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Sophia Janz und Rosana Sug: Der Glaube an sich selbst

kicker

Hinweis: Der Beitrag erschien erstmals im Mai 2025 in der Ausgabe 19/2025 des Magazins Bock auf Handball

Über manche Anekdote ihres Weges nach oben, die Sophia Janz und Rosana Sug heute mit einem Schmunzeln erzählen, lässt sich eigentlich nur der Kopf schütteln. In ihren Anfangsjahren waren die beiden Schiedsrichterinnen gemeinsam mit dem befreundeten Duo Marvin Cesnik und Jonas Konrad in einer Halle angesetzt. Cesnik/Konrad, die heute ebenso wie Janz/Sug in der DAIKIN HBL angekommen sind, sollten das Verbandsligaspiel des Heimvereins pfeifen, Sophia und Rosana das folgende Männer-Oberligaspiel.

Die beiden Schiedsrichter-Teams reisten nicht nur gemeinsam an, sondern waren einheitlich gekleidet - so, wie es Usus ist. An der Hallentür spielte das jedoch keine Rolle. "Jonas und Marvin wurden kommentarlos reingelassen, wir wurden angehalten, weil wir Eintritt zahlen sollten", schildert Rosana. "Und als Sophia sagte, dass wir hier auch pfeifen müssten, hieß es nur, das Frauenspiel sei nebenan." Erst nach einer weiteren Nachfrage, ob sie denn wirklich das Oberliga-Spiel pfeifen würden, wurden die beiden Freundinnen reingelassen.

Heute - angekommen in der 1. Männer-Bundesliga - können Rosana und Sophia darüber ebenso lachen wie über andere Erlebnisse. Als sie bereits in der 1. Frauen-Bundesliga gepfiffen hatten, wurden sie bei einem Männerspiel immer noch in der 4. Liga beobachtet. Und einmal gab es bei einem Lehrgang des Deutschen Handballbundes den Auftrag an alle Frauengespanne unabhängig vom Kader anzugeben, ob sie Männerspiele pfeifen wollen. Mit in der Runde saßen auch Tanja Kuttler und Maike Merz, die zu dem Zeitpunkt bereits ihr Debüt in der 1. Männer-Bundesliga gegeben hatten. "Wir konnten", erinnern sich Sophia und Rosana heute, "ihre Antwort 1:1 für uns übernehmen. Wir wollen alles, was die männlichen Kollegen auch haben, mit den gleichen Rechten, aber natürlich auch den gleichen Pflichten."

Erst ab diesem Moment wurde für die beiden Freundinnen aus dem Oberbergischen Kreis jedoch wirklich greifbar, dass auch für sie der Weg bis ganz nach oben gehen könnte. Bei der Schiedsrichter-Ausbildung im März 2009, war das noch kein Thema. "Wir haben darüber gar nicht nachgedacht, denn es war uns nicht bewusst, dass es diese Möglichkeit überhaupt geben könnte", sagt Sophia. Der ursprüngliche Antrieb der beiden Freundinnen? Das Taschengeld aufbessern. "Wir waren 15 Jahre alt, kamen vom Dorf und sind mit dem Roller zu den Spielen gefahren", erinnert sich Rosana mit einem Lächeln zurück.

Keine Perspektive?

Schritt für Schritt verliebten sich die beiden jungen Mädchen immer mehr in das neue Hobby. Sie besuchten jetzt nicht nur dieselbe Schule und liefen beide für den CVJM Oberwiehl, den gemeinsamen Heimatverein, auf, sondern fuhren zusammen in die verschiedenen Hallen - erst in ihrem Handball-Kreis, irgendwann auch in der Region. Im Frühjahr 2014 pfiffen Sophia und Rosana das erste Mal in der Oberliga Männer - ebenso wie ihre Weggefährten Cesnik/Konrad.

Und auch, wenn es für Sophia und Rosana selbst keine Rolle spielte, zeigte sich die unterschiedliche Wahrnehmung von Männern und Frauen nicht nur an den Hallentüren. "Wir sind ein Jahr vor Jonas und Marvin in die Jugendbundesliga aufgestiegen, aber sie waren drei, vier Jahre vor uns in der 3. Liga Männer", rechnet Rosana vor. "Während wir stehen geblieben sind, mussten wir zusehen, wie sie an uns vorbeiziehen."

