Der Abgang von Manuel Ortlechner kam am Dienstag zwar plötzlich. Dass es für den seit viereinhalb Jahren als Austria-Sportdirektor tätigen Ex-Kapitän nach dem Rücktritt von Sportvorstand Jürgen Werner auf Perspektive eng werden würde, war aber klar. Insofern ist es letztlich doch keine große Überraschung, dass es nicht mehr Ortlechner ist, der das neue vom Verein entworfene Strategiepapier im sportlichen Bereich umsetzen soll. Michael Wagner, ebenfalls ehemaliger Kapitän der Veilchen, soll als Neo-Sportdirektor den Kurs in die Zukunft einschlagen. In seiner bisherigen Funktion als Verwaltungsrat arbeitete der frühere Mittelfeldregisseur aktiv an der neuen strategischen Ausrichtung mit.
Unter der Gesamtverantwortung und Leitung von Finanzvorstand Harald Zagiczek wurden - auch unter Miteinbeziehung aller sportlichen Verantwortlichen im Verein - die künftig für alle Entscheidungsträger verbindlichen Richtlinien und Rahmenbedingungen erarbeitet. Dieses Papier soll in den nächsten Tagen öffentlich präsentiert werden. In Sport und Vermarktung soll es damit künftig eine klare und streng verbindliche Linie geben. "Damit in Zukunft alle im Klub gemeinsam in dieselbe Richtung denken und arbeiten", wird Zagiczek in der Vereinsmitteilung vom Dienstagnachmittag zitiert.
Neue Erfolgsparameter statt "Oldies"-Truppen
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, möchte man meinen. Angesichts der letzten Monate und Jahre mit internen Querelen, wirtschaftlichen Kursabweichungen, kolportierten Budgetüberschreitungen im Kader und ohne klaren Zukunftsweg, kann von Selbstverständlichkeit aber keine Rede sein. Der Auftrag an Wagner ist klar: Start- oder Teamformationen mit einem Durchschnittsalter von knapp 30 Jahren wie am Wochenende beim 2:1 gegen den GAK sollen so schnell wie möglich Vergangenheit sein.
In Anlehnung an Klub-Vorbilder in Skandinavien oder Belgien müsste es doch auch in Wien-Favoriten möglich sein, talentierte Eigenbauspieler aus der vereinsinternen Akademie effektiver über die Amateure an die Profis heranzubringen und auch dort besser zu fördern, vor allem mit mehr Geduld und Vertrauen auszustatten als bisher. Das meinen jedenfalls auch die violetten Vereinsverantwortlichen, die mit dem neuen strategischen Rahmen genau diese Durchlässigkeit in den Profibereich und eine ausgewogenere Kaderstruktur erreichen wollen - mit einer gesunden Mischung aus "Eigengewächsen, Benchmark-Spielern und Ankerspielern", wie es auch Zagiczek am Dienstag formuliert.
Unter der Führung von Werner gab es innerhalb des Klubs immer wieder völlig konträre Auffassungen, wie der Weg der Austria aus der wirtschaftlichen Krise aussehen sollte. Man kaufte zahlreiche ausländische Spieler - und das mit sehr unterschiedlichem Erfolg. Auch wenn der eine oder andere Legionär ohne offizielle Ablösesumme kam, spielte niemand im routinierten Austria-Kader für Heidelbeeren, wie man auf Wienerisch zu sagen pflegt. Die finanzielle Situation entspannte sich nicht, die angestrebte nachhaltige Verjüngung der Mannschaft mit Austria-Talenten passierte nicht und dringend benötigte Monetarisierungen auf dem Transfermarkt fielen - wenn überhaupt - eher unspektakulär aus.
Wagners Spagat wird nicht leicht
In Zukunft soll laut Zagiczek durch das neue Strategiepapier für alle klar sein, wie sportlicher Erfolg bei der Austria in mittel- und langfristiger Zukunft gemessen werden soll und mit welchen Merkmalen man sich auszeichnen will. Ortlechner stand für die Linie von Werner, arbeitete er doch jahrelang unter dem auch bei den Fans höchst umstrittenen Ex-Sportvorstand, der nach wie vor als wesentlicher Investor bei der Austria an Bord ist. Wagner wird als Ortlechners Nachfolger losgeschickt, um neue Wege zu beschreiten. Obwohl der 49-Jährige im Profibereich keine Erfahrungen als Sportdirektor vorzuweisen hat, genießt der Niederösterreicher im Verein und bei den Fans einen ausgezeichneten Ruf. Außerdem ist Wagner erfolgreicher Unternehmer und wirtschaftlich versiert.
Leicht wird es auch er nicht haben, den bei der Austria aktuell erforderlichen Spagat unfallfrei hinzukriegen - zwischen wirtschaftlichen Möglichkeiten und sportlichen Erwartungen. Klar ist aber, dass finanzielles Kalkulieren mit eventuellen Conference-League-Gruppenphasen nach entsprechenden Spielereinkäufen in Südkorea oder Australien in Zukunft nicht die Linie sein kann. Aktuelle oder künftige Trainer müssen die Rückendeckung genießen und die Gewissheit haben, dass sie auch, aber nicht nur an der Platzierung in der Bundesliga-Tabelle gemessen werden. Aus der Not sind in der Vergangenheit auch schon bei der Austria gute Dinge entstanden. Es wird auch an Michael Wagner liegen, den neuen Weg gegenüber Fans und Medien klar zu vertreten.