Am 28. Dezember treffen die Tennisstars Aryna Sabalenka und Nick Kyrgios im "Battle of the Sexes" in Dubai zum Duell "Frau gegen Mann" aufeinander. Einst prägte die zwölfmalige Grand-Slam-Siegerin Billie Jean King dieses Duell, als sie 1973 gegen den 25 Jahre älteren Wimbledon-Sieger Bobby Riggs gewann und damit als erste Frau ein solches Duell für sich entscheiden konnte. Fast zeitgleich gründete sie damals die WTA, setzte sich damit für professionelle Strukturen im Frauentennis ein und wurde so zu einer Ikone des Sports. Kürzlich gab die WTA bekannt, mit Mercedes-Benz eine der lukrativsten Partnerschaften der Tennis-Geschichte langfristig einzugehen.
Aus diesem Anlass reiste die Gründerin höchstpersönlich aus den USA an und nahm sich im Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart zusammen mit der ehemaligen deutschen Spitzenspielerin Andrea Petkovic, die heute u. a. als TV-Expertin arbeitet, Zeit für ein Generationengespräch über die Entwicklung des Frauentennis und den ewigen Geschlechterkampf auf dem Tennisplatz.
Frau King, Frau Petkovic, kennen Sie sich eigentlich persönlich?
Petkovic: Ja - und ich habe sogar eine sehr enge Verbindung zu Billie Jean - ohne, dass sie es weiß. Ich habe ihre beiden Bücher gelesen und war immer eine der wenigen Spielerinnen, die über die Geschichte der WTA gesprochen hat: Denn ohne Billie Jean wären wir (Ex-)Tennisspielerinnen nicht da, wo wir heute sind. Was mir zudem sehr imponiert: Sie war als Sportlerin gleichzeitig auch politische Aktivistin und Entrepreneurin zugleich - und damit eine Pionierin des Sports.
King: Danke, Andrea. Ich höre dich des Öfteren als TV-Expertin im Fernsehen - und du machst das echt gut! Früher habe ich dich auch oft spielen sehen. Du warst auf dem Court immer sehr fokussiert und hast mit einer großen Intensität gespielt, das hat mir gefallen.
Petkovic: Ich war vielleicht nicht die talentierteste Spielerin meiner Zeit, aber ich konnte mich extrem gut und über eine lange Zeit fokussieren. Das war meine Stärke.
King: Genau diese mentale Stärke macht den Unterschied. Da haben wir etwas gemeinsam, Andrea: Das habe ich früh gelernt und verinnerlicht. Diese mentale Stärke war später auch die Grundlage für meine sportlichen Erfolge. Dabei kam ich ja eher zufällig zum Tennis …
Wie denn?
King: Eine Schulfreundin fragte mich, ob ich mit zum Tennisspielen kommen möchte. Da antwortete ich: Tennis? Was ist das? Es hieß dann, dass ich nur rennen, springen und einen Ball treffen muss. Da dachte ich: Ja, das schaffe ich. Ich habe es auch mit Fußball versucht, aber da hat mir die Arbeit mit den Händen gefehlt.
„Tennis bleibt bei den Frauen die Nummer eins.“ (Andrea Petkovic)
Die von Ihnen gegründete WTA hat jüngst mit Mercedes-Benz eine langfristige und wohl sehr lukrative Partnerschaft abgeschlossen - es ist sogar vom finanziell größten Sponsoringvertrag der Tennis-Geschichte die Rede. Was bedeutet dieser Deal für Ihre geliebte Sportart?
King: Ich wollte schon in den 60er-Jahren, dass Männer und Frauen im Tennis stärker zusammenarbeiten und damit Frauentennis auf professionellere Beine gestellt wird. Die Reaktionen der Männer darauf waren damals alles andere als freundlich! Heute haben wir den Frauen- und Männersport auf eine gleiche Ebene gebracht. In keiner anderen Sportart verdienen Frauen so viel wie im Tennis. Die neue Partnerschaft mit Mercedes unterstreicht diese positive Entwicklung. Sie ist ein tolles und vor allem langfristiges Bekenntnis zum Sport und zeigt zugleich, welche Wertigkeit das Frauentennis mittlerweile besitzt.
Petkovic: Dank Billies Initiative wurde Frauentennis auf eine komplett neue Ebene gehoben und gilt bis heute als der Vorzeige-Frauensport schlechthin. Viele Sportarten sind nachgezogen, wie etwa auch der Frauenfußball. Aber Tennis bleibt bei den Frauen die Nummer eins. Billie Jeans Initiative war hierfür die Basis.
Inwiefern?
