Es war ein Sommer, wie ihn sich viele wünschen würden. Jede Menge Freizeit, wochenlang im Hotel wohnen, kein Druck, keine Verpflichtungen. Doch für Antony war es einfach nur ein zähes Warten.
Nach einem halben Jahr Ausleihe bei Real Betis war der Brasilianer nach Manchester zurückgekehrt, und das eigentlich mit jeder Menge guter Argumente für eine zweite Chance im Gepäck. Neun Tore und fünf Vorlagen gelangen ihm in 26 Pflichtspielen für die Andalusier, dank seiner Scorerpunkte erreichte Betis das Finale der Conference League gegen den FC Chelsea (1:4) und qualifizierte sich als Tabellensechster für die Europa League.
Doch bei Manchester United wogen die zweieinhalb erfolglosen Jahre zu schwer. Im Sommer 2022 war Antony für 95 Millionen Euro von Ajax Amsterdam zu den Red Devils gewechselt, einer der teuersten Transfers in der Fußballgeschichte - und gleichzeitig einer der größten Flops überhaupt. Drei Tore erzielte Antony in seinen ersten drei Premier-League-Spielen, danach noch ganze zwei. In Manchester ergoss sich nur noch Spott über den Flügelangreifer, der zwischenzeitlich wegen des Vorwurfs häuslicher Gewalt im September 2023 sogar suspendiert wurde.
Nach seiner Rückkehr aus Sevilla landete Antony, dessen Vertrag bis 2027 lief, gemeinsam mit anderen namhaften Unerwünschten wie Marcus Rashford, Jadon Sancho, Alejandro Garnacho und Tyrell Malacia in einer Trainingsgruppe, die erst auf den Platz durfte, wenn die Teamkollegen mit ihren Übungen fertig waren. Eine feste Bleibe nahm er sich gar nicht erst, stattdessen wohnte er in einem Hotel.
Keiner wollte Antony mehr in Manchester, und bei Betis wollten ihn alle zurück. Spielmacher Isco - noch so einer, der in Sevilla wieder aufblühte - schlug schon im März eine Crowdfunding-Kampagne vor, um Antony zumindest ein Jahr länger halten zu können. Betis-Vereinslegende und Spaßvogel Joaquin sagte zwei Monate später, er würde sein Auto zur Verfügung stellen, um Antony aus Manchester zu entführen.
Letztlich kehrte Antony dann doch auf legalem Wege zu Betis zurück. Für 22 Millionen Euro plus drei Millionen an Bonuszahlungen, eine schwindelerregende Summe für die Grün-Weißen. Doch sie zahlt sich offenbar aus.
Mallorca in 37 Minuten erledigt
Da machte es auch nichts, dass der Deal erst am Deadline Day zustande kam und Antony deswegen drei Ligaspiele von Betis verpasste. Seitdem hat der 25-Jährige schließlich in neun Spielen fünf Tore und zwei Vorlagen beigesteuert. Am vergangenen Sonntag erledigte er RCD Mallorca in den ersten 37 Minuten der Partie quasi im Alleingang: Nach zwei blitzsauberen Distanzschüssen außerhalb des Strafraums legte er auch noch das 3:0 von Abde mustergültig auf, in der zweiten Hälfte wäre ihm beinahe noch ein weiterer Treffer gelungen. "Wer Antony hat, hat einen Schatz", schrieb die Marca verzückt.
Insgesamt kommt Antony für Betis in nicht einmal einem Jahr auf 14 Tore und sieben Vorlagen - erstklassige Werte für einen Flügelangreifer. "Ich bin glücklich, ich bin zu Hause", sagte er nach seiner Festverpflichtung. Ein Gefühl, das er in dieser Form wohl seit seiner Zeit bei Ajax nicht mehr hatte, als ihm 24 Tore und 22 Vorlagen in 82 Spielen für die Niederländer gelangen.
Leichtigkeit und Selbstvertrauen sind zurück, der Stil ist der alte geblieben. Gegen Mallorca entstanden beide Tore in gewohnter Antony-Manier, indem er von rechts in die Mitte zog und mit seinem starken linken Fuß akkurat abschloss. Eine Konstante in seiner Spielweise, die bei ManUnited noch als unkreativ kritisiert worden war. Zum Vorteil für Antony wirkt sich allerdings aus, das er unter Trainer Manuel Pellegrini generell mehr Freiheiten genießt als noch zu Manchester-Zeiten unter Erik ten Hag, dem er 2022 von Ajax nach Manchester gefolgt war.
Antony-Tattoo bei Betis in Mode
Und auch, wenn Betis für Antony tief in die Tasche gegriffen hat - 95 Millionen Euro muss der aus einfachen Verhältnissen kommende Brasilianer inzwischen nicht mehr auf dem Platz rechtfertigen. Das Verkrampfte aus Manchester ist in Sevilla der Lockerheit gewichen. "Er ist immer unberechenbar und will sich einbringen", sagte Pellegrini nach der Gala vom Sonntag. Seine folgenden Worte klangen beinahe wie eine Drohung für die Konkurrenz. "Er hat vier oder fünf Monate lang nicht trainiert und wird bald wieder zu seiner Bestform zurückfinden."
Dann ist für den 16-maligen brasilianischen Nationalspieler die WM und für Betis womöglich die Champions League drin, nach elf Spieltagen liegt der Tabellenfünfte zumindest aussichtsreich im Rennen. In der Europa League wartet am Donnerstag aber erst einmal Olympique Lyon auf die Andalusier.
Ob Antony dann wieder die Gelegenheit haben wird, auf sein Hals-Tattoo zu deuten? Dort steht das Wort "Iluminado" geschrieben, zu Deutsch "erleuchtet". "Aufgrund meiner Herkunft und meiner Erfahrungen fühle ich mich erleuchtet, deshalb habe ich dieses Tattoo, das für mich eine große Bedeutung hat", erklärte er einmal gewohnt selbstbewusst.
Ein Unikat ist es längst nicht mehr. Inzwischen sieht man im Betis-Block immer wieder Fans mit dem "Iluminado"-Tattoo auf dem Hals.