Oliver Baumann stand am Montagabend von Leipzig deutlich weniger im Blickpunkt als noch zwei Tage zuvor beim wackligen 2:0 in Luxemburg - und doch hatte auch der Hoffenheimer wieder seinen Moment. Nach 21 Minuten, kurz nach der deutschen Führung, hatten die Slowaken die ganz große Chance zum Ausgleich, der 35-Jährige aber parierte herausragend gegen Duris. Es war des Keepers Schlusspunkt unter eine zumindest seinerseits souveräne und starke WM-Qualifikation. Im Oktober war von außen eine Debatte um Manuel Neuer entstanden, die Baumann ebenso wenig aus der Ruhe brachte wie die montägliche Drucksituation - im Tor ist Deutschland, unabhängig von der Genesung von Marc-André ter Stegen, gut aufgestellt.
Zu den Verlierern gehören auch drei nicht Nominierte
Nicht so spektakulär und auch deutlich kürzer spielte in diesem Lehrgang Malick Thiaw - und doch machte der Newcastle-Verteidiger zwei Jahre nach seiner letzten Berufung einen Schritt nach vorn. Schon durch seine Einwechslung in Luxemburg war klar, dass er nun nur noch für den DFB spielberechtigt ist. Dass Julian Nagelsmann ihn gegen die Slowakei schon nach rund einer Stunde anstelle von Waldemar Anton brachte, ist der Beleg für eine ernsthafte WM-Perspektive.
Diese hat seit dieser Woche und spätestens seit seinem Traum-Debüt auch Assan Ouedraogo. Der 19-Jährige wurde für den angeschlagenen Nadiem Amiri nachnominiert, überzeugte den Bundestrainer mit seiner frischen Art auf und neben dem Trainingsplatz - und feierte dann auch noch in "seinem" Leipziger Stadion den perfekten Einstand, traf kurz nach seiner Einwechslung zum Endstand. Mit seiner Spielintelligenz ist er für die Achterposition eine echte Alternative, allerdings unter einer Voraussetzung: Sein Körper muss mitspielen. Aktuell zeigt sich der schon häufig verletzte Teenager stabilisiert.
Ein WM-Kandidat ist seit der frisch beendeten Länderspielperiode auch Leroy Sané. An vier Treffern war der 29-Jährige gegen Luxemburg und die Slowakei direkt beteiligt (zwei Tore, zwei Vorlagen), bei zwei weiteren Treffern glänzte er als intelligenter und vorletzter Passgeber. Lebte sein Comeback am Freitag noch von vereinzelten genialen Momenten, geriet der Vortrag des Rechtsaußen in Leipzig eindrucksvoll: Sané setzte kämpferische und läuferische Zeichen, demonstrierte seine fußballerische Extraklasse bei Ballmitnahmen und Abschlüssen. Der Ex-Münchner ist seit Jahren der Mr. Wankelmut der Nation, mit Konstanz ist er ein sicherer WM-Fahrer.
Noch einen Schritt weiter ist Nick Woltemade. Der 23-jährige Angreifer ist in den Rang der WM-Hoffnung aufgestiegen. Nach seinem Premierentor für den DFB im Oktober in Nordirland (1:0) war er mit einem Doppelpack der Retter von Luxemburg, erzielte auch gegen die Slowakei das wichtige 1:0. Auf einer Position, auf der Nagelsmann mit Kai Havertz, Niclas Füllkrug und Tim Kleindienst drei Spieler im Krankenstand, aber mit Perspektive Richtung WM 2026 hat, ist der Newcastle-Stürmer angesichts seiner jüngsten Entwicklung längst mehr als ein Platzhalter.
Jonathan Burkardt hätte die Personalmisere im deutschen Sturm ebenfalls gern zur Eigenwerbung genutzt, kam aber im November nicht eine Minute zum Einsatz. Schon in der Vergangenheit hatte Nagelsmann öffentlich erklärt, dass der Frankfurter auf Nationalmannschafts-Niveau nicht jene Leistungen zeige, die er auf Klubebene abruft. Nach diesem Lehrgang scheint klar: Kehren die derzeit verletzten Angreifer zurück, wird der Weg für den Ex-Mainzer Richtung Weltmeisterschaft weit.
Gleiches gilt für Karim Adeyemi. Der Dortmunder hatte einen formidablen Saisonstart, durfte im Oktober beide Spiele auf dem rechten Flügel beginnen. Im November fehlte er erst gelbgesperrt, sorgte dann für außersportliche Unruhe und muss beim Bundestrainer noch zum Rapport. Erschwerend für ihn hinzu kommt das starke Comeback von Sané.
Adeyemi ist ein Verlierer dieses Novembers. In dieser Rolle sind auch mindestens drei Profis, die nicht dabei waren: Robin Koch wurde nach einer schwierigen Phase in Frankfurt nicht nominiert, in seiner Abwesenheit meldete Thiaw sportlich Ansprüche an. Hinzu kommt: Auf der Innenverteidigerposition kehrt mit Antonio Rüdiger ein potenzieller Stammspieler zurück. Ähnlich weit wie für Koch wird der Weg Richtung USA, Mexiko und Kanada auch für Robert Andrich und Pascal Groß. Die beiden bedeutenden "Rollenspieler" von der Heim-EM 2024 haben ihren Status längst eingebüßt, obwohl Joshua Kimmich wieder aus dem Mittelfeldzentrum auf die Rechtsverteidigerposition gerückt ist. Und: Bevor einer aus diesem Duo wieder nachrückt, ist, eine erwartbare Entwicklung vorausgesetzt, noch der dieses Mal nicht nominierte Stuttgarter Angelo Stiller in der Hierarchie vor ihnen.