Emma Aicher könnte "in ein paar Jahren eine Kandidatin für den Gesamtweltcup" sein, meint Felix Neureuther. "Sie hat einfach ein Gefühl, das du nicht lernen kannst", sagt der ARD-Wintersport-Experte. Und auch Cheftrainer Andi Puelacher weiß: "Wenn alles nach Plan läuft, kann die Emma in geraumer Zeit durchaus so weit sein, um den Gesamtweltcup mitzufahren."
Rosi Mittermaier, Katja Seizinger oder Maria Höfl-Riesch - alle haben sie die große Kristallkugel gewonnen. Und nun gilt Aicher, erst 21 Jahre alt, als potenzielle Nachfolgerin der drei Größen des deutschen Skirennsports.
Lästig wie ein Tinnitus
Dass noch viel Konjunktiv in den Aussagen steckt, kommt Wolfgang Maier gerade recht. Dem DSV-Sportvorstand ist das "Gelabere" über Aicher und den Gesamtweltcup lästig wie ein Tinnitus. Dass sie als Allrounderin, die alle vier Disziplinen fährt, "die Voraussetzungen" mitbringe, weiß natürlich auch Maier. "Aber sie hat noch viele Baustellen."
Ebenso sieht Neureuther das: "Man muss ihr Zeit geben", mahnt er, aber was Aicher jetzt schon leiste, sei "erstaunlich". Um nach der großen Kugel greifen zu können, müsse Aicher es nun schaffen, "im Slalom konstanter zu werden und im Riesenslalom den nächsten Schritt zu machen".
Was keiner abstreitet: Aicher geht als große Hoffnung des DSV in den Olympia-Winter, der am Samstag mit dem Riesenslalom der Frauen auf dem Rettenbachgletscher hoch über Sölden beginnt. Die einzigen beiden Weltcupsiege im vergangenen Winter waren ihre, je einer in der Abfahrt und im Super-G. Eine olympische Silber- und eine bronzene WM-Medaille, die sie mit der Mannschaft gewann, stehen auch auf ihrer Titel-Liste.
Aicher, geboren und aufgewachsen in Schweden, ist keine Frau der großen Worte. Bei der Saison-Präsentation ihres Ausrüsters in Sölden war nach einer Frage Schluss, beim folgenden Get-together des DSV nach immerhin zwei. "Ich bin halt so, ich rede nicht viel", sagt Aicher. "Ich bin ziemlich gut darin, ruhig zu bleiben und zu versuchen, meine Arbeit zu erledigen." Dass sich Menschen an dieser Verschlossenheit stören, stört wiederum sie nicht - wie sie vieles ohnehin nicht stört.
Eigenverantwortung als Schlüssel im Trainer-Athleten-Verhältnis
In Thalgau bei Salzburg wohnt Aicher alleine, sprich: Sie ist Selbstversorgerin. Was gut zur Auffassung von Maier passt: Sportlerinnen und Sportler müssten mehr Eigenverantwortung für sich und ihr Handeln übernehmen, es reiche nicht mehr, einfach nur zu tun, was die Trainer vorgeben. Dass die Trainer auf die Bedürfnisse der Aktiven eingehen, wünscht er sich im Umkehrschluss. Aicher sei "ein cleveres Mädel", betont Maier. "Die weiß schon, was sie tut."
Dennoch brauche sie "Eckpfeiler. So ist es nicht. Weil sonst ist die Emma unterwegs. Dann gibt es Party und was weiß ich was." Was auch nicht dramatisch sei, "zum harten Arbeiten gehört auch Feiern dazu, aber man muss es richtig einordnen".
Das bedeutet für die Trainer: Aicher soll nicht in ein Schema gepresst werden, "ihre Schlampigkeit und ihr Laissez-faire musst du aushalten in dem Sport. Sie soll nur verstehen, wann kann ich über die Stränge schlagen und wann nicht."
Das Wichtigste ist immer noch Spaß
Eines dürfe Aicher nämlich auf gar keinen Fall verlieren, sagt Maier: Den ungebremsten Spaß am Skifahren, ihre Lust, alle vier Disziplinen zu fahren. Womit man doch wieder beim Gesamtweltcup ist. Ist der auch für sie nicht mal ein Ziel? Aichers Antwort: "Jo."