Auf dem letzten Bundestag im März 2022 wurde Bernd Neuendorf (64) als bis dahin weitgehend unbeschriebenes Blatt erstmals zum DFB-Präsidenten gewählt, mit 193:50 Stimmen deutlich vor seinem damaligen Rivalen Peter Peters. Beim Bundestag 2025 geht Neuendorf an diesem Freitag in Frankfurt ohne Gegenkandidaten ins Rennen. Die Wiederwahl des Amtsinhabers bis 2029 gilt somit als Formsache.
Eine Kampfkandidatur steht ohnehin nur um einen Präsidiumsposten an: Der amtierenden Vizepräsidentin Silke Sinning wurde vom Süddeutschen Verband in Person von Silke Raml (Vizepräsidentin des Bayerischen Verbands) eine Gegenkandidatin quasi vor die Nase gesetzt. Derweil wurde die hessische Verbandschefin Sinning separat von ihrem Landesverband nominiert, der wiederum Teil des Süddeutschen Verbandes ist.
Kultureller Wandel beschleunigt den wirtschaftlichen Aufschwung
Mit derlei Machtspielen muss sich Neuendorf diesmal nicht beschäftigen. Der vormalige Chef des Verbands Mittelrhein hat in seiner ersten Amtszeit allseits anerkannte Erfolge vorzuweisen. Nicht zuletzt in wirtschaftlicher Hinsicht. Für 2024 schrieb der Verband, nach einer zuvor quälend langen verlustreichen Phase, zum zweiten Mal hintereinander schwarze Zahlen.
"Das strukturelle Defizit von 20 Millionen Euro, das wir vorgefunden haben, innerhalb von nur dreieinhalb Jahren in ein Plus umzuwandeln, ist ein großer Erfolg", hält Neuendorf im Gespräch mit dem kicker nochmals fest. "Dazu haben auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beigetragen. Und dieser Turnaround ist wohlgemerkt ohne das Nike-Geld gelungen."
Der lukrative Ausrüstervertrag mit dem US-Sportartikelhersteller läuft von 2027 bis 2034 und brachte 2024 bereits eine Signing fee von 100 Millionen Euro. Ein Deal, der neben weiteren "guten Sponsoren-Verträgen, positiven Medienerlösen und dem neuen Grundlagenvertrag mit der DFL nun die Möglichkeit schafft, in die Zukunft des Fußballs zu investieren", so Neuendorf.
In diesem Kontext betont er zudem: "Ich denke, atmosphärisch, kulturell und personell haben wir beim DFB einen deutlichen Wandel vollzogen. Und auch in der Außendarstellung sieht vieles besser aus als noch vor einigen Jahren. Dabei hängen der kulturelle und der wirtschaftliche Aspekt nach unserer Wahrnehmung eng zusammen: Die positive Entwicklung wäre nicht möglich gewesen, wenn die Lage beim DFB so instabil und konfrontativ gewesen wäre wie noch vor einigen Jahren. Der wirtschaftliche Erfolg des Verbands basiert also auch auf dem gewonnenen und zurückerlangten Vertrauen bei unseren verschiedenen Partnern."
DFB pumpt 100 Millionen als Gesellschafter in die Frauen-Bundesliga
Zu den vorgesehenen Investitionsschwerpunkten gehört unter anderem die Förderung des Frauenfußballs, "und dabei ist die Professionalisierung der Frauen-Bundesliga ein wesentliches Element unserer Gesamtstrategie", erklärt Neuendorf. So plant der DFB ab der Saison 2026/27 für die kommenden acht Jahre mit einer Gesamtinvestition von 100 Millionen Euro in die Entwicklung der höchsten Frauen-Spielklasse. Diese wird ab der kommenden Spielzeit unter dem Dach eines Joint Venture aus dem Ligaverband der 14 Frauen-Bundesligisten und der DFB GmbH und Co. KG stehen. Der Ligaverband soll sich noch 2025 konstituieren, danach wird eine gemeinsame Gesellschaft als Träger der Frauen-Bundesliga gegründet.
