1. Schritt: Das Spiel
(Zeitaufwand: ca. 2,5 bis 3,5 Stunden plus An- und Abreise)
Das neutrale Coaching ist die Leistungsbewertung aller Schiedsrichter:innen von der Bundesliga bis zur Basis. Anhand des Ergebnisses (siehe 3. Schritt) entsteht das Ranking eines Schiedsrichter-Kaders, das am Ende einer Spielzeit über Aufstieg (und ggf. Abstieg, falls möglich) entscheidet.
Für den Bereich des Deutschen Handballbundes bedeutet das: Die Schiedsrichter-Teams werde zehnmal pro Saison bei einem Einsatz von einem neutralen Coach des Dachverbandes gecoacht. "Wir wollen junge Schiedsrichter im Idealfall soweit bringen, dass sie Spiele wie SC Magdeburg gegen Füchse Berlin pfeifen können und für diese Entwicklung ist das regelmäßige Coaching ein unterstützendes Tool", beschreibt Thorsten Zacharias.
Der frühere Bundesligaschiedsrichter ist für die Ansetzungen der Coaches verantwortlich; er entscheidet, bei welchen Einsätzen ein Coach anreist. Dabei gibt es eine Besonderheit: Alle international pfeifenden Schiedsrichter-Teams werden in der Bundesliga nur fünfmal gecoacht, da darüber hinaus bei jedem internationalen Einsatz ein Coaching stattfindet. Die Ansetzungen der Coaches sind im Vorfeld nicht bekannt. "Die Schiedsrichter können sich bei keinem Spiel sicher sein, dass niemand da ist", sagt Zacharias. "Das soll die Spannung hochhalten."
Seit dieser Saison gibt es zwei Einsatzarten: Ein Coach kann entweder als reiner Coach vor Ort sein oder als so genannter Delegiertencoach, der parallel die Aufgaben des Delegierten und des Coaches erfüllt. Der Vorteil ist die Nähe zum Spiel, ein Nachteil kann sein, dass während des Spiels die Aufgaben des Delegierten die volle Aufmerksamkeit erfordern und entsprechend kein voller Fokus auf die Coaching-Perspektive möglich ist.
Aufgrund der flächendeckenden Einführung des Delegierten in der 2. Bundesliga der Männer ist das von den personellen Kapazitäten aktuell jedoch nicht anders umsetzbar. Zacharias kann auf 26 Coaches zurückgreifen, welche die Schiedsrichter-Teams in den 1. und 2. Bundesligen der Männer sowie der Jugendbundesliga beobachten; er selbst coacht ebenfalls.
2. Schritt: Die Analyse
(Zeitaufwand: ca. 2 bis 3 Stunden)
Der erste Teil der Analyse findet bereits direkt im Anschluss an das Spiel in der Schiedsrichterkabine statt. Der Coach vermittelt dem Schiedsrichter-Team einen ersten Eindruck und nennt zwei, drei relevante Punkte bzw. Themenfelder, auf die er im Coaching den Schwerpunkt legen will. "Ein Coach könnte zum Beispiel ankündigen, dass er sich die Siebenmeterlinie noch einmal anschauen wird - und so wissen auch die Schiedsrichter schon, worauf sie sich bei ihrer eigenen Analyse vorbereiten sollten."
Der zweite Teil der Analyse findet getrennt statt. Sowohl der Coach als auch das Schiedsrichter-Team schauen sich das Spiel in voller Länge an und richten dabei ein besonderes Augenmerk auf die angesprochenen Schwerpunkte. Theoretisch kann ein Coach auch komplett neue Punkte aufgreifen, allerdings mit Bedacht. Auf die "Big Points" sollte in der Kabine hingewiesen worden sein - anhand der Videobilder über eine nicht gegebene rote Karte zu sprechen, wird ungern gesehen.
