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"Man fällt in ein Loch": Die dunklen Seiten des Fußballs am Campus der Stars

kicker

Die steilen Karrieren und spektakulären Erfolgsgeschichten des Fußballs kennen Millionen Fans aus allen nur erdenklichen Medien und Kanälen. Doch der Profikick hat bei weitem nicht nur schöne Seiten, obwohl oder weil so viel Ruhm und Geld im Spiel ist. Besonders in Erscheinung tritt der dunkle Part des Traumjobs, wenn Spieler von ihren Klubs über einen längeren Zeitraum verspätet oder gar nicht bezahlt werden - und manchmal buchstäblich über Nacht in Arbeitslosigkeit und Zukunftsängste abgleiten.

Gerade in diesen für Österreichs Fußball mit WM-Qualifikation und U-17-WM so erfolgreichen Wochen kämpfen zahlreiche heimische Spieler um ihre sportliche und berufliche Existenz. Auf dem Kunstrasenplatz des neuen ÖFB-Campus in der Wiener Seestadt, wo sich auch die Fußball-Multimillionäre David Alaba, Marko Arnautovic und Co. auf das erfolgreiche Entscheidungsspiel gegen Bosnien vorbereiteten, trainiert Joachim Standfest eine kleine, aber feine Truppe von vertragslosen und sehr viel weniger bekannten Profis.

"Bis auf einmal alles vorbei war ..."

Der langjährige und erfolgreiche Spieler für GAK, Austria und Sturm (Meister mit beiden Grazer Klubs) wurde vor einem Jahr als Coach von Altach entlassen. In seiner Trainingsgruppe wird im Rahmen des von der Fußballer-Gewerkschaft younion organisierten Herbst-Camps intensiv und professionell gearbeitet. Bei winterlichen Bedingungen tummeln sich zahlreiche, aber nicht nur Spieler des implodierten Zweitligisten SV Stripfing auf dem Feld. Einer von ihnen ist der bis zum wirtschaftlichen Ende in Stripfing als Kapitän engagierte Wilhelm Vorsager. Der 28-jährige Mittelfeldmann, davor lange bei Admira und kurz in Norwegen, erzählt dem kicker über schwierige Monate.

„Und dann sind wir alle nach Hause gegangen wie nach einem Schulskikurs.“ (Wilhelm Vorsager über das Ende beim SV Stripfing.)

"Wir wurden immer wieder vertröstet, bis es dann auf einmal ganz schnell ging und alles vorbei war. Das Schlimmste für uns als Führungsspieler war, dass wir über Monate ganz unterschiedliche Informationen an die Mannschaft weitergeben mussten, ein ständiges emotionales Auf und Ab. Und dann, nachdem man uns gesagt hat, dass es nicht mehr weitergeht, sind wir alle nach Hause gegangen wie nach einem Schulskikurs", berichtet Vorsager über das unwirkliche Ende nach vier langen Monaten ohne Gehalt, aber mit vielen gebrochenen Vereinbarungen. Das Trauerspiel mündete in die Vertragsaustritte der gesamten Mannschaft. Der SV Stripfing meldete Konkurs an und wurde schließlich aus dem Meisterschaftsbetrieb der 2. Liga genommen.

"Trotzdem der schönste Job, den ich mir vorstellen kann"

Für Vorsager und Kollegen bedeutete das den nächsten Tiefschlag. "Man fällt mental in ein Loch, aus dem man als Sportler so schnell wie möglich wieder raus muss." Dass die im Österreichischen Gewerkschaftsbund beheimatete younion auf dem ÖFB-Campus spontan ein vierwöchiges Trainingscamp startete, das noch bis Ende nächster Woche, also bis zum Ende der Bundesliga-Herbstsaison läuft, wurde von den arbeitslosen und davor lange unbezahlten Profis dankbar angenommen. Neben den Ex-Stripfingern war in den ersten Tagen etwa auch Christoph Knasmüllner dabei, der seit Sommer vertragslos gewesen war und dann von seinem Ex-Rapid-Kollegen Andreas Dober nach Tulln in die niederösterreichische Landesliga geholt wurde.