Außerdem in Neuendorfs Fokus: "Die Nachwuchs- und Talentförderung sowie der Amateurbereich mit seinen 24.000 Vereinen, ein Riesenschatz, den wir hegen und pflegen wollen." Wobei, streicht der DFB-Boss heraus, "wir die Stärkung dieser Vereine und des Ehrenamts nicht nur über finanzielle Zuwendungen an unsere Landesverbände steuern können, sondern auch über gute politische Beziehungen. Zum Beispiel haben wir mit dafür gesorgt, dass das Sondervermögen des Bundes und der Länder auch für Sportinfrastruktur verwendet werden können. Das war zuvor nicht vorgesehen, doch wir haben dafür erfolgreich gekämpft. Das ist wichtig, da gerade in den Ballungszentren Vereine viele Kinder abweisen müssen, weil nicht genügend Plätze vorhanden sind. Das ist eine Angelegenheit, die wir letztlich nur gemeinsam mit der Politik klären können."
„Wir wollen den Beleg antreten, dass ein großes Frauenturnier keine Subventionen braucht.“ (Bernd Neuendorf)
Zugleich sieht Neuendorf es als elementare Aufgabe des Verbandes, "dass insbesondere auch für Kinder und Jugendliche genügend qualifizierte Trainerinnen und Trainer zur Verfügung stehen. Da müssen wir deutlich mehr machen. Gerade wenn wir 2029 die Frauen-EURO ausrichten sollten und ab der kommenden Saison die Frauen-Bundesliga deutlich nach vorne bringen werden, müssen wir bereit sein, einen möglichen Boom an der Basis, den wir hierüber schließlich auslösen wollen, auch sinnvoll kanalisieren zu können."
Zu den Aussichten, am 3. Dezember vom UEFA-Exekutivkomitee den Zuschlag für die Frauen-EM 2029 zu erhalten, äußert sich Neuendorf selbstbewusst: "Wir haben eine starke Bewerbung eingereicht. Wir haben aber auch sehr ernstzunehmende Konkurrenten, deshalb müssen wir bis zum letzten Tag für unsere Vorzüge werben. Wir wollen eine Frauen-EM in Deutschland auch zu einem wirtschaftlichen Erfolg machen. Wir trauen uns zu, über eine Million Tickets zu verkaufen für dieses Turnier. Wir wollen den Beleg dafür antreten, dass ein großes Frauenfußball-Turnier aus sich selbst heraus Gewinn abwerfen kann, ohne auf Subventionen angewiesen zu sein."
Die Botschaft ist klar: Nur über die entsprechende Wirtschaftlichkeit lässt sich das Standing das Frauenfußballs dauerhaft erhöhen - und unter diesem Aspekt sieht der DFB mögliche Pluspunkte gegenüber den Mitbewerbern Polen, Portugal sowie dem Tandem aus Schweden und Dänemark.
Die mögliche Bewerbung um eine Männer-WM ist "Zukunftsmusik"
Um die vorgegebene Route beim nun beginnenden Investitionsprozess nachhaltig zu überwachen, soll das Präsidium am Freitag um den neuen Posten "Vizepräsident Strategie" erweitert werden: "Diese Position wird auf vier Jahre befristet sein. Sie dokumentiert, wie ernst es uns ist, die vom Präsidium des DFB bereits beschlossene Strategie wirkungsvoll umzusetzen", erklärt Neuendorf. "Die Implementierung der Strategie muss gesteuert und die Einhaltung der vereinbarten Ziele und Grundsätze überwacht werden. In Matthias Schöck (Präsident des Württembergischen Fußballverbands, Anmerkung der Redaktion) haben wir dafür einen hervorragenden Kandidaten."
Ob sich der DFB in absehbarer Zeit auch wieder einmal um die Ausrichtung einer Männer-WM bewirbt? Dazu, sagt Neuendorf, "gibt es derzeit keine konkreten Planungen. Unser Fokus liegt klar auf der Bewerbung um die Austragung der Frauen-EM 2029. Selbstverständlich kann ich mir grundsätzlich vorstellen, dass wir uns perspektivisch mit dem Thema befassen. Aber man muss sehen, unter welchen Rahmenbedingungen ein solches Turnier dann überhaupt stattfinden würde. Ein Turnier mit 48 Mannschaften und 104 Spielen ist schon eine gewaltige Herausforderung. Es gibt nur wenige Länder und Nationen auf der Welt mit einer entsprechenden Infrastruktur, um das als Einzelverband tatsächlich hinzubekommen. Wir haben bei der Männer-EM 2024 gezeigt, dass wir organisatorisch in der Lage sind, Großereignisse perfekt abzuwickeln. Aber das ist wirklich Zukunftsmusik."