Souveräner Tabellenführer mit sechs Punkten Vorsprung, das ist nicht nur der FC Bayern in der Bundesliga, sondern auch der FC Arsenal in der Premier League. Durch das 4:1 im North London Derby gegen die Tottenham Hotspur haben die Gunners in England nun den gleichen Abstand auf die Konkurrenz wie die Bayern in Deutschland.
Das direkte Aufeinandertreffen am Mittwochabend (21 Uhr, LIVE! bei kicker) wird so nicht nur das Treffen zweier der besten Mannschaften in Europa, sondern auch das insgesamt sechste Champions-League-Duell zwischen einem amtierenden Tabellenführer der Bundesliga und einem amtierenden Spitzenreiter der Premier League. Während der FC Arsenal zum ersten Mal in dieser Konstellation das englische Oberhaus vertritt, war die Besetzung von deutscher Seite zumeist gleich - in fünf der bisherigen sechs Spiele hieß das deutsche Team FC Bayern.
1999: Zwei Ecken für ein Trauma
An das erste Spiel in der Königsklasse zwischen dem Primus aus England und dem aus Deutschland dürfte sich beim FCB aber niemand allzu gerne erinnern. Und die Namen Teddy Sheringham und Ole Gunnar Solskjaer ausreichen, um beim Großteil der Anhänger böse Erinnerungen zu wecken. 26. Mai 1999, Finale in Barcelona, 1:0 bis zur 90. Minute, 1:2 in der 93. Minute - eine der bittersten Stunde der Münchner Europapapokal-Geschichte.
Beide Mannschaften waren zum Zeitpunkt des legendären Endspiels technisch gesehen nicht mehr nur Tabellenführer, sondern schon Meister: ManUnited hatte sich den Titel zehn Tage zuvor in einem dramatischen Titelrennen gegen den FC Arsenal gesichert, die Bayern mussten in der Bundesliga zwar nach dem Finale noch die letzte Bundesligapartie gegen den Zweiten aus Leverkusen spielen, standen aber schon längst als Titelträger fest - was nach den zwei Beckham-Ecken nur noch unter die Kategorie "Schwacher Trost" fiel. Wenn überhaupt.
2001: Genugtuung und Kahn-Harakiri
Etwas mehr Genugtuung dürfte die zweite Partie zweier Tabellenführer aus Deutschland und England verschafft haben - knapp zwei Jahre später hieß es nämlich erneut FC Bayern gegen Manchester United, diesmal schon im Viertelfinale. Beim Hinspiel im Old Trafford grüßten beide in der nationalen Liga Anfang April von der Tabellenspitze, Joker Paulo Sergio traf kurz vor Schluss zum 1:0 für die Münchner, die aber dennoch nicht in Jubel-Arien verfielen. Torwart Oliver Kahn erklärte im kicker: "Es wäre Harakiri, vom Gewinn der Champions League auszugehen."
Dass er ebendiesen Champions-League-Titel knapp zwei Monate später legendär sichern sollte, wusste er da noch nicht. Beim Rückspiel zwei Wochen später hatte der FC Bayern in der Bundesliga gerade das direkte Duell gegen Verfolger Schalke und damit auch die Tabellenspitze verloren, ManUnited sich hingegen bereits sechs Spieltage vor Schluss den dritten Meistertitel in Folge gesichert. Alle Vorzeichen halfen den Engländern nichts, Bayern gewann auch das Rückspiel - und fing in der Bundesliga bekanntlich auch noch Schalke ab.
2002: Ausnahmsweise nicht die Bayern
Auch in der Folgesaison hieß es im Viertelfinale der Königsklasse: der Erste aus England gegen den Ersten aus Deutschland. Zum ersten - und bislang einzigen Mal - wurde die Bundesliga damals aber nicht vom FC Bayern vertreten, sondern von Bayer 04 Leverkusen, das im Hinspiel beim FC Liverpool antrat. Ausgerechnet der spätere Leverkusener Sami Hyypiä erzielte den 1:0-Siegtreffer für die Reds, die zu diesem Zeitpunkt einen Meister-Dreikampf in der Premier League anführten.
Für die nationale Meisterschaft reichte es aber für keines der beiden Teams: Liverpool wurde in England bereits zwischen Hin- und Rückspiel entthront und lief letztlich mit sieben Punkten Rückstand auf den FC Arsenal ein, Leverkusen verspielte die sicher geglaubte Meisterschaft noch auf den letzten Metern im Fernduell mit Borussia Dortmund. Immerhin: Das 4:2 im Viertelfinal-Rückspiel gegen Liverpool gilt bis heute als die größte Königsklassen-Sternstunde der Leverkusener - auch wenn es aufgrund eines gewissen Zinedine Zidane auch in der Champions League nicht zum Titel reichte.
2005: Kein Mourinho, kein Problem
Keine nationalen Führungswechsel zwischen Hin- und Rückspiel gab es im Viertelfinale 2005, als der FC Bayern und der FC Chelsea sich gegenüberstanden. Die Bayern führten in der Liga vor dem Hinspiel zwar nur wegen der besseren Tordifferenz vor dem FC Schalke 04, die Blues waren in England schon weit enteilt. Diese Qualität zeigte der Londoner Klub auch in der Königsklasse: Das Hinspiel an der Stamford Bridge ging unter anderem dank eines Lampard-Doppelpacks mit 4:2 an Chelsea, beim 3:2-Sieg im Rückspiel erzielten die Bayern zwar zwei Tore in der Nachspielzeit - aber doch eines zu wenig.
Legendär: Chelsea-Coach José Mourinho war für beide Spiele von der UEFA gesperrt worden, weil er nach dem Achtelfinal-Hinspiel seinen Barca-Kollegen Frank Rijkaard und Schiedsrichter Anders Frisk der Spielmanipulation bezichtigt hatte. Am Tag vor dem Bayern-Spiel coachte er seine Mannschaft trotz Kontaktverbots unerlaubt in der Kabine - und entkam versteckt in einem Wäschekorb. Den Titel in der Champions League verpassten die Blues, Bayern konnte sich immerhin mit der Meisterschaft trösten.
2011: Kompany schlägt die Bayern
Zum bislang letzten Mal in der Königsklasse spielten Bundesliga- und Premier-League-Tabellenführer im Dezember 2011 gegeneinander, damals bereits in der Gruppenphase. Die Bayern hatten da gerade die Tabellenspitze in der Bundesliga von Borussia Dortmund erobert und trafen am letzten Gruppen-Spieltag auf den englischen Primus Manchester City. Mit dem Gruppensieg in der Tasche schonte Bayern-Coach Jupp Heynckes gleich sieben Stammspieler, Linksverteidiger Daniel Pranjic lief in Manchester auf der Zehn auf, das Sturmzentrum besetzte Nils Petersen. City hingegen trat mit der A-Elf an - angeführt von Kapitän Vincent Kompany.
Durch Tore von David Silva und Yaya Touré hieß es am Ende 2:0 für City, das trotz des Sieges ausschied, weil auch Konkurrent Neapel parallel gewann. Im Gegensatz zum FCB, der zum zweiten Mal in Folge dem BVB den Vortritt lassen musste, wurden die Engländer am Saisonende aber in der Liga Meister - Aguerooooooo lässt grüßen. Auch Bayerns Saison endete derweil mit einem dramatischen wie denkwürdigen Spiel. Das nächste Final-Trauma gegen ein englisches Team - das in der Liga nur Sechster geworden war.