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Die "Schiedsrichter-Biografie" von Paul Kijowsky und Lukas Strüder

kicker

Wir kennen uns, seit wir denken können; schon in der Krabbelgruppe, im Kindergarten und in der Grundschule waren wir gemeinsam unterwegs. Bei der TG Kastel begannen wir gemeinsam mit dem Handball - und spielten bis zur C-Jugend Seite an Seite. Dann trennten sich unsere Wege erstmals, als Paul zur SG Wallau/Massenheim wechselte.

2012 fanden wir dann als Schiedsrichter zueinander. Lukas hatte seinen Schiedsrichterschein bereits zwei Jahre zuvor gemacht. In seinem Verein war damals, wie es so oft läuft, einfach gefragt worden, wer Lust hätte. Paul landete 2012 hingegen eher unfreiwillig im Ausbildungslehrgang.

Als A-Jugendlicher trainierte und spielte er bei den Herren der SG Wallau/Massenheim (später SG Wallau) mit. Eigentlich hätte die Mannschaft damals in die 3. Liga aufsteigen sollen, doch weil das Schiedsrichtersoll nicht erfüllt wurde, gab es einen Punkt Abzug - so schreibt es der Hessische Handball-Verband bis heute vor.

Dieser Punkt kostete den Aufstieg. Statt Wallau durfte die punktgleiche HSG Rodgau Nieder-Roden jubeln, weil sie den direkten Vergleich gewonnen hatte. In Wallau zog man die Konsequenzen: Die fünf jüngsten Spieler der Herren mussten in die Schiedsrichter-Ausbildung. Einer davon war Paul.

Allein zu pfeifen machte uns beiden allerdings wenig Spaß - also schlossen wir uns 2012 als Gespann zusammen. An eines unser ersten gemeinsamen Spiele erinnern wir uns heute noch gut. Es war ein A-Jugend-Spiel in derselben Liga, in der Paul noch spielte. Der Verein war irritiert, telefonierte herum, wie das sein könne. Wir pfiffen trotzdem und haben uns nicht so verkehrt angestellt, wie uns die Mannschaften anschließend selbst attestierten.

In den ersten Jahren stand das Pfeifen für uns dennoch nicht im Vordergrund. Wir wollten vor allem selbst spielen. 2013/14 liefen wir noch einmal gemeinsam für die Sportfreunde Budenheim in der 4. Liga auf. Danach trennten sich unsere Wege als Spieler wieder. Beim Pfeifen blieben wir uns treu und wurden 2018 schließlich zum IBOT, dem Sichtungsturnier in Biberach, eingeladen.

Mit damals 24 Jahren galten wir schon als erfahren und wurden direkt für den "Perspektivkader plus 3. Liga" nominiert. Nach nur einem Jahr folgte zur Saison 2019/20 der Sprung in die 3. Liga. Neben der Erfahrung spielte auch unsere körperliche Präsenz eine Rolle: Mit 1,94 Metern (Paul) und 2,03 Metern (Lukas) gehören wir zu den eher größeren Schiedsrichtern. In der 2. HBL fallen wir damit heute kaum auf und erhalten an Spieltagen immer mal wieder die scherzhafte Anfrage von verletzungsgeplagten Mannschaften, ob wir nicht anstatt zu pfeifen lieber im Innenblock mitspielen können.

Doch der Reihe nach. Unsere Größe machte bei den Jugendspielen Eindruck und daher ging es für uns nach nur einem Jahr direkt in die 3. Liga, um sich bei den Erwachsenen zu beweisen. Was wie ein schneller Aufstieg aussah, war im Nachhinein jedoch ein schwierigerer Weg als erhofft. Durch den Sprung in den Drittligakader blieb uns die "Expressschiene" in die Bundesliga - also der direkte Weg aus dem Perspektiv- in den Nachwuchskader - verwehrt. Auch wenn das im Nachhinein etwas ärgerlich war, hat es uns offenbar nicht geschadet.

Die ersten beiden Jahre in der 3. Liga standen im Zeichen der Corona-Pandemie. Der Spielbetrieb wurde unterbrochen, verschoben, wieder aufgenommen - und im Frühjahr 2021 plötzlich neu gestartet. Ohne echte Vorbereitung pfiffen ging es plötzlich direkt weiter mit der Aufstiegsrunde. Unser erstes Spiel nach vier Monaten Pause war die Partie HSG Hanau gegen HC Oppenweiler/Backnang. Ein Kaltstart - und sicher nicht unser bestes Spiel.