Den Gang ins oft sogar besser bezahlte Unterhaus strebt Vorsager nicht an, er will im Profibereich bleiben. "Ein Zweitligist mit Ambitionen nach oben wäre optimal. Es ist halt trotzdem der schönste Job, den ich mir vorstellen kann", sagt der Student der Sportwissenschaften. "Insofern war es wirklich extrem wichtig, dass wir durch die younion weiter regelmäßig Mannschaftstraining unter professionellen Bedingungen hatten und haben. Sich alleine fit zu halten, wäre etwas ganz anderes als hier gemeinsam zu trainieren." Auch Ex-Rapidler Roman Kerschbaum zählt zu dieser Gruppe, die für den aktuell ebenfalls vertragslosen Coach Standfest eine gute Abwechslung darstellt.

Team von Ex-Profis im Einsatz für Gewerkschaft

Der ehemalige Nationalspieler wurde von younion-Mitarbeiter Thomas Hinum kurzfristig kontaktiert, nachdem Standfest als Trainer schon das sechswöchige Sommercamp geleitet hatte, welches die younion seit Jahren gemeinsam mit dem AMS veranstaltet. Die beiden verbindet eine gemeinsame Vergangenheit bei Amstetten. Hinum wiederum bildet gemeinsam mit Stephan Auer das Team von Thomas Pichlmann, der den younion-Bereich Profifußball leitet. Drei ehemalige Bundesliga-Kicker mit internationaler Erfahrung also, die sich um die arbeitsrechtlichen Belange vieler gestandener und junger Profis kümmern.

Das betrifft alle Bereiche, die für die meisten Arbeitnehmer ganz normal erscheinen, in der nach außen hin heilen Fußballwelt aber oft vernachlässigt werden: Rechtsberatung, Vertretung, Vorsorge, Zusatzversicherung, Berufsausfall, Arbeitslosigkeit und mehr. Über den Versicherungsmakler Marco Puntigam und die Vermögensverwaltung froots erhalten die Kicker Zugang zu maßgeschneiderten Lösungen für ihre eben nicht normale Berufssparte. "Gerade in der 2. Liga offenbart sich die schwierige Situation im Land und auf der ganzen Welt", betont Pichlmann die eklatanten wirtschaftlichen Probleme oder zumindest Herausforderungen in manchen Klubs.

Präzedenzfall Stripfing: Suche nach neuer Wechsellösung

Der Ex-Profi und seine younion-Mannschaft stehen mit der Bundesliga in vielen Themenbereichen im Austausch, so auch im Bestreben, gerade für Vorkommnisse wie bei Stripfing eine neue Übertrittsregelung zu schaffen. "Aktuell dürfen die während der Saison vertragslos gewordenen Spieler erst in der nächsten Transferperiode, also im Winter, zu einem neuen Klub gehen", so Pichlmann. Wünschenswert wäre die Möglichkeit, künftig bei Vereinsauflösungen oder Rückzügen in der Saison sofort wechseln zu dürfen. Diese Notwendigkeit bestätigt Vorsager, der mit seinen Kollegen einen früheren Vertragsaustritt trotz längst vorliegender Gründe gescheut hatte, weil eben die Perspektive eines sofortigen Neuanfangs fehlte.

"Ich denke, dass man da auf einem guten Weg ist", glaubt Pichlmann an eine Lösung des Dilemmas. Für ihn und Standfest sei jedenfalls erfreulich und bewundernswert, mit welcher Disziplin und positiven Einstellung die betroffenen Profis ins Gewerkschaftstraining kommen. "Das Schlimmste wäre, den ganzen Tag zu Hause zu sitzen, zu grübeln und sich Sorgen zu machen", weiß Standfest auch aus eigener Erfahrung. “Man schaut sich viele Spiele an, belegt Kurse, bildet sich fort und pflegt Kontakte. Aber irgendwann muss man wieder raus und auf dem Platz stehen. Insofern weiß ich die Gelegenheit auch sehr zu schätzen, hier die Trainings zu leiten."

1.500 Euro brutto Durchschnittsgehalt in 2. Liga

Das oft transportierte Image des sonnengebräunten Fußballers mit den Millionen auf dem fetten Bankkonto stellt sich hier bei sorgfältiger Betrachtung jedenfalls als nicht massentauglich heraus. Das Durchschnittsgehalt eines Zweitliga-Kickers in Österreich beträgt ohne Prämien 1.500 Euro brutto, erläutert younion-Mann Hinum. Das Risiko einer Verletzung oder eines frühen Endes der Karriere aus anderen Gründen ist dadurch nicht abgedeckt. Und trotzdem haben alle im Camp nur ein Ziel: zurück auf die Profibühne.