3. Schritt: Das Coaching-Gespräch
(Zeitaufwand: ca. 60 bis 90 Minuten)
Das intensive Coaching-Gespräch findet per Videocall in den Tagen nach dem Spiel statt. Auf den Termin einigen sich Coach und Schiedsrichter-Team im Idealfall bereits in der Kabine. Es werden detailliert die Szenen bzw. Schwerpunkte durchgesprochen. "In Szenen, wo man zwei Meinungen haben kann, müssen wir am Ende mit einer Meinung rausgehen", stellt Zacharias klar. In Ausnahmefällen wird das Lehrwesen kontaktiert, die sich dann für eine Klarstellung mit den Schiedsrichtern sowie dem Coach in Verbindung setzen.
Es gibt einige Knackpunkte, die in die Bewertung einer Leistung eine besondere Stellenwert einnehmen. So sind die Coaches beispielsweise angehalten, sowohl falsche als korrekte Entscheidungen in der Crunchtime besonders zu bewerten. "Eine Szene kann das ganze Spiel entscheiden", erklärt Zacharias diese Anweisung. Unterläuft in der spielentscheidenden Phase ein Fehler, "interessiert es keinen mehr, wie gut die Schiedsrichter vorher waren".
Auch der Videobeweis wird - bei Coachings in der 1. Bundesliga der Männer - einbezogen. So führt eine falsche oder nicht gegebene Disqualifikation nach Videobeweis automatisch zum Punktabzug in der Kategorie "Progression" und hat damit direkten Einfluss auf den Wert, den ein Schiedsrichter-Team für seine Leistung erhält. "Wenn man in den Videobeweis geht, muss man mit der richtigen Entscheidung rausgehen", hatte Zacharias im Sommer auf dem Vorbereitungslehrgang glasklar betont.
Das Coaching-Gespräch dauert in der Regel 60 bis 90 Minuten. Am Ende der inhaltlichen Auseinandersetzung vergibt der Coach anhand der klar definierten Kriterien im Schiedsrichter-Beobachterbericht eine Punktzahl für die Leistung, die nach dem Call zusammen mit dem ausgefüllten Bericht sofort digital hochgeladen und abgeschickt wird.
"In einem Coaching wird immer die Leistung in dem betreffenden Spiel bewertet - und durch die verschiedenen Beurteilungen im Laufe der Saison entsteht das Ranking eines Kaders", erklärt Zacharias. Die Coaches erhalten für jedes Coaching eine Aufwandsentschädigung zwischen 60 und 150 Euro. Der Betrag variiert, je nachdem, in welcher Liga das Coaching stattfindet, obwohl der reine Zeitaufwand des Coachings immer identisch ist.
"Es ist für uns alle ein Ehrenamt, ein Hobby, weil wir dem Handball etwas zurückgeben wollen", sagt Zacharias. Gerade junge Schiedsrichter-Team nehmen aus den Coachings durch die Erfahrung der selbst früher hochklassig pfeifenden Coaches viel mit. "Mit diesen hochmotivierten und ambitionierten jungen Leuten arbeiten zu dürfen, ist ein Privileg", betont der Coaching-Chef. "Es ist nicht mit Gold aufzuwiegen, die Entwicklung über die Jahre zu sehen und es gibt immer wieder Momente, in denen wir genau wissen: Dafür mache ich das."
Bock auf Handball: Die geheimste Tabelle des Handballs
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Die Coaches des Deutschen Handballbundes
Peter BehrensFrank BöllhoffHanspeter BrodbeckAndreas CarisRonny DedensMarc FasthoffMatthias ForstnerLars GeipelSebastian GrobeKay HolmChristoph ImmelRonald KleinRalf KronerAndreas LaibleJörg LoppaschewskiWilfried LübkerLutz PittnerSimon ReichJürgen RieberMatthias SattlerStefan SchneiderSandra SenkRainer TschirneBernd UllrichMatthias WestphalMarkus WeyellThorsten Zacharias