Richard Weber tritt aufs Bremspedal, behutsam, aber er tritt. Bei der am Montag stattfindenden Mitgliederversammlung ließ der Sportliche Leiter der SG Wattenscheid 09 keinen Zweifel daran, dass er seinen Klub nicht auf ewige Zeiten in der fünften Liga verortet. Dennoch stellte der 34-Jährige klar, dass 2025/26 schon eine Platzierung in den Top 6 seinen Ansprüchen genügen würde. Die Mitglieder- und Anhängerschaft, aus deren Reihen einige schon die 140 Bundesliga-Spiele erlebt hatten, braucht also Geduld. Oder doch nicht? Die sportliche Ist-Situation in der Oberliga Westfalen bietet mit Platz 1 und sechs Punkten Vorsprung auf Rang 3 - der Zweite steigt auch auf - nämlich glänzende Perspektiven. "Natürlich wollen wir so lange wie möglich auf einem der beiden Aufstiegsplätze bleiben", rief Weber am Montag den 114 stimmberechtigten Mitgliedern zu, wohlwissend, dass mit dem modernisierten Lohrheidestadion die Infrastruktur bereits mehr als nur regionalligatauglich ist.
Egal, ob 2026 oder erst 2027 - die Regionalliga West soll beim nächsten Versuch nicht nur ein kurzzeitiges Ausflugsziel bleiben. 2022/23 ging es nach einem Jahr und nur 27 erspielten Punkten direkt zurück in die Oberliga. Diesmal wolle man sich in Liga vier etablieren. Helfen soll dabei auch ein starker Unterbau. Die Wattenscheider Jugendabteilung firmiert neuerdings unter der Marke "09-Talentzeche" und kooperiert seit Februar mit der Knappenschmiede des FC Schalke 04.
Gewinn, aber noch Schulden
Eng verzahnt mit sportlichem Erfolg ist auch das Thema Finanzen. Zwar plagen den 37. der ewigen Bundesliga-Tabelle noch immer Altschulden in Höhe von exakt 154.948,71 Euro, doch bei der Jahresbilanz hat die SGW den Turnaround geschafft. Nach einem Minus im Vorjahr von 105.000 Euro wurde im Geschäftsjahr 2024/25 ein Gewinn von exakt 96.958,36 Euro erwirtschaftet. Nach Auskunft von Finanzvorstand Georg Sokoll gehe der Trend für die laufende Saison in Richtung "Schwarze Null". Verantwortlich dafür seien vor allem deutliche Einnahmesteigerungen im Bereich Sponsoring. Mit dem Mietkauf - einem Mietvertrag, der zu einem späteren Teil in einen Kaufvertrag mündet - der neuen LED-Bande im Lohrheidestadion habe der Verein eine der größten Investitionen der jüngeren Vereinsgeschichte getätigt und damit "neue Dimensionen" bei der Vermarktung und Präsentation seiner Sponsoren erreicht.
Noch im März geisterten düstere Begriffe wie "Insolvenzverschleppung" durch die Lohrheide, die der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Mano Oliveri eher umgangssprachlich statt formaljuristisch gemeint haben wollte, doch eine gewisse Dramatik ließ sich erahnen. Genauso, als erst vor wenigen Wochen drei Aufsichtsratsmitglieder - unter anderem Oliveri - ihren Rücktritt erklärten und eine "fehlende Finanzberichterstattung" gepaart mit einer dadurch "unmöglichen vertrauensvollen Zusammenarbeit" anprangerten.
Der Aufsichtsrat ist seit Montag wieder komplett, sportlicher und finanzieller Ist-Zustand wirken zumindest weit weniger düster als zu manchen Zeiten einer wechselhaften und leidvollen Vereinsgeschichte. Spannend bleibt, ob nach der Mitgliederversammlung die vereinsinternen Gräben restlos zugeschüttet sind.