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Drittliga-Schiedsrichter Björn Schmidt im Interview

kicker

Nach dem jüngsten Schiedsrichter (hier geht es zum Beitrag) kommt auch der älteste Unparteiische des Deutschen Handballbundes am "Tag des Schiedsrichters" zu Ort: Drittliga-Referee Björn Schmidt (47), der 2010 in der Premierensaison der Spielklasse sein Debüt in der 3. Liga feierte, spricht im Interview über die Entwicklung seitdem, die Highlights aus 15 Jahren im DHB und die Motivation, immer weiterzumachen…

Björn, wenn jemand weiß, wie es in der 3. Liga zugeht, bist du das, denn du pfeifst seit 2010 in der 3. Liga. Was ist deiner Meinung nach die größte Veränderung in all den Jahren?

Ich erinnere mich noch, dass es am Anfang erst einmal darum, die Schiedsrichter aus den ganzen alten Regionalverbände zusammenzuführen und eine einheitliche Linie in den neuen Kader zu bekommen. Das war eine Mammutaufgabe, die unter Wolfgang Jamelle aber wunderbar geklappt hat.

Ansonsten sind die Spiele durch die ganzen Regelanpassungen auch in der 3. Liga immer schneller geworden. Die Mannschaften trainieren mehr, alles ist professioneller und es ist auch keine Seltenheit, das wir in der 3. Liga inzwischen vierstellige Zuschauerzahlen haben. Die Entwicklung ist sehr positiv.

Was gab es regeltechnisch in deinem ersten Drittligajahr 2010 noch, was es heute nicht mehr gibt? Oder, andersherum: Was gibt es heute, was es damals noch nicht gab?

Das weiß ich alles gar nicht mehr so genau (lacht). Das Spiel ist vor allem schneller geworden, weil die Schnelle Mitte immer wieder angepasst wurde, ebenso wie das passive Spiel. Die blaue Karte ist eingeführt worden, vorher hatten wir noch den berühmten Ausschluss (schmunzelt). Auch taktisch hat sich natürlich viel getan, der siebte Feldspieler war eine große Änderung und auch der vierte Rückraumspieler, das berühmte Eisenach-Spiel, kommt bei uns langsam an.

Was hat sich unabhängig von Regelwerk oder Taktik an den Anforderungen für die Schiedsrichter geändert?

Wir müssen sicherlich mehr tun, sowohl im sportlichen Bereich als auch im Videostudium. Durch Sportlounge haben wir inzwischen auch die Möglichkeit dazu - und die Videoaufnahmen haben auch eine gewisse Qualität. Am Anfang standen die Kameras mitunter auf der Stirnseite, sodass du mit Glück eine Hälfte erkennen konntest. Bei den Angriffen auf der anderen Seite konntest du die Aufnahme vorspulen, weil du ohnehin nichts erkennen konntest (lacht). Und ich möchte auch erwähnen, dass der Schiedsrichterausschuss der 3. Liga hervorragende Arbeit leistet und uns immer wieder perfekt auf die neuen Aufgaben vorbereitet.

Du hast deine Schiedsrichter-Ausbildung 1994 absolviert. Warum hast du damals angefangen, zu pfeifen?

Ich habe damals selbst gespielt und in der B-Jugend wurde man bei uns zum Schiedsrichterschein geschickt. Ich bin dabei geblieben, weil ich in der Halle immer wieder gesehen habe, wie oft ein Schiedsrichter fehlt. Und ich habe auch schnell festgestellt, dass ich so mein Taschengeld gut aufbessern konnte. Es gab damals zehn Mark für ein Spiel in der Kreisklasse und ich glaube, 13,50 Mark in der Kreisliga.

Was hat dazu geführt, dass du dabei geblieben bist?

Ein guter Freund und ich hatten einfach Lust zu pfeifen. Wir haben auch Abschlussspiele im Training gepfiffen, irgendwann haben dann auch die Herren angefragt, ob wir bei ihnen im Training pfeifen können. Und als wir einmal gefragt wurden, ob wir bei einer Schulmeisterschaft pfeifen, durften wir dafür nach Kiel fahren, während unsere Klassenkameraden normal Schule hatten (schmunzelt).

Irgendwann sind wir dann zufällig von einem Beobachter gesehen worden, der uns sagte: Jungs, die suchen gerade noch händeringend Schiedsrichter für die A-Jugend-Regionalliga im NOHV, dem damaligen Nordostdeutschen Handball-Verband. Wir hatten ihn dann offiziell bei zwei Spielen als Beobachter und dann ging es hoch.

Im NOHV hat es immer Spaß gemacht, erst in der Jugend-Regionalliga und dann sind aufgestiegen in den A-Kader. Und als die Regionalliga bei den Männern aufgelöst und die 3. Liga gegründet wurde, waren wir eben auf einmal in der 3. Liga. 2012 hatte ich dann noch einen Partnerwechsel und jetzt pfeifen Jan und ich seit 2014 zusammen in der 3. Liga.

Was waren die Highlights in dieser Zeit?

Als der HSV nach der Insolvenz in der 3. Liga wieder auf dem Weg nach oben war, haben in der ausverkauften Sporthalle Hamburg das Spiel gegen Henstedt-Ulzburg gepfiffen. 2018 durften wir das Finale im Amateurpokal in der großen Arena pfeifen. Natürlich gehören auch alle Spiele dazu, die wir 2018/19 in der 2. Bundesliga pfeifen durften.

