Als der kicker am Montagabend den bevorstehenden Wechsel von Pirmin Schwegler von Eintracht Frankfurt zum VfL Wolfsburg vermeldete, war dies für die meisten in der Fußball-Branche eine große Überraschung. Viele Namen waren in den zurückliegenden Wochen seit der Entlassung von Sportdirektor Sebastian Schindzielorz gehandelt worden, der des Schweizers gehörte nicht dazu. Michael Reschke (68), der frühere Manager von Bayer Leverkusen, Bayern München, dem VfB Stuttgart und Schalke 04, war indes nicht überrascht. Er war eingeweiht in die Pläne und hielt die Idee des VfL Wolfsburg "von Beginn an für ganz hervorragend".
Reschke kennt Schwegler schon seit mehr als 20 Jahren. Er erinnert sich noch genau, wie er als Bayer-Chefscout einst in die Schweiz reiste, um den damals 15-Jährigen in Diensten des FC Luzern erstmals unter die Lupe zu nehmen - in einem Spiel gegen die Profis des FC Basel. "Dem Mario Cantaluppi", erzählt Reschke, "hat er damals richtig auf die Hölzer gehauen. Das war beeindruckend."
Reschke holte den jungen Schwegler später nach Leverkusen, von dort ging es weiter nach Frankfurt, Hoffenheim, Hannover. "Er war nie der alles überragende Bundesligaspieler, aber ein absoluter Charakterspieler. Eine Führungsfigur." Nach außen eher zurückhaltend, nach innen auf jeder Station von besonderer Bedeutung. Und einer, der sich zu wehren wusste. "Der Junge mit dem braven Gesicht", sagt Reschke lachend, "konnte treten wie ein Kesselflicker." Im positiven Sinn natürlich. 58 Gelbe Karten und eine Ampelkarte gab es in 262 Bundesligaspielen.
Führen will und kann Schwegler nun auch in neuer Rolle. Mit dem VfL Wolfsburg kam jetzt ein Klub, der ihm eine bedeutsame Position in der sportlichen Führung anbot. Die Einigung wurde schnell erzielt, rund um das Wolfsburger Spiel am 30. November bei der Eintracht (1:1) kamen die VfL-Verantwortlichen um die Aufsichtsräte Sebastian Rudolph und Diego Benaglio sowie Geschäftsführer Peter Christiansen mit dem Frankfurter Leiter Profifußball zusammen und verständigten sich mit ihm auf eine Zusammenarbeit.
Wolfsburg zahlt 250.000 Euro an Frankfurt
Auch die Verhandlungen mit den Entscheidungsträgern der Eintracht liefen bemerkenswert geräuschlos. Nach kicker-Informationen zahlt der VfL eine Ablöse in Höhe von 250.000 Euro, in den nächsten Tagen soll der Wechsel Schweglers offiziell werden.
"Ich bin nicht ganz objektiv", sagt Ex-Manager Reschke, der Schwegler vom ersten Tag an ins Herz geschlossen hat, "aber ich kann dem VfL Wolfsburg zu dieser Entscheidung nur gratulieren. Pirmin will selber gestalten und verantworten, ich bin mir sicher, dass er auch in dieser Position seinen Weg gehen wird."
Eine Anekdote, die den künftigen Wolfsburger Sportdirektor bestens charakterisiere, fällt Reschke auch noch ein. Zum Abschluss seiner Karriere war der Schweizer 2019 nach Australien zu Western Sydney gegangen. Die Saison musste wegen der Corona-Pandemie unterbrochen werden, für die restlichen Spiele nach Wiederaufnahme der Spielzeit sei Schwegler als einziger ausländischer Spieler zurückgekehrt. "Mit dem Wissen, dass er zwei Wochen lang in Quarantäne musste." Der Mittelfeldmann richtete sich in einem winzigen Hotelzimmer ein, "dort absolvierte er jeden Tag seine Joggingrunde, von der einen Wand zur anderen. Aber er wollte einen sauberen Abschluss."
Kann Schwegler die Ellbogen ausfahren?
Nun steht sein Start in Wolfsburg bevor. Künftig soll Schwegler den VfL wieder flottmachen. Kann der 38-Jährige, dem nicht nur Reschke "einen fantastischen Charakter" attestiert, auch die Ellbogen ausfahren? "Das", sagt Reschke, "habe ich schon gesehen, als er noch 15 war. Er weiß, wie er seinen Willen durchsetzt."