Es ist ein frühlingshafter Donnerstagabend am 14. April 2022. Eintracht Frankfurt hat in der Fußballbastion Camp Nou dem großen Favoriten FC Barcelona eine Halbzeit lang die Grenzen aufgezeigt. Erst sorgte ein souverän verwandelter Elfmeter von Filip Kostic in der vierten Spielminute für einen katalanischen Kaltstart, kurz vor dem Halbzeitpfiff nahm sich dann Rafael Santos Borré ein Herz und baute die Führung per Distanzschuss weiter aus. Am Ende erreicht die Eintracht mit einem 3:2-Auswärts- und einem 4:3-Gesamtsieg nach Hin- und Rückspiel das Europa-League-Halbfinale und entscheidet den Wettbewerb schlussendlich im Finale gegen die Glasgow Rangers sensationell für sich.
Deutsche Vereine als chronischer Stolperstein
Die Eintracht hatte das größte Fußballstadion Europas erobert. Noch viel mehr taten sie das aber daneben. Von Minute eins an machten rund 25.000 mitgereiste Fans das Wohnzimmer des spanischen Spitzenklubs zu ihrem eigenen - ganz zum Unmut der Anhänger des FC Barcelona. Aus Protest verließen die heimischen Ultras in der Anfangsphase des zweiten Durchgangs ihre Plätze. Die Wut der Fans auf die Vereinsführung, die diese atmosphärische Dissonanz überhaupt erst zugelassen hatte, war groß. Obwohl vor dem Spiel nur 5000 Tickets für Gästefans angeboten worden waren, schafften es zehntausende Leute, über Umwege und auffällig leicht zugängliche Kanäle an eine Karte zu kommen. Durch dieses organisatorische Versäumnis zog Barca-Präsident Laporta den Zorn der Anhänger auf sich und geriet ins Kreuzfeuer der Kritik.
Die Beziehung zwischen Fans und Vereinsführung war durch die prekäre wirtschaftliche Situation, die Trennung von Vereinsikone Lionel Messi und etliche Transferflops ohnehin schon angespannt. In dieser Saison lief es in Barcelona auch sportlich nicht. Genau sieben Monate vor der Blamage gegen Frankfurt hatte Barca in der Gruppenphase der Champions League im Camp Nou eine empfindliche Niederlage gegen einen deutschen Verein kassiert. Das 0:3 gegen Bayern München war der Anfang vom Ende der desaströsen CL-Kampagne, die im erstmaligen Abstieg in die Europa League gipfelte. Dort folgte das 2:3 gegen die Eintracht. Im Oktober 2022 setzte es das nächste 0:3 gegen Bayern und das nächste Champions-League-Aus.
Die deutschen Teams fanden damals eine vergleichsweise dankbare Phase vor, um den einst unüberwindbaren Härtetest im Camp Nou zu überstehen. Ein solcher Negativlauf auf heimischem Rasen war Barca im Europapokal zuvor nur einmal gegen eine andere Nation passiert. Zwischen den Saisons 1964/65 und 1970/71 musste man sich im Messepokal, der heutigen Europa League, dreimal in Serie vor heimischem Publikum gegen ein Team aus Italien geschlagen geben. Das allein ist bereits eine Niederlage mehr, als Barcelona in 88 Europacup-Heimspielen gegen englische Mannschaften hinnehmen musste. Unter den Top-Nationen führt Deutschland diese Wertung unangefochten an: Gleich neunmal enterten Bundesligaklubs das Camp Nou. Italien folgt mit sechs Auswärtssiegen vor Frankreich und Spanien (je 4).
Neuer Aufwind im Exil
Nach Jahren des Wiederaufbaus und sportlichen Achterbahnfahrten ging es bei den Katalanen zuletzt unter Hansi Flick wieder bergauf, auch international. Nach zwei spektakulären Spielen gegen Inter Mailand (3:3 und 3:4 n. V.) war 2024/25 erst im Champions-League-Halbfinale Endstation. Auf dem Weg dorthin bezwangen sie auch zwei deutsche Teams - zuhause sogar.
In der neu gegründeten Ligaphase hieß der Gegner wie so oft in der jüngeren Vergangenheit Bayern München, später sollte im Viertelfinale noch Borussia Dortmund folgen. In beiden Fällen hieß der Spielort aber nicht Camp Nou, sondern Estadi Olimpic Lluis Companys. Dorthin musste Barca während des Camp-Nou-Umbaus ausweichen. Ein unfreiwilliger Tapetenwechsel zur richtigen Zeit?Barcelona entschied jedenfalls nicht nur beide Spiele gegen die Bundesligisten für sich, sondern tat dies auch noch in unwiderstehlicher Manier. Ein Dreierpack von Raphinha und eine fast auf Höhe der Mittellinie positionierte Verteidigungskette ebneten den Weg zu einem dominanten 4:1-Erfolg gegen den FC Bayern. Gegen Dortmund sorgte die Flick-Elf mit einem 4:0 im Hinspiel bereits für klare Verhältnisse.
Neues Camp Nou als Chance auf Wiedergutmachung
Insgesamt traf Barca bislang international 73-mal auf deutsche Teams und gewann 37-mal, bei 13 Remis und 23 Niederlagen. Unter den Nationen außerhalb Spaniens, gegen die Barcelona im Europapokal mindestens zehnmal antrat, hat man nur gegen Schottland (1,59) und Frankreich (1,66) einen schwächeren Punkteschnitt als gegen Deutschland (1,67). Italien (1,71) und England (1,73) liegen knapp dahinter. Gegen Vereine aus dem eigenen Land hat man die in dieser Hinsicht mit Abstand schwächste Bilanz vorzuweisen (1,21).
Bei den 73 Dellen gegen deutsche Teams hieß der Gegner am häufigsten FC Bayern. Von den bisherigen 16 Europapokal-Partien gegen den deutschen Rekordmeister gewann Barca aber nur drei und verlor elfmal. Leverkusen (10 Duelle), der Hamburger SV (6) und der BVB (5), auf die Barca auch schon oft traf, haben dagegen keine positive Bilanz.
Die hat neben Bayern nur die Frankfurter, für die die denkwürdigen Europapokalnächte 2021/22 die bis dato einzigen beiden Spiele gegen den spanischen Giganten waren. Am Dienstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) ist die SGE in ihrem dritten Aufeinandertreffen ein ganz besonderer Gast. Bei der europäischen Einweihung des Camp Nou dürfte Barca auf Revanche sinnen.