Fehlercode: %{errorCode}

Michael Hatz: "Wir waren der klassische Underdog, eine wirklich verrückte Truppe"

kicker

Herr Hatz, als Mitglied des Rapid-Präsidiums und ehemaliger "Hausherr" der NV Arena war das Cupspiel in St. Pölten sicher ein besonderes für Sie. Wie zufrieden waren Sie mit Rapid?

Mit dem Ergebnis war ich zufrieden, mit unserem Spiel weniger. Aber ich versuche, die Situation gesamtheitlich zu sehen, nicht nur die einzelnen Spiele. Und ja, ich war natürlich dabei und hab’ im Spaß auch gesagt, dass das ja mein Stadion ist. Das ist natürlich übertrieben, aber ich habe schon auch viel eingebracht. St. Pölten ist ja als Bereichsleiter Spitzensport im Sportland Niederösterreich mein Arbeitsplatz, mit dem SKN habe ich allerdings weniger zu tun. Ich bin mehr für Einzelsportarten und den Nachwuchs zuständig, nur über die Akademien, die auch in meine Zuständigkeit fallen, auch für den Fußball.

Am Sonntag jährt sich das 4:0 (n.V.) gegen Sporting Lissabon zum 30. Mal. Sie haben ja ein Buch über diese EC-Saison, die im Finale endete, geschrieben. Sind die Erinnerungen noch frisch?

Durch das Buch („Mit Leidenschaft zum Lebenstraum“), das ich vor einigen Jahren geschrieben habe, ist natürlich viel wieder hochgekommen. Es war extrem emotional, das alles noch einmal zu durchleben und hat mich sehr berührt. Weil es mir noch großartiger vorgekommen ist als damals. Als junger Spieler sieht man das ja mit anderen Augen. Aber es ist arg, wie oft wir noch darauf angesprochen werden. Das war ja auch der Grund, warum ich das Buch geschrieben habe.

In besagtem Spiel gegen Lissabon haben Sie aber gefehlt.

Ja, das war das einzige Spiel, das ich auf dem Weg ins Finale nach meiner zweiten Gelben Karte im Hinspiel verpasst habe.

Und das Hinspiel in Lissabon war ja weniger gut.

Mit dem 0:2 waren wir alles in allem gut bedient. Es war ein schwieriges Spiel, in dem nach vorne nicht viel gegangen ist. Wir haben geschaut, dass wir hinten den Laden halbwegs zusammenhalten. Sporting war eine sehr spielfreudige Mannschaft - ich erinnere mich da vor allem an den kleinen quirligen Dribbler Dominguez -, das ist uns nicht so gelegen. Es war ein sehr anstrengender Abend. Trotzdem konnte ich danach nicht schlafen. Aus irgendeinem Grund, den ich nicht mehr weiß, war Peter Schöttel, mein jahrelanger Zimmerpartner, nicht dabei, deshalb habe ich ein Einzelzimmer gehabt. Ich war nach dem Match allein und deprimiert, dass wir so chancenlos waren und was ich auch versucht habe, ich konnte nicht einschlafen. Das ist dann so weit gegangen, dass ich mich in die Badewanne gelegt habe, weil ich mir gedacht hab’, wenn ich schon nicht schlafen kann, kann ich wenigstens regenerieren.

Wie war die Stimmung von dem Rückspiel, haben sich Ernst Dokupil und die Mannschaft trotz der deutlichen Unterlegenheit etwas ausgerechnet?

Wir waren der klassische Underdog und eine wirklich verrückte Truppe, die sich nix gepfiffen hat. Natürlich haben wir gewusst, dass Sporting nur schwer zu biegen sein wird, aber das war eigentlich nie Thema. Wir wollten einfach in jedem Spiel erfolgreich sein. Und so sind wir auch in das Rückspiel gegangen. Ein 0:2 aufzuholen, ist schwierig, aber nicht aussichtslos. Probier’ ma’s!

Die Fans dürften nicht mehr wirklich daran geglaubt haben, das Happel-Stadion war mit nicht einmal 25.000 Zuschauern vielleicht halb voll.

Das Happel-Stadion war bei den Fans nicht immer sonderlich beliebt, aber sicher hat die Ausgangslage auch eine Rolle gespielt. Und die ganze Sache ist ja erst mit diesem Sieg richtig ins Laufen gekommen.

Wo haben Sie das Spiel erlebt?

Fingernägelbeißend auf der Tribüne. Für mich war es schrecklich, das Spiel von da oben verfolgen zu müssen. Didi Kühbauer hat nach 25 Minuten das 1:0 geschossen, aber danach ist wenig gegangen, Sporting ist es gut gelungen, das Spiel unter Kontrolle zu halten. Bis wir es dann zum Schluss mit der Brechstange versucht haben. Trifon Ivanov hat wie so oft - meistens zum Leidwesen von Peter (Schöttel) und mir - seine Position in der Abwehr aufgegeben und ist in den Sturm gegangen. Aus einer Verkettung genialer Aktionen hat Christian Stumpf in letzter Sekunde das 2:0 erzwungen. Wir waren in der Verlängerung und der "Büffel" hat damit seinen Kultstatus begründet.

„Zum Glück waren damals die Handys noch nicht so weit, das hätte einige Sportkarrieren zerstört"“ (Michael Hatz)

Durfte der Aufstieg dann auch ordentlich gefeiert werden?

Wir waren schon in der Stadt unterwegs und - heute kann man’s ja sagen - haben auch gewusst, wie man feiert. Wo wir überall waren, weiß ich nicht mehr, aber es ist sicher das eine oder andere Bier geflossen. Und wahrscheinlich gab’s auch Sprechgesang, nicht alles jugendfrei. Aber zum Glück waren die Handys damals noch nicht so weit wie heute, das hätte einige Sportkarrieren zerstört.

