Nach den jüngsten Vorkommnissen und Entwicklungen in Hoffenheim und um die TSG herum, braucht es nicht viel Fantasie, um sich die Sorgen und die Zerrissenheit auszumalen, die derzeit Andreas Schicker quälen.
Einerseits beobachtet der Sportgeschäftsführer, wie der von ihm installierte Trainerstab und der von ihm überarbeitete Kader immer besser zu einer schlagkräftigen und geschlossenen Einheit zusammenwachsen. Andererseits muss der 39-Jährige mitansehen, wie gewaltige interne Fliehkräfte das Konstrukt um seinen Einflussbereich herum einreißen und sich der Klub selbst zerlegt. Nach der Abberufung seiner einstigen Vertrauten und Geschäftsführerkollegen Markus Schütz und Frank Briel warf am Donnerstag nun auch der Vereinsvorsitzende und Mitgesellschafter Jörg Albrecht entnervt und gesundheitlich angeschlagen das Handtuch und trat von seinen Ämtern zurück.
Unter normalen Umständen jetzt kaum für Verlockungen empfänglich
Die Bastion des Widerstands gegen den Einfluss des Spielerberaters Roger Wittmann zerbröselte damit rund um Schicker in kurzer Abfolge. Womöglich bröckelt damit auch dessen innerer Widerstand gegen die Verlockungen anderer Klubs, für die der Österreicher unter normalen und geordneten Verhältnissen jetzt kaum empfänglich wäre.
Doch nach RB Salzburg bemüht sich mittlerweile auch der VfL Wolfsburg intensiv um dessen Gunst und Dienste (der kicker berichtete exklusiv). Allerdings dürften sich selbst die Interessenten grübelnd fragen, wen sie denn eigentlich derzeit in Hoffenheim kontaktieren sollen und können. Schließlich steht Schicker bei der TSG noch bis 2029 unter Vertrag und dürfte einen schönen Batzen Ablöse kosten.
Ob und zu welchen Konditionen er gehen dürfte, entscheiden letztlich die Gesellschafter. Einerseits Mäzen Dietmar Hopp und andererseits die Spitze des Vereins, die aufgrund der Stimmrechtemehrheit formal gar das letzte Wort hat und nach Albrechts Rücktritt von dem 29-jährigen Christoph Henssler aus der Ultraszene und dem in großen sportpolitischen Dingen ebenso unerfahrenen Frank Engelhardt (56) gebildet wird. Sie müssten sich also abstimmen mit dem 85-jährigen Hopp, dessen Erreichbar- und Belastbarkeit endlich sind.
Und der sich offensichtlicher denn je von Wittmann beraten und beeinflussen lässt, wie die vom kicker berichtete Episode beweist: Vor zwei Wochen war bei einem Strategiegespräch zwischen Hopp, Albrecht und Schicker unvermittelt und unverblümt auch der Spielervermittler dazugestoßen. Der Albrecht zuvor beleidigt hatte, und gegen den Schicker im Prozess um das Stadionverbot Kronzeuge war. Gegen den die TSG-Fans zuletzt massiv protestierten, ihn als "Enkeltrickbetrüger" verunglimpften, und der deshalb wiederum juristisch gegen die Hoffenheimer Fanszene vorgeht.
Bereits mehrere Gespräche mit dem VfL
Währenddessen lässt Hopp von einer Kanzlei den eigenen Laden durchforsten auf der Suche nach etwaigen finanziellen oder formellen Auffälligkeiten. Angesichts dieser chaotischen Umstände, der Querelen und Gräben im Klub, des offenkundig weitreichenden Einflusses seines Gegenspielers Wittmann und der ungewissen Personallage an der Spitze des Vereins wie in der Geschäftsführung dürfte Schicker der verheißungsvollen sportlichen Entwicklung zum Trotz einer neuen Aufgabe in geordneten Verhältnissen nicht abgeneigt sein.
Wie es scheint, ist mittlerweile nicht mehr Salzburg, sondern vielmehr Wolfsburg der heißeste Kandidat. Nach kicker-Informationen hat es bereits mehrere Gespräche mit dem VfL gegeben, auch mit Hopp soll sich Schicker in der Zwischenzeit ein weiteres Mal getroffen und besprochen haben. Egal wie die Entscheidung ausfällt - ob Schicker bleibt oder nur ein gutes Jahr nach seiner Inthronisierung schon wieder geht -, sollte sie zügig fallen, soll die Mannschaft in der Vorbereitung auf das nächste Spiel nicht abgelenkt und beeinträchtigt werden. Denn das steigt bereits am kommenden Freitag, wenn die TSG in Mainz den 11. Spieltag eröffnet.