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"Einnahmen in historischer Größenordnung": Schmedes bringt Bröndbys Motor zum Laufen

kicker

Vom Chefscout des HSV hat es Benjamin Schmedes in zehn Jahren über die Stationen Osnabrück (Sportdirektor) und Vitesse Arnheim (Technischer Direktor) zum Direktor Profifußball bei Bröndby IF gebracht. Die US-Mehrheitseigentümer des Traditionsvereins holten den 40-jährigen gebürtigen Hannoveraner Anfang des Jahres nach Kopenhagen, um wieder an ruhmreiche nationale wie europäische Zeiten anzuschließen. Denn Schmedes gilt als analytisch und geradlinig agierender Zukunftsplaner, der im emotionalen Umfeld des dänischen Fanmagneten ein strategisch umsichtiger Steuermann sein soll.

Der sportliche Hauptverantwortliche räumte im ersten Jahr gleich ordentlich und offenbar erfolgreich auf, was ihm auch die dänischen Medien attestieren. In den Bereichen Infrastruktur, Trainerteam, Klubphilosophie und vor allem am Transfermarkt (kolportiert wird ein Plus von 20 Millionen Euro im Jahr 2025) lieferte Schmedes starke Impulse. Dem kicker gab er am vorletzten Heimspielwochenende des Jahres ein Interview. Die Strahlkraft des enorm populären Klubs samt damit einhergehender Herausforderungen, die sportliche Gegenwart, Zukunft und Nachwuchsarbeit waren dabei ebenso Themen wie seine persönlichen Ziele.

Sie sind als Deutscher zum dänischen Traditionsklub gekommen. Mit welchen Erwartungen und Zielsetzungen sind Sie hier als Fußballdirektor angetreten? Und welche davon haben sich in diesem Jahr bereits erfüllt oder sind auf einem guten Weg?

Bröndby IF ist ein traditionsreicher Verein, vermutlich einer der größten, wenn nicht der größte Klub in Skandinavien, wenn man Historie, Tradition und Reichweite betrachtet. Diese Kombination macht das Umfeld äußerst attraktiv, zumal man sofort spürt, wie lebendig und leidenschaftlich der Klub ist. Hinter uns steht eine große Zahl an Menschen, denen Bröndby sehr am Herzen liegt. Es ist ein Verein, der polarisiert. Gleichgültigkeit gibt es kaum, weder in Dänemark noch im restlichen Skandinavien. Das wurde mir insbesondere auch bei unseren Qualifikationsspielen zur Conference League bewusst, etwa auf den Färöer und Island. Für mich als Ausländer war es ein besonderer Schritt, zu einem Verein mit dieser Strahlkraft zu kommen, der zugleich aber auch bereit war, neue strategische Ansätze zu verfolgen und Veränderungen einzuleiten.

Welche Ansätze und Veränderungen waren oder sind das?

Eine der Erwartungen mit meiner Anstellung war, die Transferstrategie anzupassen. Im Sommer haben wir in diesem Bereich, gemessen an unserer Klubgröße, Einnahmen in historischer Größenordnung erzielt. Das war ein wichtiger erster Schritt, um eine neue Dynamik im Transfergeschäft in Gang zu setzen. Unser Ziel ist es nun, den Verein systematisch weiterzuentwickeln. Wir wissen, dass es in Dänemark mit dem FC Kopenhagen und dem FC Midtjylland zwei Klubs gibt, die uns wirtschaftlich voraus sind und auf einem anderen Niveau investieren können. Umso wichtiger ist es für uns, unseren eigenen Motor in Bezug auf Transfers und unserer eigenen Ausbildung dauerhaft zum Laufen zu bringen, also eine Plattform zu schaffen, auf der sich Spieler sportlich weiterentwickeln und den nächsten Karriereschritt vorbereiten können.

Was kann Bröndby diesen Spielern konkret bieten?

Wir verfügen über mehrere Stärken, die wir gezielt nutzen. Neben einer starken inhaltlichen Ausbildung und Weiterentwicklung unserer Spieler, besteht ein enormer Unterschied zwischen einem großen Traditionsverein mit hohem Erwartungsdruck und einem Klub ohne diesen Druck. Bei uns lernen die Spieler, in einem Umfeld mit Verantwortung und Öffentlichkeit zu bestehen. Eine wichtige Vorbereitung für die sogenannten Big-Five-Ligen, in denen täglicher Leistungsdruck herrscht. Hier in Bröndby erwerben sie das nötige Rüstzeug, um auf der nächsten Stufe zu bestehen. Gleichzeitig wollen wir als Verein kontinuierlich Fortschritte machen und uns perspektivisch wieder in den Kampf um nationale Titel zurückarbeiten.

Und international?

