Wie war es am Abend der Ehrung? Herzliche Gratulation!
Danke schön! Ja, es ist immer wieder cool. Natürlich befinden wir uns aktuell in einer sehr stressigen Phase. Der Speedwinter steht bevor und es war etwas schwierig, Training und Skifahren unter einen Hut zu bringen, da ich direkt von der Piste kam. Wenn man das aber organisatorisch gut vorbereitet, ist eigentlich ziemlich viel machbar. Es war cool, aber am nächsten Tag ging es schon wieder weiter. So lange ging es auch wieder nicht. Es hat gut gepasst.
Du hast bereits zum vierten Mal den "Diskuswerfer", also die Auszeichnung zur steirischen Sportlerin des Jahres, gewonnen. Was bedeutet sie dir noch?
Ich bin 2011 steirische Nachwuchssportlerin geworden, das ist also schon ein paar Jahre her. Nach zwei extrem coolen Saisons habe ich dann 2016 und 2018 den Diskuswerfer bekommen. Danach wurde es ein wenig schwieriger. Deshalb ist es eine grosse Ehre für mich, dass ich 2024 und 2025 gleich zwei Jahre hintereinander ausgezeichnet werde. Es fühlt sich an, als würde alles zurückkommen, was zwischen 2019 und 2021 passiert ist. Der Sturz in Crans-Montana 2022 war einer dieser Momente, in denen meine Karriere auf der Kippe stand. Es hätte auch schiefgehen können. Dass es überhaupt weitergeht und ich weiterhin Skifahren kann, war nicht selbstverständlich. Und dann in den beiden coolen Wintern 2024 und 2025 noch einmal so durchzustarten, ist einfach mega, ganz klar.
Du hast vorher gesagt, nach der Ehrung geht es gleich weiter. Wie sieht die Vorbereitung für dich noch aus bis zu den ersten Speedrennen?
Wir waren am Donnerstag noch auf der Piste, das Wochenende wurde dann genutzt, um wieder Kondition zu trainieren. Aufgrund des oft sehr winterlichen Wetters war es auf den Gletschern nicht mehr so gut zu trainieren, da der Schnee bereits zu weich war. Bei den tiefen Temperaturen kann der Schnee nicht mehr zu einer kompakten Piste gebunden werden. Deshalb haben wir wieder viel Konditionstraining eingeschoben, das ich bis zu meinem Abflug in den nächsten Tagen nutzen werde. In Amerika ist ein längerer Trainingsblock geplant, zuerst nach Copper Mountain und dann nach Aspen. Und ehe man sich versieht, sind wir schon in St. Moritz.
An St. Moritz hast du ja aus den letzten beiden Jahren sehr gute Erinnerungen.
Ja, es war natürlich schon ein bisschen unerwartet, dass ich sowohl den Saisonstart in Beaver Creek als auch den ersten Super-G der Saison in St. Moritz gewonnen habe. Beim Super-G hast du nur einen Lauf. Daher muss ab der Besichtigung sofort alles zu hundert Prozent passen. St. Moritz ist einfach einzigartig und immer cool. Dort habe ich 2012 meinen ersten Europacup-Sieg gefeiert. Es war mein erster und letzter. Es ist halt immer sehr schwierig, da es oberhalb der Baumgrenze viele Wellen gibt. Es macht zwar Spass zu fahren, aber es kostet trotzdem immer wieder Überwindung, weil es sehr anspruchsvoll ist. Ich fahre sehr gerne dorthin, hoffe aber trotzdem auf schönes Wetter, denn das erleichtert die Sache ein bisschen.
Dann ist es auch einer deiner Lieblingshänge?
Auf jeden Fall. Leider konnte ich die Abfahrt bei der WM nicht fahren, da ich mich 2017 im Super-G verletzt hatte. Aber im Weltcup bin ich sie immer sehr gerne gefahren und fahre sie auch heute noch gerne. Es ist immer gut organisiert. In der Schweiz merkt man: Die haben das einfach drauf. Vor allem fallen in der Schweiz auch immer die Volunteers auf, zum Beispiel das Militär. Die Piste ist immer perfekt präpariert und es sind extrem viele Helferinnen und Helfer im Einsatz, die das ganze Wochenende zu einem Spektakel machen. Im Fernsehen sieht man oft nur die Rennpiste, den Start und das Ziel, aber dahinter steckt so viel mehr. Wir erleben das live vor Ort und merken, dass alles top organisiert ist. Allein der Raum für die Verpflegung der Helferinnen und Helfer ist beeindruckend. Alles passt zusammen, es ist stimmig. Darum freue ich mich immer wieder, dass ich dort ein Rennen fahren kann und dass unser Speed-Auftakt dieses Jahr in der Schweiz stattfindet.
