Eine Stunde und 18 Minuten lang stand Florentino Perez vor dem Mikrofon. Auf der Jahreshauptversammlung von Real Madrid hielt der Präsident von Real Madrid am Sonntagmorgen eine Mammut-Rede - in der es aber nur selten um den eigenen Verein ging. Stattdessen teilte Perez munter gegen seine Gegenspieler aus. Fast jede Institution, mit der sich der 78-Jährige in den vergangenen Jahren angelegt hatte, bekam dabei ihr Fett weg.
So ging Perez unter anderem den Dauer-Rivalen FC Barcelona verbal an und brachte den Korruptionsverdacht gegen die Katalanen im Zuge der Negreira-Affäre auf. Der ehemalige Vizepräsident des spanischen Schiedsrichter-Ausschusses, José Maria Enriquez Negreira, soll zwischen 2001 und 2018 über sieben Millionen Euro an Zahlungen vom FC Barcelona erhalten haben, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an.
Dieser Vorgang sei "nicht normal", wetterte Perez. "Er hatte Schlüsselpositionen im System inne und hat über Beförderungen und Degradierungen von Schiedsrichtern entschieden." Der Zeitraum, in dem die Zahlungen aus Barcelona flossen, falle "zufällig mit den besten sportlichen Ergebnissen des FC Barcelona zusammen", findet Perez und wirft dem katalanischen Konkurrenten damit indirekt Manipulation vor.
Als Beleg dafür sieht er die Platzverweise gegen die Katalanen und gegen das eigene Team seit 2000. Real habe 126 Rote Karten gesehen, die jeweiligen Gegner 124. Barcelona hingegen habe ein "Saldo" von +61 (108 eigene Platzverweise, 169 für die Gegner). "Die Zahlen sprechen für sich", findet Perez. "Halten Sie es für normal, dass manche Real-Spieler mehr Europapokale als Meistertitel haben?" Die klare Message dahinter: Real hätte mehr nationale Meistertitel gewinnen müssen, die Schiedsrichter aber hätten Barcelona zu deren Trophäen verholfen.
„Er korrumpiert die Liga.“ (Florentino Perez über Javier Tebas)
Auch abgesehen von der Negreira-Affäre setzte Perez seine Fehde gegen das spanische Schiedsrichterwesen in seiner Rede fort. Ricardo de Burgos Bengoetxea, der Schiedsrichter, der vor dem Finale der Copa del Rey Ende April wegen des Drucks, den Real auf ihn ausgeübt habe, auf einer Pressekonferenz in Tränen ausgebrochen war, "hätte suspendiert werden müssen", wetterte Perez. "Und es geschah nichts." Das Niveau der spanischen Schiedsrichter bezeichnete Perez als "inakzeptabel". Es sei darüber hinaus "eine Schande", dass die FIFA einen spanischen Referee für die zurückliegende Klub-Weltmeisterschaft nominiert hatte.
Auch der spanische Ligaverband musste heftige Kritik einstecken - hauptsächlich wegen des letztlich gescheiterten Vorhabens, das Ligaspiel zwischen dem FC Barcelona und dem FC Villarreal in den USA auszutragen. "Er korrumpiert die Liga", sagte Perez über Liga-Präsident Javier Tebas. Der Umgang mit den Protesten von Spielern und Fans sei "eine beschämende Zensur", so Perez. "Sie halten die Fans für dumm. Sie haben den Verstand verloren." Ein solches Verhalten solle "zur Entlassung des Präsidenten führen".
Wegen Unify League: Real hat Klage eingereicht
In Spanien dürfte die Rede noch große Wellen schlagen. Aber auch die UEFA darf sich wohl auf regen Austausch mit Real Madrid freuen. "Sie verkaufen uns für dumm", sagte Perez über den europäischen Verband, der hart gegen Reals Vorhaben einer Super League (mittlerweile in Unify League umbenannt) vorgeht. Man habe Klage gegen die UEFA eingereicht und will am grünen Tisch das Recht erstreiten, den Wettbewerb künftig auszutragen. "Es ist nicht normal und nicht legal, die Vereine daran zu hindern, ihre eigenen Turniere zu organisieren."
Den jubelnden Delegierten im Saal versprach er, man werde die Unify League umsetzen."Wir haben das Recht auf Schadenersatz in Höhe von mehreren Milliarden Euro und wir haben das Recht, unseren eigenen Wettbewerb zu veranstalten", sagte er mit Blick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Dezember 2023. "Und ich versichere Ihnen, dass wir beides durchsetzen werden."