Es war eine wunderschöne Saison, die der FC Winterthur 2023/24 mit Patrick Rahmen als Übungsleiter verbringen konnte. Doch so schnell er da war, war er auch wieder weg. Seine tollen Leistungen mit dem finanziell arg limitierten Winterthur, weckten das Interesse des damaligen Meisters, dem BSC Young Boys. Man merkte allerdings: Der Basler in Bern, das passt nicht wirklich.
Klar, der Anspruch in Bern ist, wie er es bereits in Basel war, einiges grösser als auf der beschaulichen Schützenwiese. In Bern war seine Entlassung nach nur fünf Siegen in 15 Spielen, darunter zwei in der Champions-League-Quali und einem Erfolg im Cup, irgendwie nachvollziehbar. In Basel überraschte diese doch eher, da Rahmen in einer für den FC Basel schwierigen Zeit, mit 2.11 Punkten pro Spiel das Soll eigentlich erreicht hatte.
Beide Clubs sind jedoch Grossstadtclubs, haben grosse Erwartungen und noch grössere mediale Präsenz. Klappt etwas nicht, klappt gar nichts - so die Devise. Statt Remo Arnold, Nishan Burkart und Silvan Sidler - ohne dabei despektierlich zu werden - tummelten sich grosse Namen wie Arthur Cabral, Michael Lang oder Filip Ugrinic in den Kadern der beiden Top-Teams.
Man könnte fast sagen, dass dort genau das fehlt, was Rahmen ausmacht: das Menschliche. Der 56-Jährige gilt als charismatisch, offen, ehrlich. Er ist nahe bei den Spielern, sucht das Gespräch. Er hat eine klare Spielphilosophie, die bei den etwas kleineren Team hervorragend funktioniert und zum Erfolg führt. Unter ihm war der FC Winterthur offensiv dank junger Talente mehr als präsent, defensiv standen die Eulachstädter meist solide.
Die Schiessbude der Liga soll geschlossen werden
Genau das ist es, was der FC Winterthur derzeit vermisst. 28 Gegentore aus neun Spielen, das sind über drei pro Spiel. Was dabei besonders auffällt: Die 28 Gegentore sind nicht durch zwei sehr hohe Niederlagen entstanden, die Unsicherheit in der Defensive zieht sich über die ganze Saison hinweg durch. Einzig bei den beiden Unentschieden in Bern (1:1) und gegen die Grasshoppers (2:2) musste Goalie Stefanos Kapino weniger als dreimal hinter sich greifen.
Die Schuld dem Griechen zuzuschieben, wäre allerdings vermessen. Der 31-Jährige ist zwar in fast allen Statistiken das Schlusslicht der Wertungen, dass er mit 4.1 gehaltenen Bällen pro Spiel aber auf Rang 3 der Liga ist, zeigt aber eben auch, wie viel die Winterthurer ihren Gegnern zugestehen. Kapino tut, was er kann, wird allerdings auch zu häufig von seinen Vorderleuten im Stich gelassen.
Es fehlt dem FCW zurzeit die Kontrolle über das Spiel. Der Rücktritt von Fabian Frei hinterliess deutlich seine Spuren, mit Loic Lüthi ist ein möglicher Nachfolger des Super-League-Rekordspielers seit Saisonstart verletzt. Der Fels in der Brandung ist nun Captain Remo Arnold. Besonderes Selbstvertrauen kann er jedoch zurzeit auch nicht tanken. Auch, weil ihm quasi in jedem Spiel ein neuer Partner hingestellt wird. Zudem musste er am Wochenende verletzt ausgewechselt werden.
Schwache Transfers und sinkende Leistungen
Da war beispielsweise Lukas Mühl. Der Deutsche kam 2024, gelaufen ist es dem FCW seither nur, wenn er nicht zum Stamm gehörte. Von Marvin Martins erwartete man bei dessen Verpflichtung viel, geleistet hat er bisher eher wenig, er ist nicht der Schlüsselspieler, der er eigentlich sein könnte. Zu guter Letzt noch Tibault Citherlet: Ein Tor hat er immerhin geschossen bisher. Man kann ihn nicht wirklich als Transfer bezeichnen, da er vor der Saison von der Jugend in die erste Mannschaft gekommen ist. Nimmt man ihn aber als Neuzugang, so kann zumindest er nach zwei Teil- und drei Startelfeinsätzen als gelungener Transfer bezeichnet werden.