Ich nehme an, die Schweizer Rennen sind aber durch den Sturz in Crans-Montana nicht nur in guter Erinnerung geblieben. Wie gehst du solche Rennen ran, wenn du wieder dahin zurückkehrst?
Man muss sagen, dass weder die Hügel noch die Strecke oder das Land dafür verantwortlich sind, ob man stürzt oder nicht. Ich kann mich auch daran erinnern, dass ich bei der Junioren-WM in Crans-Montana zwei Bronzemedaillen gewonnen habe. Es gibt also gute Erinnerungen an diesen Ort für mich. An den Sturz, bei dem ich ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten habe und bewusstlos war, erinnere ich mich aufgrund der Gehirnerschütterung und der schwierigen Wochen danach nicht mehr gut. Das hat mir wirklich lange zu schaffen gemacht. Das ist eine normale Schutzreaktion des Körpers. Ich weiss noch, dass ich bis zur Steilhang-Einfahrt ziemlich gut unterwegs war. Dann ist mein Tag irgendwie weg. Ich wusste auch nicht mehr, wo ich war. Es war schon hart, aber am Ende habe ich in Crans-Montana wieder auf dem Stockerl gestanden.
Nach Crans-Montana hatte ich wegen dieses Rennens wirklich sehr schlaflose Nächte, denn es war ganz klar ein Fahrfehler. Ich weiss, dass die Schuld bei mir lag, aber ich weiss auch, dass ich richtig schnell war. Das sind Momente, in denen ich denke: Wenn ich bis dahin schnell war, dann habe ich auch viel richtig gemacht. Ich glaube, wenn man sich an diese Momente und die kleinen Dinge erinnert und weiterarbeitet, statt ständig an den Sturz zu denken, fällt es einem leichter. Natürlich ist es in dem Moment schwierig und beschissen, aber es ist nicht alles negativ. Ich hatte in meiner Karriere bisher viele Verletzungen und hoffe, dass es das nun gewesen ist. Im Endeffekt habe ich viel daraus gelernt. Das sind Momente, die man abseits der Piste fürs Leben mitnimmt.
Gelernt hast du definitiv daraus. Du hast im Jahr darauf die WM-Bronze-Medaille geholt. Würdest du diese Medaille aufgrund der Umstände höher einschätzen als die Abfahrtskugel?
Nein, da die Abfahrtskugel so unerwartet kam. Das war eine ganz witzige Geschichte: Im Super-G hatte ich vor dem Rennen noch eine kleine Chance auf die Kugel, aber Lara Gut-Behrami hat sich diese hochverdient geholt. Nach dem Rennen habe ich ihr gratuliert und habe ihr gesagt, dass ich hoffe, im nächsten Jahr wieder einen tollen Fight zu haben. Anschliessend bin ich auch bei ihrem Team vorbeigegangen und habe auch schon für die Abfahrtskugel gratuliert, weil die Sache für mich erledigt war. Dass es für mich in der Abfahrt doch noch so ausgegangen ist, war wirklich unerwartet. Darum kann ich nichts über die Abfahrtskugel stellen, weil das einfach ... Ja, es kam einfach aus dem Nichts.
Und wie sieht es mit einer Olympiamedaille in Cortina aus? Wo wäre die einzustufen?
Das weiss noch niemand - und das ist auch gut so. Denn es ist ganz klar der Moment und der Tag, der kommen wird. Aber ich weiss, dass ich dabei sein will - mit derselben Vorfreude und Motivation, mit der ich schon bei unzähligen anderen Rennen am Start gestanden habe. Es ist ein großes Ereignis, einfach etwas Besonderes. Ich war 2014, 2018 und 2022 schon dabei, und jedes Mal haben mich die Gefühle ein bisschen überrumpelt, weil die Eindrücke so überwältigend waren. Österreich ist zweifellos eine Skination, und die Österreicher leben für den Skisport. Wo ich herkomme, hat man aber trotzdem nicht so viel mit Skifahren zu tun. Das war für mich immer zu gross, weil ich mir gedacht habe: "Oh mein Gott, ich darf überhaupt dabei sein." Ich hoffe, dass ich daraus gelernt habe und beim vierten Mal halbwegs normal reagieren werde, obwohl es auch dieses Mal wieder etwas ganz Besonderes ist.