Da die TV-Einnahmen in Dänemark - ähnlich wie in Österreich - nicht mit denen der großen europäischen Ligen vergleichbar sind, wäre eine Teilnahme an einer Ligaphase in einem europäischen Wettbewerb natürlich ein enormer Schub, was kurz- bis mittelfristig auch unser Ziel ist. In den vergangenen beiden Jahren waren wir jeweils nah an der Teilnahme an der Conference-League-Ligaphase. Dieses Jahr hatten wir mit Racing Straßburg im Play-off den potenziell stärksten Gegner aus dem Lostopf und mussten uns knapp geschlagen geben. Solche internationalen Auftritte sind wertvolle Erfahrungen für die Spieler und zudem wertsteigernd. Unsere strategische Entwicklung ruht dabei auf mehreren Säulen: erfolgreichen Transfers, internationaler Präsenz und einer starken Nachwuchsförderung in unserer Akademie "Masterclass" ab der U 13.

Wie ist dieses Nachwuchsmodell organisatorisch aufgebaut?

Wir beginnen bereits im Alter von zehn bis 13 Jahren mit dem Scouting, um Talente frühzeitig zu identifizieren. Gleichzeitig vertreten wir die Überzeugung, dass junge Spieler sich in ihrem gewohnten Umfeld zunächst am besten weiterentwickeln. Erst ab der U 13 holen wir sie dauerhaft zu uns. Zuvor gibt es eine Pre-Academy, bei der sie regelmäßig bei uns trainieren und sich an das Umfeld gewöhnen können, während sie weiterhin in ihren Heimatvereinen spielen. Dieses Modell ist bereits seit einiger Zeit etabliert. Im Raum Kopenhagen haben wir mit dem FC Nordsjaelland und vor allem dem FC Kopenhagen starke Konkurrenz. Wer in der Talentsichtung zu spät reagiert, verliert potenzielle Spieler an andere Leistungszentren.

Wie ordnen Sie das Bröndby-Modell im Vergleich zu den großen deutschen Nachwuchsakademien ein?

Inhaltlich stehen wir in einigen Bereichen sogar besser da. Ich sehe keinen Grund, unsere Masterclass hinter großen deutschen Akademien zu verstecken. Natürlich ist Dänemark ein deutlich kleineres Land, der Talentpool ist entsprechend kleiner, und vieles konzentriert sich auf die Metropolregion Kopenhagen. Das lässt sich nur schwer mit Deutschland vergleichen, da es dort zahlreiche Metropolregionen mit entsprechendem Einzugsgebiet gibt. Im Gegensatz zu manchen Konkurrenten betreiben wir derzeit kein Internat. Unsere Spieler kommen aus dem näheren Umfeld oder ziehen erst später hierher. Dafür haben wir einen großen Vorteil: Schule und Stadion befinden sich auf demselben Gelände. Dadurch sind Unterricht und Training gut aufeinander abgestimmt, was die Entwicklung enorm erleichtert. Zudem führt die Größe des Talentpools dazu, dass man sich inhaltlich sehr intensiv mit den jeweiligen Talenten auseinandersetzt, wir arbeiten hier mit individuellen Entwicklungsplänen und haben entsprechend nur sehr wenige "Drop-Outs".

Dänemark gilt als äußerst erfolgreiches Exportland für Fußballer und verfügt über eine starke Nationalmannschaft. Was ist das Erfolgsrezept?

Gemessen an der Bevölkerungszahl produziert Dänemark eine erstaunlich hohe Zahl an Spielern für die großen Ligen. Neber der inhaltlichen Ausbildung ist ein zentraler Faktor auch die Sprache: Kinder lernen hier sehr früh ausgezeichnetes Englisch, wodurch es später keinerlei Sprachbarrieren gibt. Dänemark ist ein kleines Land, das historisch und wirtschaftlich gelernt hat, sich zu öffnen. Kopenhagen ist eine weltoffene Stadt und die dänische Liga versteht sich als Ausbildungs- und Verkaufsliga. Die Kunst für jeden Klub besteht darin, Spieler auf ihrem Leistungshöhepunkt zu verkaufen - sowohl wirtschaftlich als auch in Bezug auf ihre Entwicklung im Verein. Man muss sich seiner Position in der internationalen Transferhierarchie bewusst sein, sich realistisch einschätzen und dann Schritt für Schritt nach oben arbeiten. Dieses Klettern bedeutet letztlich sportliches und wirtschaftliches Wachstum.

Wie beurteilen Sie die bisherige Saison von Bröndby, das nach 15 Runden auf Platz zwei liegt?

Ich bin absolut zufrieden mit der aktuellen Tabellensituation und der Punkteausbeute - besonders angesichts des Transfersommers, in dem wir einen erheblichen Transfergewinn erzielt haben. Wir haben viele Neuzugänge und viele junge Spieler, die es zu integrieren galt. Um an der Tabellenspitze mitzuhalten, müssen wir uns stetig weiterentwickeln. Wir sind stabil und haben einzelne sehr gute Phasen, die Konstanz müssen wir uns noch weiter erarbeiten.

