Die letzte Woche dürfte Nürnbergs Trainer Andreas Wolf wie ein Traum vorgekommen sein, aus dem man am liebsten nicht aufwachen will. Am Sonntag hat seine U 23 mit einem souveränen 2:0 gegen Bayreuth die Tabellenspitze gestürmt, am Donnerstag hat er die UEFA-Pro-Lizenz erworben, ehe mit einem spektakulären 3:2 bei Hankofen-Hailing die Herbstmeisterschaft perfekt gemacht wurde. Läuft bei ihm, und läuft bei seinem jungen Team, das die Herbstmeisterschaft nach dem Schlusspfiff ausgelassen gefeiert hat.
Den inoffiziellen Titel des Halbzeitmeisters will der frischgebackene Fußballlehrer nicht zu hoch aufhängen, wenngleich er sich darüber natürlich freut: "Eigentlich geht es ja vor allem um die Entwicklung der Jungs. Aber es ist eine schöne Momentaufnahme und der Lohn unserer harten Arbeit. Wir genießen es und wollen die Position so lange wie möglich verteidigen." Beim "Meisterstück" beim Tabellenvorletzten demonstrierte das Wolf-Rudel einmal mehr mentale Stärke, ließ sich von den beiden Gegentoren nicht beeindrucken, schlug zweimal zurück und belohnte sich mit dem fünften Sieg in Folge.
Reif und abgezockt
Nürnbergs Youngsters haben eine beeindruckende Hinserie gespielt. Nach einer aufreibenden Vorsaison, in der man sich über weite Strecken gegen den Abstieg stemmen musste, trotz eines umfassenden personellen Umbruchs im Sommer, und obwohl man einige Spieler integrieren musste, die sich eigentlich Chancen bei den Profis ausgerechnet haben wie Justin von der Hitz oder Kristian Mandic, gelang ein Traumstart mit fünf Siegen zum Auftakt.
Aus einer kurzen Ergebniskrise mit nur einem Punkt aus drei Partien ging das Wolf-Rudel gestärkt hervor und überzeugte mit für eine U-Mannschaft eher untypischen reifen, abgezockten Auftritten. Wenn trotz einer Vielzahl an Chancen der Ball nicht ins Tor wollte, kam keine Panik auf. Und mit kühlen Köpfen fanden die Spieler dann auch die Route auf die Siegerstraße. "Ich bin richtig froh, dass die Mannschaft sich so entwickelt und von Woche zu Woche performt. Wir haben ein stimmiges Mannschaftsgefüge, jeder nimmt seine Rolle an. Es greift das eine ins andere. Es macht einfach Bock, mit den Jungs zu arbeiten.", erklärt Wolf, gibt aber auch zu bedenken: "Wir sind mit der Entwicklung noch nicht fertig. Es sind junge Kerle, da wird auch mal wieder eine Delle geben, das gehört auch dazu. Aber die Delle sollte nicht allzu groß und allzu lang sein. Wir wollen einfach eine gewisse Stabilität reinbringen."
Motivierte Zweitliga-Profis
Die Mannschaft profitiert zweifellos davon, dass mit von der Hitz, Mandic, Eryk Grzywacz, Eric Porstner, Winners Osawe und Tino Kusanovic einige Lizenzspieler regelmäßig in der Regionalliga auflaufen. Während in der Vergangenheit Profileihgaben öfters wie Fremdkörper wirkten, treten die Spieler aus dem Zweitligakader äußerst motiviert auf und sind vollwertige Teile des Erfolgskollektivs.
So auch Piet Scobel, der sich in den letzten Wochen zu einem absoluten Torjäger entwickelt hat. Der gebürtige Pinneberger steht mit elf Treffern gemeinsam mit Anton Heinz (Bayern München) und Aubstadts Severo Sturm an der Spitze der Torjägerliste. Allein in den letzten vier Partien gelangen dem Blondschopf sechs Tore, so auch in Hankofen das zwischenzeitliche 2:1, als er ein Zuspiel gedankenschnell verwertete. Das ist auch Profitrainer Miroslav Klose nicht entgangen. Der 20-Jährige, der vor gut einem Jahr noch in der 6. Liga gekickt hat, durfte am Freitag beim 2:1-Sieg der Profis in Dresden die ersten Minuten in der zweiten Liga genießen. Sehr zur Freude Wolfs: "Durch das Training bei den Profis macht Piet fast wöchentlich einen Schritt nach vorne. Er hat einen Torriecher, ist sehr fleißig und fokussiert. Piet weiß, was er will. Er hat es sich verdient, in den Profikader berufen zu werden und nun die ersten Minuten in der zweiten Liga zu spielen."
Wiesinger spricht von einem Flow
Der fränkische Höhenflug begeistert auch NLZ-Leiter Michael Wiesinger: "Obwohl wir eine fast komplett neue Mannschaft haben, sind die Jungs von Beginn an zu einer Einheit geworden und in einen Flow gekommen. Das ist aber nicht selbstverständlich. Ich erinnere ich noch gut an die letzte Saison, als die Mannschaft erst nach der Winterpause so zusammengespielt war, dass sie sich aus dem Gröbsten befreien konnte. Es macht Spaß, den Jungs beim Fußballspielen zuzuschauen. Das gesamte Trainerteam und die Mannschaft machen einen super Job."
Angesichts von einem noch ausstehenden Nachholspiel bei der U 23 des FC Bayern München könnten die Nürnberger der Konkurrenz sogar noch etwas weiter enteilen. Da stellt sich fast schon zwangsläufig die Frage nach möglichen Aufstiegsambitionen. Haben sich die Verantwortlichen in den letzten Jahren immer gegen die Beantragung der entsprechenden Lizenz entschieden, ist die Frage aktuell noch ergebnisoffen. "In der Situation waren wir in der Vergangenheit ja schon häufiger. Joti Chatzialexiou und ich werden uns austauschen und abwägen, was das Beste ist. Es ist eine weitreichende Entscheidung, in die vieles einbezogen werden muss: Spielstätte, Kosten und die Zusammenstellung des Kaders. Wir bräuchten die richtige Mischung aus erfahrenen und jungen Spielern." Mit Kapitän Fabian Menig (31) und Benedikt Kirsch (29) stehen zwei profierfahrene Spieler im Kader, die die jungen Spieler leiten könnten. Eine U 23 in der 3. Liga macht den Ausbildungsverein für aufstrebende Talente noch attraktiver. "Aber bei der Frage ist definitiv noch keine Entscheidung gefallen", erklärt Wiesinger.
Nun stehen für die Nürnberger Gipfelstürmer bis zur Winterpause noch drei Auswärtspartien bei nur einem Heimspiel an. Für Coach Wolf ist das allerdings kein Nachteil: "Das macht für uns keinen Unterschied. Eine größere Kulisse auswärts mit viel Stimmung ist ja auch mal schön."