King: Man muss verstehen, wo das Frauentennis herkommt: Als wir 1970 mit den "Original Nine" unsere Frauentennisinitiative starteten, gab es nur ein einziges Turnier mit nur einem Sponsor - nämlich die Zigarettenfirma Philipp Morris. Und wir unterschrieben alle einen 1-Dollar-Vertrag. Das war die Geburtsstunde des professionellen Frauentennis. Das Ganze dauerte eine Woche - und wir merkten schnell, dass wir daraus eine Tour machen müssen, idealerweise zusammen mit den Männern. Es entstand daraufhin die Idee der WTA, die 1973 dann auch ins Leben gerufen wurde. Und daraus wurde das Millionengeschäft von heute, das es so vielen Frauen ermöglicht hat, mit dem Sport ihr Geld zu verdienen - und das ist mittlerweile ein sehr gutes Geld.
Petkovic: Allerdings: Die Frauen bekommen so viel Geld wie nie zuvor. Elena Rybakina hat jüngst rund 5,2 Millionen Dollar für den Gewinn bei den WTA-Finals in Saudi-Arabien bekommen.
Und bei den Grand Slams gibt es die Equal-Pay-Regelung mit gleichen Preisgeldern für Männer und Frauen …
King: Bei Grand Slams ist es geregelt. Aber bei den anderen Turnieren auf der Tour ist die Kluft bei den Preisgeldern für Männer und Frauen immer noch zu groß …
Petkovic: Der Kampf um Gleichheit ist also noch lange nicht vorbei! (lacht)
„Ich hoffe, dass Sabalenka gewinnt.“ (Billie Jean King)
Apropos Gleichheit: Am 28. Dezember findet die Neuauflage des "Battle of the Sexes" zwischen Nick Kyrgios und Aryna Sabalenka statt. Ein solches Spiel haben sie 1973 auch (erfolgreich) bestritten, Frau King. Ist so ein Vergleich heutzutage noch eine gute Idee?
King: Erst einmal hoffe ich, dass Sabalenka gewinnt. Ob ein solches Match heutzutage noch dem Frauentennis hilft, bezweifle ich. 1973 hatte das Spiel eine ganz andere, viel größere gesellschaftliche Bedeutung: Das waren andere Zeiten. Es gab keine besondere Förderung von Frauen im Sport, es durften auch nur ein gewisser Prozentsatz von Mädchen an einer Uni studieren, was zur Folge hat, dass fast nur Männer akademische Berufe ausüben durften. Insofern hatte dieses Spiel eine ganz andere kulturelle und politische Dimension. Das war mehr als nur ein Match, 90 Millionen haben damals weltweit zugeschaut - mehr als beim Super Bowl! Kurzum: Mir hat das Match damals geholfen, heute ist das etwas ganz Anderes.
Petkovic: Du hattest damals eigentlich eine Lose-Lose-Lose-Situation: Wenn du gewinnst, hast du eben "nur" gegen einen Tennis-Oldie gewonnen. Wenn du verlierst, hast du dich gegen einen Tennis-Oldie blamiert. Und wenn du nicht antrittst, hätten alle gesagt, dass du Angst hast. Aber irgendwie hast du es geschafft, aus der Nummer als Gewinnerin herauszukommen - und das nicht nur auf dem Platz. Heute sehe ich allerdings nicht, dass das Spiel dem Frauentennis einen Gefallen tut.
Aus deutscher Perspektive die Frage an Sie, Frau Petkovic - mit Blick auf 2026: Welcher Frau trauen Sie am ehesten den Sprung in die Top 10 zu?
Petkovic: Erst mal muss ich sagen, dass Laura Siegemund und Tatjana Maria mich in der Saison 2025 komplett überzeugt und beeindruckt haben. Was sie mit Mitte 30 alles schaffen und wie sie das letzte bisschen Energie aus sich herausholen, ist einfach nur inspirierend. Tatjana noch als Mutter zweier Kinder, das war früher auch nicht unbedingt der Fall. Für 2026 freue ich mich besonders auf Eva Lys und Ella Seidel. Beide haben 2025 auf ihre Art und Weise einen enorm großen Schritt in die Zukunft gemacht.
Und wird Alexander Zverev bei den Männern im neuen Jahr endlich einen Grand-Slam-Titel gewinnen?
Petkovic: Was Alexander Zverev betrifft, wird niemanden, der mich kennt, überraschen, dass ich zu 100 Prozent an ihn und sein Spiel glaube. Ich habe viele, viele seiner Matches kommentiert - häufig auch courtside in der sogenannten Flüsterposition, in der man direkt am Spielfeldrand sitzt. Klar sind Carlos Alcaraz und Jannik Sinner gerade allen ein Stückchen voraus. Aber Sascha ist nicht weit dahinter. Er muss nur wieder richtig fit werden.
Zum Ende bitte ich Sie darum, folgenden Satz zu vervollständigen: "Tennis hat mir gezeigt, dass …"
Petkovic: … alles möglich ist.
King: … der Sport eine Bühne sein kann, um die Welt zu verändern.