Eine Kolumne von Lea Rostek
Während in Berlin am 1. Dezember die Medienmitarbeiter der Füchse auf sämtlichen Kanälen den Upload-Button für die Transferverkündung von Simon Pytlick drücken, stecken im Kongresszentrum in Dortmund gleichzeitig die Sportlichen Leiter und leitenden Trainer der Nachwuchsleistungszentren (NLZs) der Klubs der HBL und 2. HBL die Köpfe zusammen und diskutieren, wie mehr Talente dauerhaft den zu den Profis schaffen können. Starspieler kaufen vs. Talenten eine Chance geben - eine Frage der Philosophie.
Spätestens ab Sommer 2027 bilden Pytlick, dänischer Olympiasieger und Weltmeister, und sein Landsmann Mathias Gidsel, zweifacher Welthandballer, ein Rückraum-Duo, das jedes Topteam Europas neidisch macht. Vielleicht stößt mit dem französischen Medaillensammler Dika Mem sogar ein dritter Weltklasse-Handballer hinzu. Wie passt das zu der Berliner Philosophie, auch eigene Talente groß zu machen? Ich habe nachgefragt.
Real Madrid des Handballs?
Das Real Madrid des Handballs werden - Das ist keinesfalls das Ziel der Füchse, erklärt Berlins Trainer und Sportvorstand Nicolej Krickau. Der deutsche Hauptstadtklub gewinnt weltweit an Ansehen und weckt das Interesse der großen Stars, ja. Aber die Meistermannschaft mit acht Ex-Jungfüchsen ist der Beweis, dass sich Erfolg und die Förderung eigener Talente nicht ausschließen müssen. Jüngstes Beispiel: Der 21-jährige Lauro Pichiri, Kapitän der zweiten Mannschaft, hat gerade seinen ersten Profivertrag unterschrieben.
Wie beeinflusst es aber das Mannschaftsgefüge und vor allem junge Spieler, wenn ihnen Stars "vor die Nase" gesetzt werden? Warum das ein Nachteil sei, stellte der Füchse-Trainer die Nachfrage und führte aus: „Etablierte Spieler sind das Beste für junge Talente, weil sie von ihnen auf andere Art und Weise, bezogen auf Details, lernen können - viel mehr als von uns Trainern.“ Deshalb ist für ihn bei jeder Verpflichtung vongestandenen Profis entscheidend: Ist er bereit, Zeit in die Jungen zu investieren?
Denn für ein funktionierendes Mannschaftsgefüge müssen gestandenen Profis bereit dazu sein, die Jungen zu integrieren und Sicherheit zu geben, zu zeigen: ihr seid willkommen. Ihre Unterstützung endet für den Dänen nicht mit einem guten Rat, viel mehr erwartet er die Tat - zum Beispiel, sich nach dem Training 20 Minuten Zeit zu nehmen, um mit einem jungen Spieler an seinem Sprungwurf zu arbeiten. Nicht nur, um mit der Mannschaft sportlich erfolgreich zu sein, sondern auch, um die individuelle Entwicklung der "neuen Generation" zu fördern.
Kreislauf der Talententwicklung
So erhofft sich Krickau einen Kreislauf, den er am Beispiel der U-21 Weltmeister von 2023, Nils Lichtlein und Matthes Langhoff erklärt: „Dann sind Lichtlein und Langhoff hoffentlich irgendwann bereit die nächsten Vorbilder zu sein, wenn wieder junge Spieler kommen. Mit dem Mindset: Gidsel hat mir so geholfen, jetzt möchte ich den Jungen helfen.“ Wie verändert sich ihre Entwicklung wohl, wenn sie neben Gidsel bald auch von Pytlick und vielleicht ja sogar von Mem lernen können?
Doch stellt sich auch die Frage: Wie viele Star-Spieler sind zu viel, sind hemmend für die Ausbildung von Talenten? Klar ist: Allein ein tägliches Training mit absoluten Weltstars stellt einen großen Mehrwert da - beobachten zu können, wie sie im Wettbewerb professionell agieren, prägt die menschliche Reifung. Aber Fakt ist auch: Um zu reifen, wird Spielzeit benötigt. Was bringt das Gelernte, wenn es nicht angewendet werden kann? Im Kongresszentrum in Dortmund erklärte ein Nachwuchstrainer, dass Talente von Verletzungen der Stars profitieren. Einsatzminuten sollten aber nicht nur über diesen Weg möglich sein. Am Ende zählt jedoch der sportliche Erfolg der Profimannschaften, wie das Plenum feststellte. Dass die Etablierten immer Vorrang haben, eine logische Konsequenz. Und die eigenen Talente täglich von Spitzenhandballern lernen zu lassen, ist für viele Sportlicher Leiter von NLZs eine Traumvorstellung.
Wenn Stars neue Vorbilder formen, macht das langfristig nicht nur die Vereine selbst erfolgreicher, sondern Deutschland als Handball-Land attraktiver - eine Stärkung der Liga. Und ganz nebenbei eröffnet es uns bei Dyn neue Möglichkeiten des Storytellings, um die Menschen für Handball zu begeistern.
Über die Autorin
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