Und vor zwei oder drei Jahren hatten wir ein sehr interessantes Aufstiegsspiel bei den Frauen, Rostock gegen Schwerin, in der guten alten Sporthalle Marienehe. Die Halle voll, es war temporeiches Spiel, das hat richtig Spaß gemacht. Auch Spiele mit vierstelligen Zuschauerzahlen sind immer ein Highlight, wenn die Halle voll und lauter ist. 500 Zuschauer in einer Halle, wo keiner mehr reinpasst, macht auch richtig Spaß!

Ergo: Sobald die Halle laut ist, seid ihr happy?

Genau, Hauptsache laut! Das hat uns immer motiviert; selbst, wenn es vielleicht mal gegen uns ging. Richtig Ärger hatten wir mit Zuschauern aber noch nie. Die Spiele während Corona ohne Zuschauer waren sehr ungewohnt, auf einmal hat man alles gehört. Ein Trainer hat mich in einem Spiel richtig laut angeschrieen und ich war so perplex davon, dass ich zurückgeschrieen habe. Alle haben uns völlig irritiert angeguckt. Keine 30 Sekunden später war Halbzeit, der Trainer und ich haben uns nur angesehen und gesagt: Oh, ohne Zuschauer hören wir uns auf einmal (schmunzelt). Wir haben dann beide gelacht und es war alles klar.

Wenn man so lange in einer Liga pfeift, kennt man sich untereinander; man kennt die Trainer und viele Spieler. Habt ihr es einfacher als junge Kollegen, weil ihr so etabliert seid?

Ein Stückweit sicherlich. Es wird uns mal ein Fehler mehr zugestanden, wenn es sich die Waage hält. Das heißt aber nicht, dass wir alles entspannt herunter pfeifen könnten. Wir müssen auch unsere Leistung bringen!

Dennoch wird vermutlich die ein oder andere Aktion weniger mit euch diskutiert als bei jungen Kollegen, deren Grenzen die Teams noch austesten, oder?

Zwei, drei Trainer, die wir über Jahre immer wieder gesehen haben, haben irgendwann nur noch gesagt: Bei euch brauchen wir uns über Schritte gar nicht mehr aufregen, Krüger/Schmidt können einfach keine Schritte (lacht). Den Wink mit dem Zaunpfahl haben wir aber dennoch verstanden und uns mit dem Thema intensiver befasst.

Du hast eben nebenbei anklingen lassen, dass ihr ein Jahr höher gepfiffen habt…

Genau, wir waren für ein Jahr oben und haben in der 2. Bundesliga gepfiffen, sind aber postwendend wieder runtergegangen. Damals hatten wir in der 3. Liga noch keine Headsets und es war unser Ziel, ein Jahr mit Headset zu pfeifen. Das hatten wir damit geschafft. Und jetzt haben wir die Headsets sogar in der 3. Liga.

Was ist für euch die Motivation, immer noch weiter zu machen?

In die Hallen zu kommen! Man kommt rum und ist nicht nur im eigenen Dunstkreis in den gleichen drei bis fünf Hallen unterwegs. Das motiviert einfach. Wir waren selbst in der 3. Liga in Hagen, in Oranienburg, in Magdeburg. Ich kenne die weiten Fahrten aus dem NOHV, damals ging es aus Flensburg für mich nach Usedom, Cottbus, Berlin. Das war Standard. Wir machen diese Fahrten bis heute gerne. Außerdem ist es immer wieder schön, wenn man die Kollegen auf den Sommerlehrgängen trifft, die das gemeinsame Hobby teilen.

Inwiefern suchen gerade jüngere Kollegen auf den Lehrgängen das Gespräch und fragen nach euren Erfahrungen?

Das kommt durchaus vor. Wenn man abends auf den Lehrgängen zusammensitzt, sind oft sehr wissbegierige junge Gespanne dabei, die einen förmlich löchern. Die sind motiviert, das ist schön zu sehen Es ist nur ein bisschen schade, dass wir uns anders als früher nicht mehr als kompletter Kader sehen. Wir waren damals in Rotenburg, da war genug Platz, aber dort ist das Hotel leider zu teuer geworden. Immerhin sind jetzt beide Lehrgänge der 3. Liga in Halberstadt, sodass man auch die Kollegen aus dem Süden mal trifft. Es ist generell wirklich toll, was nachwächst. Wir können also bald aufhören (lacht).

Du bist nach dem Karriereende von Bundesliga-Schiedsrichter Jörg Loppaschewski der älteste noch aktive Schiedsrichtern in den Kadern des Deutschen Handballbundes. Ist das eine "Ehre" … oder willst du lieber gar nichts davon hören, weil du dich noch nicht so fühlst?

Eindeutig letzteres (lacht). Ich habe das tatsächlich auch erst erfahren, als die Anfrage für dieses Interview kam - und so ganz glauben will ich das auch noch nicht; auch, wenn es sich wohl nicht ändern lässt (schmunzelt). Wir wissen sicherlich, was wir in den letzten Jahren geleistet haben und spüren das auch in den Hallen - sonst würden wir das auch nicht mehr machen -, aber wir müssen wie die jungen Leute auch dafür etwas tun. Insgesamt bin ich schon ein bisschen stolz auf die ganzen Jahre.

Abschließend: Was hast du für einen Ratschlag für junge Schiedsrichter?

Setzt euch selbstkritisch mit den eigenen Spielen auseinander; dann kann auch ein Schritt rückwärts zwei Schritte nach vorne bedeuten. Wir lernen aus Fehlern, nicht aus Schulterklopfern. Letzteres mag natürlich jeder, das ist klar, aber wer weiterkommen will, muss über seine Fehler reden. Und das Wichtigste: Habt Spaß am geilsten Sport der Welt!