Die heutige Gleichstellung, die Leiterin Jutta Ehrmann dem Schiedsrichterwesen 2022 verordnete, gab es damals noch nicht. Sophia und Rosana steckten nach einem Jahr in der weiblichen Jugendbundesliga in der 3. Liga der Frauen scheinbar fest; der auf dem Papier steile Aufstieg erwies sich in der Realität (zunächst) eher als ein Plateau. "Im Rückblick war die 3. Liga Frauen ein Tiefschlag, weil es sich für uns wie ein Deckel angefühlt hat - bis hierhin und nicht weiter. Es gab keine Perspektive", beschreibt Sophia.

Es war keine einfache Situation für die beiden Freundinnen. "Wir waren an einem Punkt, wo wir uns gefragt haben: Wollen wir das noch?", erinnert sich Rosana. "Wir hatten gefühlt jeden Frauen-Drittligisten der Welt gepfiffen, wurden in unserer Wahrnehmung aber immer vertröstet, wenn es um Einsätze in der 3. Liga der Männer ging."

Aus dem Landesverband kannte das Duo eine solche Trennung nicht. Kurzzeitig überlegten beide sogar, freiwillig in den Landesverband zurückzugehen, um über den normalen (Männer-)Kader um den Aufstieg in die 3. Liga der Männer zu kämpfen. "Wir hatten das Vertrauen, dass man mit Ehrgeiz, Wille und Weiterentwicklung sehr viel im Leben schaffen kann", sagt Sophia. "Wir haben von dem Weg nach oben geträumt, doch die Grenzen, die von Außen gesetzt wurden, haben bestimmt, wie viel wir träumen durften."

Es war damals ein strukturelles Problem im Schiedsrichterwesen. "Frauen-Teams sind oft einfach hochgezogen worden; nicht sportlich aufgestiegen. Ein Frauen-Gespann wurde in einen Kader gesteckt, man hat es pfeifen lassen und sich dann über das Leistungsgefälle gewundert", schildert Rosana.

Dass sie die Pfeife dennoch nicht an den sprichwörtlichen Nagel hängten, war der ersehnten Chance auf den nächsten Schritt zu verdanken: Die Saison 2018/2019 schlossen sie auf dem 1. Platz des Frauenkaders ab und erhielten die Möglichkeit, weil sie noch unter 26 Jahre alt waren, in den Nachwuchskader aufzusteigen. "Das war", sagt Rosana, "eine neue Situation und wir wollten der Sache eine Chance geben."

Insgeheim träumten die Freundinnen inzwischen auch deshalb von (noch) höheren Ligen, weil sich eben parallel andere Frauen bewiesen. "Einzelne Frauenteams durften nach und nach 1. und 2. Bundesliga Männer pfeifen", erinnert sich Sophia. "Wir haben diesen Türspalt auch für uns gesehen und uns gesagt: Es gibt vielleicht doch noch eine Möglichkeit, wenn wir gut genug sind."

Debüt in der Wunderino-Arena

Und tatsächlich nahm ihre Karriere nun schnell (wieder) Fahrt auf, der gefühlte Deckel war endlich weg: Ein halbes Jahr später, im Winter 2019, folgte die Berufung ins renommierte EHF Young Referee Project, 2021 das Debüt in der 1. Bundesliga-Frauen und 2022 - nach dem Aufstieg in den Bundesligakader - die Premiere in der 2. Bundesliga Männer. Im Sommer 2024 gelang der Schritt in den Elite-Anschlusskader, im Oktober 2024 standen Sophia und Rosana in der Kieler Wunderino-Arena erstmals in der 1. Männer-Bundesliga auf dem Feld.

"Das Spiel war natürlich ein tolles Gefühl, aber der größte Vertrauensbeweis war bereits der Aufstieg an sich", hält Rosana fest. "Ein Aufstieg bedeutet, dass andere an dich glauben; dass sie dir zutrauen, in der höheren Liga zu bestehen. Die 1. Bundesliga der Männer war immer das langersehnte Ziel, aber wir haben damit noch nicht gerechnet - und es dann trotzdem gepackt zu haben, war eine Bestätigung einer Entwicklung, für die wir lange gearbeitet haben."

Mit jedem Aufstieg mussten sich die Freundinnen auf dem Spielfeld neu beweisen. "Wir haben gelernt, dass wir auf uns und unsere Leistung vertrauen können", sagt Rosana. "Dieses Urvertrauen brauchen wir, denn wenn wir Angst gehabt hätten, dass uns die Situation auf dem Spielfeld überrollt, wären wir nicht dorthin gekommen, wo wir jetzt sind."

Seit inzwischen 16 Jahren pfeifen Sophia und Rosana zusammen - und kennen sich in- und auswendig. "Wir wissen, wie der andere tickt und verstehen uns blind", sagt Sophia. "Manchmal können wir als Partnerin die andere besser lesen als sie sich selbst in dem Moment." Auf dem Spielfeld halten sie sich gegenseitig den Rücken frei. "Sophia rettet mich, ich rette sie", betont Rosana.