Silvan Sidler kommt in dieser Saison bisher noch nicht auf sein Leistungsmaximum, auch Dario Ulrich scheint noch Mühe zu haben. Während die Eulachstädter in der letzten Saison erst nach dem Abgang von Adrian Gantenbein zu glänzen begannen, macht sich sein Abgang vom vergangenen Winter nun bemerkbar. Ebenfalls überraschend ist, dass mit Basil Stillhart in dieser Saison ein Leistungsträger der vergangenen Jahre kaum noch eine Rolle spielt.
Es gibt aber eine Person, die das Ruder doch noch herumreissen könnte. Pajtim Kasami zeigte in seinen bisherigen zwei Spielen zumindest ansprechende Leistungen. Mit seiner und Luca Zuffis Erfahrung könnte etwas Ruhe ins Winterthurer Spiel kommen. Es wäre Ruhe, die das arg gebeutelte Winterthur dringend brauchen könnte. Ruhe, die das Selbstvertrauen wieder stärken könnte.
Selbstvertrauen als wichtiger Schlüssel für Rahmen
Wer nun aber am meisten Selbstvertrauen in die Bude bringen kann, ist Patrick Rahmen. So wie er es mit Sayfallah Ltaief gemacht hat, der während seiner Leihe in den Kanton Zürich vor Selbstvertrauen strotzte. Auch Samuel Ballet war ein Beispiel. Der Ex-YB-Junior hatte unter Rahmen eine derart gute Form, dass er schon im Winter nach Italien wechseln konnte.
Gespannt darf man beispielsweise auf die Entwicklung von Theo Goillard in den nächsten Wochen sein. Der 23-Jährige kam vor der Saison von YB, in seinen bisherigen acht Spielen wusste er allerdings noch nicht so wirklich zu überzeugen. Gelingt es Rahmen, ihn richtig aufzubauen, so könnte der gebürtige Freiburger bald die grossen Fussstapfen von Matteo Di Giusto füllen.
Rahmen hat überall zu tun, auch in der Offensive. Mit Elias Maluvunu und Andrin Hunziker hat der FCW auf diese Saison hin zwei junge Offensivkräfte geholt, die bei YB und dem FCB die Jugend durchliefen. Das Potenzial dieser Beiden ist unbestritten, beide konnten ihre Klasse bereits ankündigen. Man hatte jedoch das Gefühl, dass Uli Forte zu wenig nahe an ihnen war, sie nicht vollends führen konnte, wie sie es in ihrem noch jungen Alter brauchen könnten.
Die Defensive bleibt das Problem
Zugegeben, in der Defensive hat der 56-Jährige deutlich mehr Aufgaben zu bewältigen als in der Offensive. Dieser läuft es zwar nicht super gut, mit zehn Toren und nur drei Spielen ohne eigenen Treffer ist man allerdings nicht enorm weit von der Konkurrenz entfernt. Stehen die Winterthurer in der Defensive einmal kompakt, so werden automatisch neue Räume für die Entfaltung der Offensive wahr.
Dass der neue Trainer defensiv spielen lassen kann, hat er bei seinem letzten Engagement in der Eulachstadt bewiesen. In den besten Zeiten gab es nur acht Gegentreffer in zwölf Spielen. Es ist ein Wert, von dem der FCW derzeit weit weg ist. Zwölf Spiele blieb man damals ungeschlagen, öffnete so die Tür zum Cup-Halbfinale und der Championship Round der Super League.
Zwölf Spiele ohne Niederlage sind dem FCW in der aktuellen Verfassung nicht zuzutrauen, doch schon fünf oder sechs solcher Partien könnten die Winterthurer der Konkurrenz schon wieder näher bringen. Kann man zur Konkurrenz aufschliessen, ist plötzlich wieder alles möglich. Schliesslich beträgt der Abstand vom Tabellenelften Servette FC auf den FC Luzern auf Rang 6 nur fünf Punkte. Träumen ist auf der Schützenwiese also definitiv erlaubt.