Als Dr. Peter Görlich in der Medienrunde nach der Mitgliederversammlung von Hertha BSC am vergangenen Samstag auf den Kader und die Möglichkeiten zu sprechen kam, landete er ziemlich zügig auf der Linksverteidiger-Position. "Wir müssen eine Spielerverfügbarkeit herstellen, um dem Trainer Möglichkeiten zu geben, entsprechend zu agieren und vielleicht auch etwas Überraschendes zu machen", sagte Herthas Geschäftsführer. "Wer hätte Niklas Kolbe in Lautern auf der Position gesehen? Und er hat es sehr, sehr ordentlich gemacht."
Das hat Kolbe wirklich, vielleicht hat er es beim 1:0-Sieg auf dem Betzenberg sogar ein bisschen besser als sehr, sehr ordentlich gemacht. Aber eine Garantie, dass der Sommer-Neuzugang auch gegen Eintracht Braunschweig am Freitagabend ein Startelf-Mandat erhält, leitet sich daraus nicht ab.
"Die Qualität im Training ist eine andere als noch vor Monaten"
Die Rückkehr etlicher verletzter Profis versetzt Stefan Leitl in eine ungewohnte, beinahe luxuriöse Situation: Er kann fast aus dem Vollen schöpfen. "Wir sind froh im Trainerteam, dass uns nahezu alle Spieler zur Verfügung stehen", sagt der Berliner Coach. "Die Qualität im Training ist eine ganz andere als noch vor ein paar Monaten. Der Leistungsgedanke ist nochmal deutlich in den Vordergrund gerückt. Jeder muss um seinen Platz im Kader kämpfen."
Vor allem in der Viererabwehrkette, wo in Kürze auch der seit Juli ausgefallene Innenverteidiger Pascal Klemens (Sprunggelenk) zu einer Option wird, tobt der Konkurrenzkampf. Er wurde zusätzlich dadurch angeheizt, dass Leitl im Verlauf der Hinrunde zwei gelernte Innenverteidiger - erst Linus Gechter auf rechts, dann Kolbe auf links - mit Erfolg in den Außendienst beordert hat. U-21-Nationalspieler Gechter, der in Kaiserslautern wegen einer Oberschenkelblessur nicht dienstfähig war, steht wieder parat. Allrounder Michal Karbownik, der ihn gegen den FCK auf rechts solide vertrat, wird damit auch wieder auf der linken Defensivposition zu einem Thema.
Kolbe, Karbownik, Zeefuik: Jeder hat ein anderes Profil
"Kolbe, Zeefuik, Karbownik - einer von den Dreien" werde links spielen, sagt Leitl. Das Trio weist höchst unterschiedliche Profile auf. 1,96-Meter-Mann Kolbe bringt Physis, Geschwindigkeit und Abgeklärtheit auch in Drucksituationen mit - und ist eine zusätzliche Waffe bei Standards. Der quirlige, technisch beschlagene Karbownik, der um eine Vertragsverlängerung kämpft, kann als Balltreiber Situationen dynamisch auflösen und hat sich in den vergangenen Wochen auch im Defensivzweikampf gesteigert. Deyovaisio Zeefuik, der nach mehr als vier Wochen Pause wegen einer Sprunggelenk- und Syndesmoseverletzung in Kaiserslautern in der Schlussphase sein Comeback gab, ist ein robuster, aggressiver Zweikämpfer, der mit seiner Art den Gegner permanent stresst und das eigene Team pusht.
Ganz der Alte ist er aktuell nach Leitls Einschätzung indes noch nicht. "Ich bin sehr glücklich, dass Deyo hier ist", erklärt der Coach. "Aber man merkt schon, dass er lange Zeit gefehlt hat. Da geht es nicht nur um die letzte Verletzungsphase, sondern er hat auch in der Vorbereitung kaum mittrainiert. Das sind Themen, die er noch mit sich trägt. Wir werden noch die eine oder andere Woche brauchen, bis Deyo bei 100 Prozent ist." Das Gute ist: Es gab Zeiten, da hätte Leitl Zeefuik am liebsten geklont, um ihn gleichzeitig auf der Rechts- und der Linksverteidigerposition zu haben. Jetzt hat der Trainer auf beiden Seiten taugliche Alternativen - und kann dem Niederländer die nötige Zeit geben, um wieder komplett in den Rhythmus zu kommen.