Wenn wir ins Heute zurückspringen. Wie sehr sind Sie als Mitglied des Rapid-Präsidiums ins Tagesgeschäft involviert?

Tagesgeschäft ist übertrieben, das obliegt den Geschäftsführern, aber wir sind im Präsidium für die strategische Ausrichtung darüber zuständig. Als Leiter des Sportausschusses tausche ich mich viel mit Markus Katzer aus, mit dem ich noch zusammengespielt habe und den ich sehr schätze.

Das heißt, Sie sind auch für den Paradigmenwechsel in der Transferpolitik mitverantwortlich?

Den hat schon Markus entwickelt, aber wir haben uns im Präsidium natürlich auch dafür ausgesprochen. Es wird ja derzeit vieles etwas verkürzt dargestellt. Es stimmt, dass wir viele Legionäre haben, das heißt aber nicht, dass uns nicht auch der Nachwuchs viel bedeutet. Ich war ja auch einer, der diesen klassischen Weg gemacht hat. Und dieser Weg ist nicht leichter geworden. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es nicht realistisch ist, dass wir nur mit eigenen Talenten den Ansprüchen Rapids gerecht werden können. Wir waren an einem Punkt angelangt, wo wir uns fragen mussten, wie wir Rapid, das ja ein riesiger Betrieb ist, weiterbetreiben, um erfolgreich zu sein. Da mussten wir an einigen Schrauben drehen. Auch in Zukunft wird es ausländische Leistungsträger brauchen, die ein Gerüst bilden sollen, welches es ermöglicht, eigene Talente wieder besser einzubetten.

Einen Vorboten gibt es mit Nikolaus Wurmbrand ja schon. Ist er ein Ausnahmetalent?

Niki ist ein cleverer Bursche, intelligent, bodenständig, dynamisch, er kann Tore schießen. Er bringt sehr viel mit. Sein großes Asset ist die Schnelligkeit und Wendigkeit. Er ist auch so ein quirliger Anti-Schöttel-Hatz-Typ. Gegen solche Gegner haben wir es gehasst, zu spielen.

Bei Rekordeinkauf Gulliksen fragen sich hingegen schon viele, ob er noch aufgeht. Sie auch?

Ich kann schon erkennen, dass er Klasse und Dynamik hat, aber er ist noch nicht ganz angekommen. Da muss schon noch etwas kommen. Ich habe die Hoffnung, dass er uns bei mehr Spielzeit und Rhythmus noch richtig weiterhelfen kann. Und es gibt auch Gründe, warum er noch nicht bei hundert Prozent ist, er war doch einer der Letzten, die gekommen sind.

Wie sehr waren Sie bei der Trainerbestellung von Peter Stöger, der ja mit Ihnen in der 96er-Mannschaft gespielt hat, eingebunden?

Die Trainerbestellung ist eine der klassischen strategischen Themen, in die ich in meiner Funktion natürlich eingebunden bin. Markus (Katzer) hat das Thema aufbereitet und die Verhandlungen geführt, meine Aufgabe war es, das Präsidium zu überzeugen, dass er der richtige Mann ist. Ich habe an Peter immer seine gute Fachkenntnis geschätzt, auch seine Menschlichkeit. Er hat ein Gespür für viele Dinge und hat überall einen guten Job gemacht. Für mich ist er einer der besten Fachmänner, die wir in Österreich haben.

Worin sehen Sie die Gründe, dass es nach gutem Start so schnell bergab gegangen ist?

Wir haben den guten Start nicht überbewertet, das ist eher medial geschehen. Wir haben trotz der guten Ergebnisse gesehen, dass noch nicht alles rund läuft. Ich habe die Hoffnung gehabt, dass wir stabiler sind als im Vorjahr, aber nach der Derbyniederlage waren wir angekratzt. Die Gefahr eines Rückschlags ist immer da. Auch Sturm verliert zwischendurch einmal Spiele, aber nicht drei, vier hintereinander.

Ist die Trendwende mit dem Sieg in Ried und im Cup geschafft?

Ein Aufwärtstrend ist da, wie gesagt, spielerisch sind wir noch nicht da, wo wir hin wollen. Aber wir haben auf jeden Fall viele Spieler mit Qualität und ein top Trainerteam. Wir haben im Verein vieles weitergebracht, nicht nur sportlich. Und wir arbeiten weiter daran. Wir waren es auch nicht, die große Sprüche geklopft haben. Uns war intern schon klar, dass es nicht so einfach ist, an Sturm und Salzburg vorbeizuziehen - und da gibt es auch noch den WAC und die Austria. Da darf man sich, wenn man vorne dabei sein will, keine Schwächephase erlauben. Deshalb sage ich, man muss das realistisch und gesamtheitlich betrachten - und da ist schon einen gute Entwicklung zu beobachten.

Um den Kreis zum Europacup zu schließen: Haben Sie noch Hoffnung, die Ligaphase in der Conference League zu überstehen?

Wir haben es - siehe eingangs des Gesprächs - immer wieder geschafft, im Europacup über uns hinauszuwachsen. Auch wenn nicht alle Gegner einen großen Namen haben, sind es doch keine leichten Gegner. Aber dass wir zumindest noch ins Play-off kommen, traue ich uns schon zu. Im nächsten Spiel gegen Uni Craiova wird es aber Zeit, dass wir anschreiben, das ist sicher ein Schlüsselspiel.