Herzlichen Glückwunsch! Du hast die Ausbildung bestanden und darfst jetzt deine ersten Spiele pfeifen. Damit du gut in eine hoffentlich lange Schiedsrichter-Laufbahn startest, möchte ich dir folgende Tipps mitgeben. Ich wünsche dir tolle Erlebnisse an der Pfeife und viel Erfolg!
1. Hab Spaß (und versuche, nicht zu verkrampfen)!
Es gibt die verschiedensten Gründe, warum ein Schiedsrichter sich für dieses Ehrenamt entscheidet: Aus Liebe zum Handball, weil uns Verantwortung und Gerechtigkeit wichtig sind oder um das Taschengeld aufzubessern. Ich weiß nicht, warum genau du dich für die Schiedsrichter-Ausbildung entschieden hast, aber das ist auch nicht wichtig, denn egal, was der Grund war: Es sollte dir Spaß machen!
Ob du einen Witz mit deinem Teampartner machst oder in der Halbzeit mit dem Kampfgericht flachst: Nimm dir bei aller Ernsthaftigkeit ob der Aufgabe die Zeit, um Spaß zu haben! Das steckt an und sorgt oft (auch unbewusst) für eine viel entspanntere Atmosphäre. Mein Bruder und ich hatten am Spieltag mal die Hosen vergessen - wir haben darüber gelacht statt uns gegenseitig anzupflaumen. Dank Leihhosen konnten wir so trotzdem mit guter Laune in das Spiel gehen.
2. Bitte aktiv und gezielt um Feedback!
Ob die Trainer oder den Schiedsrichter des folgenden Spiels, der deine Schlussphase gesehen hat: Frage aktiv nach Feedback - und zwar positiv wie negativ. Du könntest zum Beispiel gezielt nach einer Sache fragen, die du gut gemacht hast - und eine Sache, die nicht so gut war und worauf du deshalb im nächsten Spiel aus seiner oder ihrer Perspektive achten solltest. Mit dieser Formulierung gewinnst du oft wertvolle Eindrücke.
3. Fokus statt Fehler
Ich weiß selbst noch von früher, dass man gerade am Anfang als Schiedsrichter möglichst nichts falsch machen will. Das wird nicht gelingen, aber das ist auch nicht schlimm. Fehler sind nicht schlimm. Um Fehler im Spiel selbst möglichst schnell aus dem Kopf zu bekommen, nimm dir ganz bewusst vor dem Spiel eine Sache vor, auf die du in diesem Spiel achten willst. Fokussiere dich darauf, wenn du merkst, dass du an einem Fehler knabberst.
Ein konkreter Vorsatz könnte beispielsweise sein: Ich möchte laut pfeifen. Oder: Ich will heute das Handzeichen für den Freiwurf korrekt zeigen (und nicht ständig vor dem Körper). Und wenn du merkst, dass du im Spiel über einen Fehler grübelst, ruf dir deinen Vorsatz in den Kopf und fokussiere dich darauf.
4. Schreib dir einen Spickzettel (den du wahrscheinlich eh nicht brauchst)
Am Anfang wirst du als Schiedsrichter immer wieder neue Situationen erleben; Situationen, die du nicht kennst. Wenn dir genau das Sorgen bereitet, schreib dir einen Spickzettel. Denke ganz in Ruhe darüber nach, wovor du konkret Sorgen oder Angst hast - und dann überlege dir, wie du in dieser Situation reagieren möchtest, wenn sie eintritt.
Eine häufige Befürchtung von jungen Schiedsrichtern ist, dass ein Elternteil bei einem von ihnen geleiteten Spiel ausrastet auf der Tribüne. Was möchtest du dir vornehmen, um mit dieser Situation umgehen zu können? Schreib zum Beispiel auf: Ich gehe zum Mannschaftsverantwortlichen des Heimvereins und bitte ihn, auf die Zuschauer einzuwirken.
Aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen: Die meisten Situationen, vor denen du dich sorgst, werden nie passieren, aber selbst wenn: Jetzt bist du vorbereitet!
5. Sprich über deine Erfahrungen
Manchmal hast du vielleicht das Gefühl, dass du der einzige bist, der eine bestimmte Erfahrung gemacht hat, aber ich kann dir sagen: Du bist nicht alleine. Sprich daher über deine Erfahrungen - mit deiner Familie, mit Freunden, mit anderen Schiedsrichtern, mit Mannschaftskollegen, mit Trainern aus deinem Verein. Das hilft ungemein - und nebenbei lernst du, dich und deine Leistung zu reflektieren.
6. Bleib bei dir!
Gerade in den ersten Spielen ist alles neu und aufregend - und unfassbar viel. Du musst dich in deine Rolle als Schiedsrichter erst einmal einfinden. Daher bleib ganz bei dir und lasse dich nicht auf Nebenkriegsschauplätze ein. Sei vorsichtig, was du bei Social Media postest (und mache am Anfang lieber einen Post weniger als mehr), kommentiere nicht während des Spiels, was Spieler oder Trainer machen und erzähle deinem Kollegen nicht ungefragt beim Siebenmeter oder der Auszeit, was er gerade falsch gemacht hat. Dein Teampartner wird nie absichtlich einen falschen Pfiff machen. Bleib bei dir und konzentriere dich auf deine Aufgaben!
7. Lerne durch Zuschauen!
Für junge Spieler ist es ganz normal, dass sie sich von ihren Vorbildern Tricks abschauen - das Abrollen von Emil Jakobsen zum Beispiel. Das kannst du als Schiedsrichter natürlich auch machen (das Abschauen, nicht das Abrollen). Guck dir Bundesliga-Spiele an und überlege, was dir am Auftreten der Schiedsrichter gefällt und was nicht. Oder achte, falls du selbst noch spielst, bei deinem nächsten Spiel darauf, was die Schiedsrichter gut machen und was nicht. So bekommst du Anregungen für dein eigenes Pfeifen.
8. Tausche Pfeifen gegen Feedback
Übung macht den Meister: Das trifft auch auf Schiedsrichter zu. Durch jede Minute, die du pfeifst, wirst du besser. Es müssen auch gar nicht alles "echte" Spiele sein, denn warum sollte ein Schiedsrichter nicht auch trainieren? Sprich den Trainer der E-, D- oder C-Jugend in deinem Verein an, ob du das Spiel am Ende seines Trainings pfeifen darfst - und ob sie dir danach Feedback geben können, ob zum Beispiel deine Handzeichen korrekt waren (oder woran auch immer du gerade arbeiten möchtest). Viele Trainer werden dankbar sein, wenn sie nicht pfeifen "müssen" - und du kannst ohne den Druck des Wettkampfes an deinen Schiedsrichter-Skills arbeiten. Win-Win-Situation!
9. Lauf dich warm!
Kurz und knapp: Lauf dich als Schiedsrichter vor jedem Spiel warm - auch, wenn du 'nur' E-Jugend pfeifst. Zum einen ist das körperlich einfach sinnvoll vor dem Sport, zum anderen fängst du an, eine Routine für deinen Spieltag aufzubauen - das wird dir später Sicherheit geben.
10. Vertrau dir und pfeif, was du siehst!
In seinen ersten Spielen war wahrscheinlich jeder Schiedsrichter nervös und unsicher. Das ist ganz normal. Umso wichtiger ist dieser letzte Tipp: Vertrau dir - auch, wenn es sich komisch anfühlt. Du hast die Schiedsrichter-Ausbildung gemacht; das haben viele andere Leute in der Halle nicht. Pfeif, was du siehst. Nach dem Spiel kannst du überlegen, ob das richtig oder falsch war, aber auf dem Spiel ziehst du durch. Du kannst das!