Man hat sich Zeit gelassen auf Degerlochs Höhen nach dem letzten Spiel des Jahres. Am 5. Dezember konnten die Stuttgarter Kickers mit einem 4:2-Auswärtssieg bei Eintracht Trier einen Negativlauf von drei Niederlagen in Folge stoppen und mit einem positiven Gefühl in die Winterpause gehen - trotz Tabellenplatz neun und zwölf Punkten Rückstand auf Tabellenführer SGV Freiberg. Aber auch aufgrund dieser Zahlen wurde anschließend unter dem Fernsehturm der baden-württembergischen Landeshauptstadt viel gesprochen: die sportlich Verantwortlichen untereinander, Trainer Marco Wildersinn mit der Mannschaft, Sport-Geschäftsführer Lutz Siebrecht mit Wildersinn und den Spielern, sowie zum Abschluss nochmal Präsident Rainer Lorz mit dem Coach.
Gut drei Wochen nach dem sportlichen Jahresabschluss verkünden die Kickers jetzt das Ergebnis der ausführlichen Analysen, die keine personellen Konsequenzen nach sich ziehen. "Wir waren alle mit den vergangenen sechs Monaten nicht zufrieden und wollen für die restlichen Spiele an verschiedenen Stellschrauben drehen. Wir sind alle der Meinung, dass wir mit den vorhandenen Ressourcen und den Verantwortlichen mehr herausholen können", wird Lorz in einer Mitteilung des Vereins zitiert. Damit kommen die Stuttgarter Kickers zum gleichen Resultat wie die Namensvetter aus Offenbach, die als Tabellenzwölfter noch mehr den eigenen Ansprüchen hinterherlaufen, aber bereits wenige Tage nach dem letzten Spiel mitteilten, weiter an Trainer Kristjan Glibo festzuhalten.
"Gesunde und seriöse Basis"
In Stuttgart habe man sich die Entscheidung nicht leicht gemacht und die Situation von allen Seiten beleuchtet, meint der Präsident. Doch das Vertrauen in Wildersinn ist weiterhin vorhanden. Zu klar war die Ausrichtung vor der Saison mit Blick auf Umbruch und Verjüngung im Kader, die Lorz auf der Mitgliederversammlung Ende November und auch jetzt im Zuge der Analyse nochmal unterstrich: "Natürlich wollen wir uns in der Tabelle verbessern, aber wir wollen in dieser Saison insbesondere eine gesunde und seriöse fußballerische und geschäftliche Basis aufbauen, von der wir dann angreifen können. Dabei spielt die weitere Förderung der Jugend eine elementare Rolle."
Dazu hat man mit Wildersinn, der beim Karlsruher SC und der TSG Hoffenheim insgesamt zehn Jahre im Nachwuchs- und Übergangsbereich tätig war, eigentlich einen passenden Mann. Mit Leon Neaime, Mario Borac, Nevio Schembri und Oskar Hencke bekommen gleich vier Eigengewächse regelmäßig Spielzeit, sind teilweise Stammspieler. Dazu kommen Jacob Danquah (20), der in der Vergangenheit zwei Jahre in der Kickers-Jugend verbracht hat, sowie die beiden jungen Mittelstürmer Marlon Faß (19) und Samuel Unsöld (20), denen aber in großen Teilen die Torgefahr bisher abgeht.
Vielversprechender Auftakt
Trotz des Umbruchs verlief der Auftakt mit drei ungeschlagenen Spielen und 13 Punkten nach sieben Spielen vielversprechend. Als Tabellenvierter war man oben dran, doch auf Strecke fehlten den Blauen in der bisherigen Saison zu häufig Konstanz und Durchschlagskraft. Besonders vier 0:3-Auswärtspleiten schlugen heftig ins Kontor. Dadurch fällt beinahe durchs Raster, dass die Mannschaft in der Hälfte der 20 Spiele maximal ein Gegentor kassierte, fünfmal die weiße Weste hielt. Und das mit einer Viererkette, die im Schnitt gerade einmal 21,25 Jahre alt ist.
Dazu kommt, dass mit Torwart Felix Dornebusch und Flügelflitzer Christian Mauersberger, die beide Drittliga-Erfahrung aufweisen, sowie David Stojak, der nach starker Vorbereitung durchaus als Stürmer Nummer eins eingeplant war, drei potenzielle Leistungsträger verletzt komplett ausgefallen sind. Während es bei Stojak nach seinem Kreuzbandriss vor Saisonbeginn noch dauert, dürften Dornebusch und Mauersberger, der zumindest schon ein paar Kurzeinsätze absolvieren konnte, zum Auftakt der Winter-Vorbereitung am 14. Januar wieder voll dabei sein.
Nicht nur deshalb blickt auch Sport-Geschäftsführer Siebrecht ohne Trainerwechsel positiv auf die restliche Saison: "Ich bin nach den Gesprächen optimistisch, dass wir in den verbleibenden Spielen eine Kickers-Mannschaft sehen werden, die mit einfachem klaren Spielsystem und intensivem Spiel gegen den Ball uns allen Spaß und Freude bereiten wird."
Vertrag läuft aus
Wenn das gelingt, dürften mit ansprechenden Leistungen und guten Ergebnissen auch die Chancen für Wildersinn steigen, dass sein im Sommer auslaufender Vertrag verlängert wird. Gelingt das nicht, führt die nächste Analyse der sportlich Verantwortlichen vermutlich zu einem anderen Ergebnis als jetzt.
Denn die Ziele beim Traditionsverein bleiben ambitioniert. "Wir wollen auf Dauer in die dritte Liga. Aber eben nicht als Sternschnuppe, sondern als stabiler Verein und mit Amtsträgern, die sich ihrer Verantwortung für den Verein bewusst sind", sagt Lorz.