dazu eine klare Meinung. "Stürmer wie Torhüter benötigen das gewisse Extra, das Besondere", sagte der BVB-Trainer am Montag bei der Pressekonferenz vor dem "Rückspiel" gegen Leverkusen im DFB-Pokal am Dienstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker). "Ich weiß, welche Qualitäten Serhou hat. Er ist auch abhängig von seinen Mitspielern, die ihn beliefern und füttern. Wenn wir es gemeinsam schaffen, ihn in der Box in Situationen zu bringen, dann bin ich überzeugt, dass er wieder die Tore schießt, die er auch zu Beginn der Saison ja geschossen hat. Ich werde ihn stützen, denn jede Mannschaft braucht es, einen Topstürmer in den eigenen Reihen zu haben." Mit anderen Worten: Guirassy dürfte auch am Dienstag wieder in der Startelf stehen.
Fabio Silva könnte aus dem linken Halbraum kommen
Das wiederum bedeutet nicht, dass Fabio Silva erneut nur als Joker zum Zuge kommt. Bereits in Leverkusen hatte er Guirassy nicht eins zu eins ersetzt, sondern hielt sich eher im linken Halbraum zwischen den Linien auf. Eine Rolle, die er laut seinem Trainer gerne spielt - und auch am Dienstag spielen könnte, etwa anstelle von Julian Brandt. Zumal der Portugiese in den vergangenen Wochen auch Fortschritte in der Defensivarbeit machte, wo er Kovacs Prinzipien erst noch verinnerlichen musste.
Personell bieten sich dem BVB-Trainer ohnehin wieder zahlreiche Alternativen. Einzig Niklas Süle fällt aufgrund einer hartnäckigen Zehenverletzung weiter aus, Maximilian Beier dagegen kehrt in den Kader zurück und könnte auf der linken Seite Vielspieler Daniel Svensson entlasten. In jedem Fall sind mehr Änderungen zu erwarten als vor dem Leverkusen-Spiel in der Liga, als Kovac seine Elf im Vergleich zum vorherigen Champions-League-Spiel gegen Villarreal nur auf einer Position veränderte.
Bekommen Schlotterbeck und Anselmino eine Pause?
In der Dreierkette etwa könnten sowohl Nico Schlotterbeck als auch Aaron Anselmino eine Pause bekommen, nachdem sie zuletzt stark beansprucht waren. In Ramy Bensebaini und Emre Can stehen zwei fitte Alternativen zur Verfügung. Auch im Mittelfeldzentrum ist die Auswahl für Kovac groß.
Entscheidend dürfte am Dienstag erneut sein, wie gut Dortmund die Angriffe der Bayer-Elf abwehren kann - um dann mit der zuletzt gezeigten Effektivität vorne zuzuschlagen. "Wir wollen aktiv verteidigen. Es geht auch darum, den Gegner hoch anzulaufen, wie wir es in der ersten Hälfte in Leverkusen getan habe", umriss Kovac am Montag die Aufgaben.
"Wir müssen einen richtigen Brocken aus dem Weg räumen"
Münden soll der Abend logischerweise im Einzug in die nächste Runde, der Pokalsieg ist ein erklärtes Ziel der Borussia. "Am Samstag war es ein enges, knappes Spiel, das wir trotzdem verdient gewonnen haben. Und auch morgen wird es wieder eine enge Geschichte, bei der es auf Kleinigkeiten ankommen wird", sagte Kovac, der in Berlin geboren wurde und nur allzu gerne im Mai mit seinem Team in seine Heimatstadt reisen würde: "Der Pokal hat einen Riesen-Stellenwert, den er auch verdient. Dafür müssen wir morgen einen richtigen Brocken aus dem Weg räumen." Mit Guirassy. Und mit Fabio Silva.