Wie gehst du im Februar an diese Rennen hin? Arbeitest du darauf oder ist das ein normales Rennen?
Da wir ein cooles, starkes Speedteam sind, ist es für mich persönlich am wichtigsten, dass ich im Dezember in St. Moritz mit hundert Prozent in die Saison starte und diese Leistung im Januar, Februar und März durchziehe. In diesen vier Monaten möchte ich meine beste Leistung zeigen und nicht erst im Februar meine Höchstform erreichen. So ein Eintagesrennen funktioniert nie. Unser Coach hat im August bei der ersten Sitzung für diese Saison gesagt, dass es sich um besondere Rennen handelt, aber im Weltcup sind alle Rennen wichtig.
Cortina ist aber nicht wirklich eine Liebesbeziehung für dich, oder?
Bisher war es schwierig. Wir sind noch keine besten Freunde, aber wir kommen uns näher. Ich hoffe, dass sich unsere Beziehung mit der Zeit immer weiter verbessert. Ich bin schon auf dem Stockerl gestanden, aber auch oft daneben gelandet, weil es einfach so schwierig ist, die Strecke sehr schnell ist und alle Elemente enthält. Vor zwei Jahren war es wegen der ganzen Stürze extrem schwierig. Die Strecke ist am Limit, aber auch extrem schön und cool zu fahren. Ich glaube, in den letzten Jahren habe ich zu viel in die Gegend und zu wenig auf die Piste geschaut, denn es ist auch rundherum so schön. Vielleicht muss ich das ändern, denn bisher hat es noch nie funktioniert.
Vor zwei Jahren bist du Fünfte geworden im Gesamtweltcup. Denkst du, es ist möglich, mit nur zwei Disziplinen auch um den Gesamtweltcup zu fahren?
Nein.
Auch jetzt ohne Federica Brignone nicht?
Nein, es sind einfach zu viele. Lara Gut-Behrami muss ich da wieder besonders hervorheben. Sie fährt drei Disziplinen, und das auf höchstem Niveau. Sofia Goggia ist auch eine, wenn sie im Riesentorlauf fährt und ihre Leistung abrufen kann, sind das ebenfalls drei Disziplinen. Ich glaube nicht, dass man als reine Speed-Spezialistin eine Chance im Gesamtweltcup hat. Deswegen ist das für mich überhaupt kein Thema.
Okay, und der Riesenslalom ist für dich auch kein Thema?
Ich bin einmal Riesentorlauf gefahren und habe mich sogar für den zweiten Durchgang qualifiziert. Ursprünglich hatte ich vor, ihn in meine Disziplinen aufzunehmen, aber 2017 habe ich mich verletzt und hatte anschliessend viele andere Probleme. Deshalb habe ich mich darauf konzentriert, in meinen zwei Speeddisziplinen wieder zurückzukommen. Später war es für mich nie ein Thema, wieder in den Riesentorlauf zurückzukehren, da es sehr schwierig war, den Anschluss zu finden.
Du hast die Abfahrtskugel damals Lara Gut-Behrami weggeschnappt. Wie nimmst du die Rivalität zwischen der Schweiz und Österreich wahr?
Ich finde es eigentlich cool, dass wir zwei kleine Länder sind, in denen das Skifahren ein wichtiger Teil des Lebens ist, und dass wir auf Augenhöhe sind. Ihr habt ein starkes Team, und man muss immer warten, bis alle Schweizerinnen im Ziel sind, um sicherzugehen. Ein Beispiel ist Malorie Blanc, die letztes Jahr wie aus dem Nichts kam und die ganze Saison über ganz vorne mit dabei war. Wie bereits gesagt, sind wir zwei kleine Nationen, die den Skisport leben und eine gesunde Rivalität pflegen - aber auf freundschaftliche Art.
Freundschaft und Konkurrenz passt ja auch bei Mirjam Puchner. Du postest sehr viel mit ihr. Was überwiegt da bei den Rennen, die Freundschaft oder die Konkurrenz?
