Das ganz besondere Fluidum auf dem Betzenberg kennt Tjark Ernst seit Kindestagen - seit jener Zeit, als sein Vater Thomas das Tor des 1. FC Kaiserslautern (2003-2006) hütete. Was am Samstagabend auf Hertha BSC zurollen würde, war dem Berliner Keeper somit vorher klar. "Wer die Kulisse kennt und heute wieder gesehen hat: Das ist Fußball pur. Das war Kampf pur", sagte Ernst nach dem 1:0-Auswärtserfolg seines Teams bei Sky. "Den Kampf haben wir angenommen. Es war ein absoluter Kampfsieg. Aber wir waren darauf eingestellt, dass es nicht darum geht, hier schönen Fußball zu spielen."
Leitl: "Nach 60, 65 Minuten muss das Ding erledigt sein"
Mit einem disziplinierten, intensiven, strukturierten Vortrag hatten die Berliner, die im vierten Pflichtspiel in Serie zu null spielten, mehr als eine Stunde lang alles im Griff. Einziger Makel ihres überzeugenden Auftritts: das ausbleibende zweite Tor, das die Fronten früher geklärt hätte. "Nach 60, 65 Minuten muss das Ding hier erledigt sein", konstatierte Trainer Stefan Leitl. "Wir waren die klar bessere Mannschaft und hatten Riesen-Tormöglichkeiten."
Vier, fünf, sechs hochkarätigste Umschaltsituationen spielten die Berliner nicht konsequent zu Ende. "Wir haben uns leider nicht belohnt, um das Spiel zuzumachen. Und dann", sagte Leitl, "kommt der Betze natürlich mit der Emotion und der ersten Torchance aus dem Nichts. Dann hatten wir wieder einen sehr guten Tjark Ernst."
Herthas Torhüter, der bislang eine überragende Saison spielt, lieferte in Kaiserslautern seinen nächsten Formnachweis ab - und war speziell gegen Mika Haas mehrfach zur Stelle (22., 89., 90.+2). Auch Ernsts FCK-Pendant Julian Krahl zollte Anerkennung: "Tjark spielt eine sehr, sehr starke Runde. Hertha kann sich glücklich schätzen, ihn bei sich zu haben."
Leitls Team überstand die Schlussphase inklusive des Abseitstreffers von Ivan Prtajin (90.+3) - und verbuchte die siebte weiße Weste dieser Zweitliga-Spielzeit. Inklusive DFB-Pokal stehen die Berliner nach 14 Pflichtspielen bei neun Zu-null-Partien. "Als Torwart zu null zu spielen, ist immer ein Stück weit eine Genugtuung", gestand Ernst und gab das Lob an die Kollegen weiter: "Wie wir die letzten Wochen als Team verteidigen, ist bärenstark. Das fängt schon vorne an, wie wir die Räume dicht machen, und zieht sich durch die Mannschaft durch."
Kolbe als Linksverteidiger in der Startelf: Der Plan ging auf
Auch Leitl adressierte ein großes Kompliment an sein Team, das sich nach einem schwierigen Saisonstart inzwischen gefunden hat. "Mich freut, dass wir erwachsenen und disziplinierten Fußball spielen", erklärte der Trainer, der Niklas Kolbe als Linksverteidiger gebracht und Michal Karbownik als Vertreter des verletzten Linus Gechter nach rechts gezogen hatte und sich durch Kolbes souveräne Darbietung bestätigt sehen durfte. "Wir haben viele Einzelkönner, die sich in den Dienst der Mannschaft stellen und trotzdem ihre Aktionen haben und glänzen können."
Das stimmt fraglos, und zugleich war es am Samstagabend in Kaiserslautern mehr Kampf als Glanz und mehr Umschalt- als Ballbesitzfußball. Kurzum: Es war für die Dienstreise in die Pfalz der passende Griff in den Werkzeugkoffer.