Inwiefern war der neue Trainer Steve Cooper entscheidend für diesen Aufschwung? Patrick Pentz sprach von deutlich mehr Zug im gesamten Umfeld.

Das deckt sich mit meiner Wahrnehmung. Und genau das war auch unsere Intention: jemanden mit großen Ambitionen und klarer Handschrift zu verpflichten. Nach einem Transfersommer, in dem wir erhebliche Einnahmen erzielt haben, ist es selten, dass man sich sportlich gleichzeitig verbessert. Wir haben aber gezeigt, dass wir bereit sind, uns auf dem Transfermarkt weiterzuentwickeln und ambitionierte Spieler zu verpflichten. Mit dem neuen Trainerteam wollen wir den gesamten Verein auf ein höheres Niveau heben. Bröndby ist ein traditionsreicher Klub mit vielen Stärken, aber auch einigen Verbesserungsmöglichkeiten. Wir haben in der Infrastruktur bereits einiges in Gang gesetzt und natürlich geht es nun darum, mit der Mannschaft weitere Entwicklungsschritte zu gehen. Diese Arbeit hat eine spürbar positive Dynamik erzeugt.

„Wir arbeiten daran, ihn in eine Topverfassung zu bringen, damit er sein Potenzial voll ausschöpfen kann.“ (Benjamin Schmedes über die Situation von Michael Gregoritsch)

Torhüter Patrick Pentz hat sich hier in den letzten Jahren ein starkes Standing erarbeitet. Wie sehen Sie seine Entwicklung und Identifikation mit Bröndby? Und kann es mit Neuzugang Michael Gregoritsch ähnlich laufen?

Das ist immer schwer vorherzusagen. Bei Patrick war der Einstieg durch seine Leihe zunächst einfacher. Wenn ein Spieler bereits ausgeliehen war, kennen sich beide Seiten gut, und man weiß, was man voneinander erwarten kann. Entsprechend ist Patrick bei uns die klare Nummer eins - und das spiegeln seine Leistungen auch wider. Michael Gregoritsch haben wir im Sommer verpflichtet, nachdem er in Freiburg weniger Spielzeit bekam, als er sich gewünscht hatte. Er hat an allen Stationen, inklusive der Nationalmannschaft, seine Torgefahr und seinen Mehrwert bewiesen. Wenn man jedoch spät in der Transferperiode kommt, während die Saison bereits läuft, ist die Eingewöhnung naturgemäß schwieriger. Wir arbeiten daran, ihn in eine Topverfassung zu bringen, damit er sein Potenzial voll ausschöpfen kann. Seine Einstellung und Professionalität sind dabei vorbildlich.

Wie sieht Ihr weiterer Karriereplan aus? Gibt es den Wunsch, mittelfristig wieder in die Bundesliga zurückzukehren?

Ich sehe mich grundsätzlich als strategisch denkenden Menschen und genau für diese Fähigkeit werde ich häufig verpflichtet - um sauber zu analysieren, langfristig zu planen und Strukturen zu entwickeln. Wenn es um mich selbst geht, lasse ich die Dinge aber eher auf mich zukommen und fokussiere mich vielmehr auf die aktuelle Arbeit. Ich habe kein konkretes Ziel, dem ich alles unterordne. Mein Anspruch ist, an dem Ort, an dem ich tätig bin, bestmögliche Fortschritte zu erzielen. Mich motiviert vor allem, in Funktionen zu arbeiten, in denen man einen sichtbaren Fußabdruck hinterlassen kann - also nachweislich positive Entwicklungen innerhalb eines Vereins anstoßen und begleiten.

Im Fußball gibt es immer wieder Situationen, in denen Eigentümer oder Konzerne großen Einfluss auf Vereine nehmen. Wie ist das bei Bröndby, arbeiten Sie in einem gesunden Rahmen?

Im Management Board arbeite ich zusammen mit unserem CEO, der maßgeblich für die Vermarktung verantwortlich zeichnet sowie einem Finanzdirektor. Wir sind jeweils alleinvertretungsberechtigt. Unser Mehrheitseigentümer ist eine amerikanische Investorengruppe, die auch die Mehrheit der Sitze im Board of Directors bestellt, an das ich berichte. Strukturell unterscheidet sich das jedoch kaum von einem deutschen Aufsichtsrat, dem man regelmäßig als Vorstand bzw. Geschäftsführung präsentiert und berichtet. Der Unterschied liegt eher in kulturellen Aspekten. Schlussendlich sind für mich aber weniger die Strukturen entscheidend als die handelnden Personen. Das kann ich nach bereits vielen Jahren im Geschäft sowie diversen unterschiedlichsten Klubs und Umfeldern sagen. Maßgeblich sind immer die Persönlichkeiten, mit denen man zusammenarbeitet.