Natürlich sind wir vom Start bis ins Ziel Konkurrentinnen, aber ich glaube, es macht jeden Einzelnen auch stärker, wenn man außerhalb der Startlinie normal miteinander umgeht und sich in gewissen Momenten hilft. Im Endeffekt ist es wichtig, dass man sich im Training gegenseitig pusht und sich bei der Besichtigung hilft, auch wenn wir im Rennen alle auf uns allein gestellt sind. Ich glaube, ein cooler Teamspirit ist der Schlüssel zu einem gesunden Mittelmass, damit es vorangeht und wir alle das Gleiche wollen. Das sind positive Aspekte, die mich persönlich auch schneller machen.
Jetzt doch noch zu deinen Verletzungen zurück. Hast du damals irgendwie Mentaltraining genommen?
Nein, eigentlich überhaupt nicht. Wir haben es einmal probiert und es wurde uns nahegelegt, aber für mich war das immer der Moment, in dem ich mir gedacht habe: „Es bringt nichts, wenn mir irgendeine Person etwas einzureden versucht, von dem sie selbst nicht zu einhundert Prozent überzeugt ist. Was mir aber hilft, ist, dass ich viele Personen habe, mit denen ich über gewisse Dinge reden kann. Einen Mentaltrainer, der mir so helfen konnte wie meine engsten Vertrauten, habe ich aber nie gefunden. Deswegen war es mir wichtig, über Dinge zu reden, aber nicht mit einem Coach, sondern auf freundschaftliche, familiäre Weise - auch mit meinen Tieren zu Hause. Sicher, mit denen spreche ich nicht, aber man kommuniziert auf eine andere Weise. Wichtig war mir auch, gewisse Dinge ausserhalb des Sports zu lernen, was mir wiederum im Sport hilft.
Und da helfen wahrscheinlich auch deine Hobbys. Du hast auf deiner Webseite ganz verschiedene Hobbys aufgelistet. Wie helfen dir Trailfahren, Reiten oder Tennis im Skisport?
Da ich generell eine sehr sportliche Person bin und mein Leben vom Sport geprägt ist - auch abseits vom Skifahren -, ist das für mich ganz selbstverständlich. Es ist einfach ein Teil von mir. Wie schon gesagt, mache ich die ganzen Dinge, die ich abseits vom Sport machen kann und die mir extrem viel Spass machen, gern. Es ist ein Training, bei dem man seinen Körper auch kennenlernt. Ich finde, alles, was man gerne macht, macht man im Moment. Wenn ich zum Beispiel Trail fahre oder mit meinem Pferd reiten gehe, dann denke ich in dem Moment nur daran. Das hilft mir beim Abschalten. Natürlich fahre ich nicht nur zum Gletscher und denke an Skifahren, sondern nehme das Skifahren auch mit nach Hause. Wie kann ich besser werden? Was kann ich am Material verbessern? Wenn man immer daran denkt und in diesem Kreis drin ist, wird man irgendwann verrückt und verirrt sich in gewissen Momenten. Deshalb ist es für mich extrem wichtig, etwas zu tun, bei dem ich abschalten kann und in diesem Augenblick nur daran denke.
Zum Schluss noch einmal zurück nach Crans-Montana. Mit 33 gehörst du schon eher zu den älteren Fahrerinnen. Wird sich nach zweimal Bronze an der Junioren-WM der Kreis an der WM 2027 schliessen?
Puh, vielleicht auch nicht. Mal schauen.
Dann hast du dir noch keine Gedanken gemacht über die fernere Zukunft?
Für mich ist erstens wichtig, dass ich gesund bin, und zweitens, dass ich die Energie habe, um am Start zu stehen, wie ich es mir vorstelle. Nici Schmidhofer und ich stehen durch unseren Podcast natürlich in engem Kontakt. Als sie gemerkt hat, dass es nicht mehr geht, habe ich sie gefragt, wie sie erkannt hat, dass sie aufhören möchte. Sie hat zu mir gesagt: "Ich stand am Start und habe gespürt, dass ich nicht mehr dorthin gehöre." Und ich bin hundertprozentig davon überzeugt: Wenn ich am Start stehe und merke, dass ich das eigentlich nicht mehr möchte, dann ist es so weit.