Kaum sechs Wochen sind in der NFL-Saison gespielt, da hat es den ersten Head Coach erwischt: Die Tennessee Titans trennten sich von Brian Callahan nach einem enttäuschenden 1-5-Start. Der erfahrene Assistant Mike McCoy übernimmt vorerst als Interimscoach. Er soll Ruhe ins Team bringen, vor allem aber Rookie-Quarterback Cam Ward stabilisieren und seine Entwicklung vorantreiben.
Die Titans hoffen auf den sogenannten "Neustart-Effekt", doch die Geschichte zeigt: Solche Entlassungen mitten in der Saison bringen nur selten den gewünschten Turnaround.
Trainerwechsel mitten in der Saison: meist Symbol statt Lösung
Seit 2014 wurden laut Forbes insgesamt 19 NFL-Head-Coaches während der laufenden Saison entlassen. Die Bilanz ist eindeutig: Teams, die sich zu diesem Schritt entschieden, kamen vor dem Rauswurf im Schnitt auf eine Siegquote von 27,8 Prozent, danach stieg sie nur leicht auf 34,3 Prozent. Ein kurzfristiger Impuls ist also messbar - aber er reicht selten, um eine Saison wirklich zu drehen.
Oft geht es bei solchen Entscheidungen weniger um sportliche Notwendigkeit als um Psychologie: Die Franchise will zeigen, dass sie reagiert, Druck von außen abfedern und Fans wie Medien besänftigen. Nachhaltige Verbesserung bleibt dagegen meist aus.
Historische Schnellschüsse
Trainerentlassungen mitten in der Saison sind längst kein Novum. Legendär bleibt Al Davis, der 2008 den Raiders-Coach Lane Kiffin nach nur vier Spielen feuerte und die Entscheidung in einer epischen Pressekonferenz mithilfe eines Overhead-Projektors erklärte. Sein Sohn Mark Davis setzte 2014 die Familientradition fort, als er Dennis Allen ebenfalls nach vier Spielen entließ. Zehn Jahre später traf es denselben Coach erneut - diesmal bei den Saints nach Week 9.
Auch andere Teams griffen früh zur Notbremse: Die Seattle Seahawks feuerten 1982 ihren ersten Head Coach Jack Patera nach zwei Spielen während eines Spielerstreiks. Und 1978 trennten sich die Los Angeles Rams von der Legende George Allen - nach nur zwei Preseason-Spielen.
Selbst die Miami Dolphins kennen das Szenario: 2015 wurde Joe Philbin nach einer Niederlage in London entlassen. Sein Nachfolger war Tight-Ends-Coach Dan Campbell, der heute als Head Coach der Detroit Lions erfolgreich ist.
Aktuelles Beispiel: Die Titans nach Callahan
Bei den Titans liegt die Verantwortung nun bei Mike McCoy, einem erfahrenen Quarterback-Coach, der in der NFL bereits mit Spielern wie Philip Rivers, Peyton Manning und Trevor Lawrence gearbeitet hat. Seine Hauptaufgabe: Rookie Cam Ward aufbauen und in einem verunsicherten Team Stabilität schaffen.
Der Schritt erinnert an viele ähnliche Fälle der vergangenen Jahre - neue Hoffnung, frisches Gesicht, aber kaum Zeit, um strukturell etwas zu verändern. McCoy steht damit sinnbildlich für den ewigen NFL-Zyklus aus Erwartung, Druck und Enttäuschung.
Wer könnte der Nächste sein?
Ein Blick über Tennessee hinaus zeigt, dass die Luft für einige Head Coaches dünner wird - allen voran in Miami. Mike McDaniel galt einst als Offensiv-Guru und Architekt einer der spektakulärsten Angriffsreihen der Liga. Doch nach dem schwachen 1-5-Start der Dolphins wächst der Druck.
Verlieren die Dolphins weiter, könnten auch in Südflorida Stimmen laut werden, die einen Neuanfang fordern. McDaniel steht exemplarisch für die Schnelllebigkeit der NFL, in der ein Trainer binnen weniger Wochen vom Hoffnungsträger zum Wackelkandidaten werden kann.
Geduld ist selten - aber oft klüger
Ein Trainerwechsel mitten in der Saison mag kurzfristig Energie freisetzen, doch die Statistik spricht dagegen, dass er langfristig Erfolg bringt. Für Teams wie die Titans oder Dolphins bleibt die Frage: Reicht ein neuer Mann an der Seitenlinie, um Probleme zu lösen, die tiefer liegen?
Oft lautet die ehrliche Antwort: Nein. Doch in einer Liga, die Woche für Woche unter Hochdruck steht, ist Geduld ein Luxus, den sich nur wenige leisten.