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Worauf achten Sie bei einer Vereinsbeobachtung, Christian Sprenger?

kicker

Für das Formulieren der Vereinsbeobachtung hat Christian Sprenger sich selbst eine Regel auferlegt: Er wartet bis zum nächsten Tag, bevor er die Leistungsbeurteilung abschickt. "Die Zeit braucht es, um von einer emotionalen Reaktion zu einer sachlichen Bewertung zu kommen", erklärt der frühere Nationalspieler. "In jedem Spiel stecken viele Emotionen und in diesen Emotionen fühlt man sich schnell benachteiligt. Das sieht am nächsten Morgen, wenn man sich in Ruhe das Video anschaut, oft anders aus."

Seiner eigenen Prämisse folgend schickte Sprenger auch die Vereinsbeobachtung nach der 34:36 (19:16)-Niederlage im Nordderby gegen die SG Flensburg-Handewitt erst ab, nachdem er eine Nacht darüber geschlafen hatte. Und so fiel die Beurteilung der Schiedsrichterleistung trotz des Frusts über die Niederlage entsprechend sachlich aus. Sprenger lobte "eine wirklich sehr gute Schiedsrichterleistung mit einer klaren und konsequenten Linie", er nannte jedoch auch konkret drei Situationen, wo er die Entscheidungen der Unparteiischen nicht nachvollziehen konnte.

Nur drei Szenen nach 60 Minuten einzureichen - das war für Sprenger ein Lernprozess. "Nachdem ich die Aufgabe übernommen hatte, habe ich anfangs auch mal 40 Szenen mitgeschickt, aber das hat am Ende niemandem geholfen", erinnert sich Sprenger. Der Schiedsrichter-Lehrstab des Deutschen Handballbundes sichtet die von den Trainern genannten Situationen; über alle Ligen zusammengerechnet kommen an einem Wochenende über 100 Szenen zusammen: "Jeder hat seine eigene Sicht. Aber ich habe für mich beschlossen: Da jeden Schrittfehler und jeden Übertritt einzuschicken, ist nicht sinnvoll."

Inzwischen beschränkt sich Sprenger daher auf zwei bis sechs markante Szenen. "Mich interessiert dabei gar nicht unbedingt, ob eine Entscheidung richtig oder falsch ist, sondern ob es eine konsistente Linie gibt", führt der Co-Trainer des THW Kiel aus. "Die Situationen müssen auf beiden Seiten gleich bewertet werden, dann ist es fair. Ich versuche bei der Videoanalyse entsprechend Vergleiche zu ziehen und die Aktionen des Gegners im Verhältnis zu unseren eigenen Aktionen zu sehen."

Die Beurteilung der Schiedsrichter fiel Sprenger eher zufällig in den Schoß, da er im Trainerteam ohnehin für die Videoanalyse zuständig ist. "Das ist natürlich eine zusätzliche Arbeit, die - so ehrlich bin ich - am Anfang für mich keine hohe Priorität hatte", erklärt er im Rückblick. "Ich habe über die Zeit jedoch verstanden, dass ein gutes Miteinander wichtig ist und auch die Schiedsrichter lernen müssen - gerade, weil es nach den Rücktritten einiger etablierter Gespanne nun viele junge Schiedsrichter gibt. Sie sollen unsere Sicht verstehen lernen. Deswegen widme ich der Vereinsbeobachtung inzwischen mehr Zeit."

Was ihm bei der Beurteilung selbst ein wenig hilft: Im Training pfeift Sprenger. "Ich habe so eine bessere Empathie für die Schiedsrichter entwickelt", sagt er offen. "Ich habe mehr Verständnis für die Komplexität und den Stress der Entscheidungen - verbunden mit dem Unmut der Spieler - gewonnen. Inzwischen verstehe ich bestimmte Fehler und deren Entstehungsprozess auch besser."

"Es geht uns darum, dass es fair ist."

Sein eigener Lernprozess über die vergangenen Jahre führt dazu, dass er selbst nach der knappen Niederlage im Nordderby nicht vom Frust leiten lässt. Ein Tor von Domagoj Duvnjak wurde aufgrund eines vermeintlichen Schrittfehlers abgepfiffen; statt auf zwei Tore herangekommen zu sein, zog Flensburg im Gegenzug auf vier Tore weg. "Ein weiterer Nackenschlag, eine weitere Kleinigkeit, die das Spiel kippen ließ", formulierte der Verein in seinem Spielbericht. "Das war in meinen Augen die einzig klare Fehlentscheidung im ganzen Spiel", notierte Sprenger nüchtern in der Beurteilung - es war eine der drei eingereichten Szenen.

Abgesehen von dieser Szene war man bei den unterlegenen Kielern mit der Leistung der Schiedsrichter zufrieden. "Das Nordderby ist natürlich ein besonderes Spiel, in einer besonderen Halle, mit einer besonderen Emotionalität bei den Spielern und den Bänken", sagt Sprenger auf Nachfrage von handball-world. "Ich fand es sehr beeindruckend, wie die beiden das gemacht haben."

Ein besonderes Lob gab es für die Kommunikation, gerade für Fabian Baumgart - sowohl in der Beurteilung, welche die Schiedsrichter auch erhalten („Wie du mit deiner Präsenz und Kommunikation sowohl die Spieler als auch die Bänke abholst, ist herausragend.“) als auch im Gespräch mit handball-world: "Das war unglaublich gut. Fabian ist zwischendurch zur Bank gekommen und hat Dinge erklärt, mit einer guten Körpersprache, die aber zugleich klar gemacht, dass man nicht mehr diskutieren braucht. Die Art und Weise hat ganz viel Spannung rausgenommen."

Ebenso wie die neutralen Coaches haben auch die Vereine verschiedene Bewertungskategorien, doch "diese Punkte interessieren mich wenig", sagt Sprenger offen. "Es geht uns darum, dass es fair ist. Und das ist es, wenn links wie rechts gleich gepfiffen wird." Anders als noch vor einigen Jahren fließen die Punkte aus den Vereinsbeobachtungen auch nicht mehr prozentual ins Ranking des Kaders ein; es ist einzig und allein ein Tool für ein schnelles Feedback.

Wie die Vereine die Möglichkeit nutzen, ist extrem unterschiedlich. Die Beurteilungen des THW Kiel durch Sprenger weiß man zu schätzen, weil sie sachlich sind. "Er ist stets neutral in seiner Beurteilung der Schiedsrichter", beschreibt Jutta Ehrmann, Leiterin Schiedsrichterwesen im Deutschen Handballbund. "Er ist sportlich fair und sehr regelsicher; die Kommunikation findet auf Augenhöhe statt."

Über einen Button können die Vereine beim Absenden der Beurteilung zudem eine Rückmeldung des Lehrstabs anfordern, sodass ein Austausch stattfindet. So sachlich sind nicht alle Rückmeldungen. "Christian Sprenger als Vertreter des THW macht das wirklich hervorragend. Mit diesen Analysen können wir was anfangen, denn sie helfen uns auch handballtechnisch besser zu werden", so Ehrmann. "Viele andere Vereinsvertreter nutzen das Tool leider zum Abarbeiten der eigenen Emotionen."

Da könne man sich "bei Niederlagen schon auf einen Generalabriss einstellen", berichtet Ehrmann, ergänzt allerdings sofort: "Aber das wird mehr und mehr die Ausnahme. Die Mehrzahl der Clubs macht das inzwischen sehr gut. Wenn wir ein gezieltes Feedback und klare Szenenbeschreibungen von Situationen, die alle weiterbringen erhalten, hilft es allen weiter."