Offiziell war das erst unsere zweite Saison in der 3. Liga - und die erste von vier im Aufstiegskader. Unser Ziel war klar: den Traum von der Bundesliga wahr machen. Wenn der Nachwuchskader die "Expressschiene" ist, dann ist die 3. Liga das Nadelöhr. In der Regel steigt nur ein Gespann pro Saison auf - und es muss wirklich alles passen. Als Schiedsrichter misst du dich nicht direkt mit deinen Kollegen. Es ist eher wie im Golf: Du trittst zwar gegen alle anderen an, gehst aber allein auf die Runde. Wenn ein anderes Duo noch ein Stück besser ist, verpasst du den Aufstieg - selbst nach einer guten Saison.

Und doch hat die 3. Liga ihren Reiz. Sie ist unberechenbar, chaotisch, lebendig. Studententeams treffen auf Profimannschaften, gespielt wird in alten Schulturnhallen und modernen Arenen. Ex-Profis stehen A-Jugendlichen gegenüber. Mal sind es hundert Zuschauer, mal zweitausend. Diese Liga ist alles - nur nicht langweilig.

Nachdem wir dreimal knapp gescheitert waren, fragten wir uns: Wie lange wollen wir das noch versuchen? Die Anforderungen im Aufstiegskader sind hoch, du musst beweisen, dass du es wirklich willst - das kostet Zeit, Energie und Nerven. Also erklärten wir die Saison 2023/24 zu unserer "Alles-oder-Nichts-Saison". Entweder gelingt der Sprung, sagten wir uns, oder wir fahren den Aufwand erheblich zurück.

Am Ende wurde es tatsächlich eine Alles-Saison - auch dank eines besonderen Spiels in der Schlussphase. Wir wurden zum absoluten Topspiel der Staffel Nordwest angesetzt: TV Emsdetten gegen Eintracht Hildesheim, Erster gegen Zweiter, es ging um die Meisterschaft. Schon die Ansetzung war eine Auszeichnung - solche Spiele bekommt man nur, wenn man sich über Wochen konstant empfiehlt. 2.200 Zuschauer bedeuteten zum damaligen Zeitpunkt zudem einen neuen Rekord für uns.

Als wir ankamen, waren die Mannschaften aber zunächst skeptisch. Man fragte uns, warum kein Bundesligagespann angesetzt sei. Das hat uns noch mehr motiviert und nach dem Spiel bekamen wir auch sehr gutes Feedback. Uns war klar: Wir wollen weiter alles geben, um aufzusteigen, um solche Spiele jede Woche erleben zu dürfen.

Inzwischen ist dieser Traum wahr geworden. Am Saisonende kam der Anruf: Wir haben es geschafft. Die Freude war riesig. Heute pfeifen wir unsere zweite Saison im Bundesligakader - und sind immer noch begeistert. Sowohl die 2. Bundesliga der Männer als auch die 1. Bundesliga der Frauen machen großen Spaß. Wir durften viele Highlights erleben: das ausverkaufte Ostderby zwischen Elbflorenz und Dessau etwa, oder das Eurosport-Spiel der Frauen zwischen Göppingen und Dortmund, bei dem in der Halbzeit der DHB-Pokal ausgelost wurde.

Wie es weitergeht, wird sich zeigen. Ein Spiel in der 1. Bundesliga der Männer wäre natürlich ein echtes Highlight. Vom Alter her ist das noch nicht ausgeschlossen - aber dafür müssen wir weiter Leistung bringen. Aber das müssen wir ohnehin jede Woche. Jeder im Bundesligakader muss konstant abliefern, sonst steigt man am Ende wieder ab.

Auch wenn wir die Schiedsrichterlaufbahn anfangs nicht geplant hatten, sind wir heute glücklich über den Weg, den wir gegangen sind. Wir investieren viel, aber es lohnt sich. Wir haben das große Glück, dass unsere Frauen voll hinter uns stehen und Verständnis für die Belastung haben. Ohne sie wäre dieses Pensum aus Beruf und Handball gar nicht zu stemmen. Als Paul in diesem Jahr geheiratet hat, war sein Trauzeuge übrigens - natürlich - Lukas. Schließlich kennen wir uns, seit wir denken können.