Eine Kolumne von Konstantin Madert
Die dritte Liga im deutschen Handball hat sich krass verändert. Sie ist nicht mehr das, was sie vor zehn oder fünfzehn Jahren einmal war - sie ist brutal stark geworden. Auf vier Staffeln verteilt, am Ende der Saison wartet die erhoffte und zugleich gefürchtete Aufstiegsrunde. Was in Liga drei Woche für Woche passiert, ist handballerisch weit näher an der alten Zweiten Liga als am klassischen Amateurbereich.
Nord-Ost, Nord-West, Süd, Süd-West - egal wo man hinschaut: Hildesheim, Emsdetten, Pforzheim, Konstanz, … Die Zahl der Teams, die professionell arbeiten, ist rasant gewachsen. Manche Vereine betreiben ein Vollzeit-Setup, inklusive Athletiktraining, Videoanalyse und Organisation wie aus der 2. Liga.
Andere haben LED-Banden, große Hallen und Zuschauerzahlen, bei denen manche Zweitligisten neidisch würden. Emsdetten ist das beste Beispiel: maximal professionell geführt, ambitioniert, strukturell längst zweitligareif - und dreimal äußerst knapp am Aufstieg vorbeigeschrammt.
Es ist eine Liga, die sportlich Spaß macht - hohes Tempo, klare Konzepte, viele Derbys, kurze Wege, volle Hallen. Und sie zieht Trainer an, die früher niemals in der dritten Liga unterschrieben hätten. Bestes Beispiel: Ein Coach wie Jamal Naji geht nicht dorthin, wenn die Qualität nicht stimmt. Das Niveau steigt, weil die Liga es inzwischen hergibt.
Ein Vorteil - vor allem für Zuschauer, Spieler und Trainer
Die Attraktivität ist hoch: Zuschauer bekommen Zweitliga-Tempo zum Drittligapreis. Spieler finden eine Plattform, die ihnen professionelles Arbeiten ermöglicht, ohne den heftigen Druck der Topligen. Trainer bekommen ein Umfeld, in dem man moderne Konzepte spielen kann, weil die Qualität der Kader es erlaubt.
Die dritte Liga fühlt sich immer noch lokal an, aber sie ist inhaltlich längst darüber hinaus. Derby-Atmosphäre, aber mit professionellen Ansprüchen. Spieler verdienen in dieser Liga inzwischen alles: von Null Euro plus Spritgeld bis zu guten vierstelligen Monatsgehältern.
In der enormen Qualität dieser Liga liegt aber auch das Problem: Die Leistungsdichte ist absurd. Was die Liga attraktiv macht, macht sie gleichzeitig fast unbezwingbar. Für den Aufstieg gibt es zwei Plätze - aber mindestens ein Dutzend Klubs, die eigentlich nicht mehr Drittliganiveau haben, sondern deutlich mehr.
Vinnhorst, Emsdetten, Hamm, Saarlouis, und, und, und - alles Vereine, die für höhere Aufgaben gebaut wurden. Aber nur zwei dürfen hoch. Das System ist brutal. Und es soll brutal sein: Der Aufstieg in die Zweite Liga muss hart sein, sonst wird der Abstand zwischen zweiter und erster Liga noch extremer. Das ist im Grundsatz logisch - aber für ambitionierte Drittligisten auch ein Albtraum.
Was es braucht, um trotzdem durchzukommen
Ein guter Kader allein reicht für den Aufstieg nicht mehr. In einer Liga wie dieser steigt niemand mit Euphorie und Durchmarsch auf. Man braucht:
Resilienz einen Kader, der Rückschläge nicht nur kennt, sondern aushält Mannschaften, die eine Niederlage oder Verletzungen nicht aus der Bahn wirft Qualität über die volle Saison und - fast noch wichtiger - in der Aufstiegsrunde
Oder man wird eben von Bob Hanning trainiert.
Und dann sind da noch die zweiten Mannschaften
In diesem Jahr ist das Feld so dicht wie noch nie. Zu den üblichen Verdächtigen und zahlreichen Überraschungsteams kommen noch die zweiten Mannschaften der Bundesligisten, die oft wie kleine NLZ-Teams mit hochtalentierten, top ausgebildeten Jungs auftreten. Wettbewerbsverzerrung? Vielleicht. Aber gleichzeitig auch ein guter Maßstab für alle anderen, sich zu messen und upzudaten.
Die dritte Liga ist aktuell vielleicht die stärkste dritte Liga der Welt. Für den neutralen Fan ist das großartig. Für die Trainer und Spieler eine Herausforderung, die ihnen alles abverlangt. Und für jeden Verein, der eigentlich zu groß für diese Liga ist, ist es ein ständiger Kampf gegen die Realität, dass am Ende wieder nur zwei nach oben dürfen.
Wer hoch will, muss mehr können als gut Handball spielen. Er muss durchhalten, muss Nehmerqualitäten beweisen. Und das ist in der dritten Liga 2025/26 schwerer als je zuvor.
Konstantin "Kosta" Madert hat sieben Saisons in der dritten Liga auf dem Buckel. Er weiß, wie die Liga funktioniert, hat sie mit allen Höhen und Tiefen kennengelernt. Aktuell spielt er seine dritte Saison mit dem Wilhelmshavener HV. Der größte Erfolg des langjährigen Zweitligaspielers war der Bundesligaaufstieg mit Minden 2012. Außerhalb des Spielfelds arbeitet er als Content Creator in der Golfbranche.