Im Rückblick sehen sie inzwischen selbst die schwierige Phase in der 3. Liga der Frauen als Gewinn an. "Dass wir uns unseren Weg in den Männerbereich erkämpfen mussten, hat uns definitiv widerstandsfähiger und robuster gemacht", sagt Sophia. "Es hat unser Durchhaltevermögen gestärkt", ergänzt Rosana. "Wir sind nie einfach nach oben durchgerutscht, sondern mussten für jeden Aufstieg sehr hart kämpfen. Damals hat das wehgetan und genervt, jetzt profitieren wir genau davon."

Dass ihr Aufstieg in die 1. Männer-Bundesliga auch ein Signal ist, wissen die beiden Freundinnen. "Bei einem Frauen-Gespann ist es eine Besonderheit, mit einem zweiten Frauengespann in der 1. Liga und mehreren Frauen-Teams in den anderen Kadern des Deutschen Handballbund, die sich bewähren, wird es mehr zur Normalität", hält Sophia fest. "Das zeigt jungen Schiedsrichterinnen: Ihr könnt das auch.

Familie und Freunde unterstützen die Leidenschaft der Freundinnen aktiv („das ist eine Grundvoraussetzung, um das zu tun, was wir tun“), auch die Arbeitgeber halten ihnen den Rücken frei, weil sie die Vorteile sehen. "Um gut zu pfeifen, musst du alle Eigenschaften erleben, die du auch im Job brauchst, um gut zu sein. Schiedsrichterei ist ein bisschen so, als ob du jedes Wochenende Nachhilfe in der Halle nimmst", lacht Rosana. Bei weiter entfernten Auswärtsspielen sitzt eine der beiden schon einmal für einen Call im Hotelflur, um die andere nicht beim 'Homeoffice' im Zimmer zu stören. "Dass wir das Pfeifen nicht verheimlichen müssen, sondern offen damit umgehen können, ist ein großer Benefit", betont Sophia.

Der Elite-Anschlusskader soll jedoch - wenn alles glatt läuft - nur eine Zwischenstation sein. In diesem Kader müssen sich Sophia und Rosana beweisen, um in den Elitekader aufzusteigen und endlich den Adler des Deutschen Handballbundes auf der Brust tragen zu dürfen. Ihr aktuelles Schlagwort: Lernen. "Wir wollen so viele Spiele wie möglich pfeifen, Erfahrung sammeln und viele Erstligakniffe und -tricks möglichst schnell verstehen, sodass wir vielleicht einmal darauf reinfallen, aber eben kein zweites Mal", lacht Rosana. Auch abseits des Spielfeldes feilen sie weiter an der Karriere; mit jeder Stufe steigt die Professionalität. Seit der 2. Bundesliga tragen sie nicht nur bei der Anreise, sondern auch bei der Abreise ein gleiches Outfit; seit dieser Saison kommen gleiche Frisuren auf dem Spielfeld dazu.

"Wir haben einen hohen Anspruch an uns selbst", betonen beide unisono. Um den körperlichen Anforderungen gerecht zu werden, trainieren sie bis heute im Kraftraum an ihrer alten Schule; neben der Halle, in der sie früher das Handballspielen erlernt haben und in der 2007 die Weltmeisterschaftmannschaft von Heiner Brand trainierte.

Und auch, wenn sie vielleicht nicht mehr an den Hallentüren abgewiesen werden, auffallen tun sie immer noch. "Ach, Schiedsrichterinnen heute; die Damen, das ist ja toll", hören sie immer noch. "Wir müssen vielleicht immer noch einmal mehr erklären, aber nichts mehr beweisen. Es ist halt für einige immer noch etwas Besonderes", sagt Rosana. Die beiden Freundinnen wollen dem gerecht werden: "Wir wollen zeigen, dass wir es mindestens genauso gut können, wenn nicht vielleicht sogar besser." Der Weg nach oben: Er soll noch nicht vorbei sein.

Bock auf Handball - Ausgabe 19

Dieser Artikel erschien in Ausgabe 19 unseres Print-Magazins Bock auf Handball. Alle früheren Ausgaben sowie die neue Ausgabe (ab dem 25. November 2025) können HIER versandkostenfrei bestellt werden.Bock auf Handball ist hautnah an den Stars des Handballs - und an der Basis. Das Heft könnt ihr HIER innerhalb von Deutschland versandkostenfrei bestellen. Wer Geld sparen will, holt sich das ABO. Für nur 24,95 Euro bekommt ihr alle vier Hefte des Jahres.