Als die italienischen Behörden im März 2023 vor dem letzten Duell zwischen der SSC Neapel und Eintracht Frankfurt veranlassten, dass keine Gästetickets verkauft werden dürfen, positionierte sich Aleksander Ceferin im ZDF deutlich: "Diese Situation ist untragbar, und wir müssen dringend etwas dagegen tun, denn die Entscheidung ist absolut nicht korrekt", stellte der UEFA-Boss fest und kündigte an: "Wir müssen sagen: 'Wenn so etwas passiert, dann wird dort nicht gespielt'. Ganz einfach, wir werden die Regeln ändern."
Neapel ist kein Einzelfall
Bislang folgten diesen Worten keine Taten - auch beim Champions-League-Gastspiel der Eintracht am 4. November in Neapel erhalten Fans mit Wohnsitz Frankfurt keine Tickets. Bei der Eintracht rechnet man mit weiteren behördlichen Erlassen, sodass generell keine Gästefans zugelassen sein werden.
Die Sportschau hat in einer Übersicht seit dem Duell 2023 15 weitere Fälle bei internationalen Spielen in UEFA-Wettbewerben dokumentiert. Meist handelte es sich um Partien in Frankreich oder Italien. In nur drei dieser Fälle wurde das Gästefan-Verbot zurückgezogen oder gerichtlich gekippt. Es geht also nicht mehr nur um einen bedauerlichen Einzelfall. Die UEFA muss dieser Behörden-Willkür endlich etwas entgegensetzen.
In den UEFA-Regularien steht klipp und klar, dass Klubs mindestens fünf Prozent ihrer Tickets an Gästefans abgeben müssen (Artikel 45). Im Sinne einer noch besseren Stadionatmosphäre wäre eine Erhöhung auf zehn Prozent - wie in der Bundesliga - wünschenswert, aber das ist ein anderes Thema. Muss ein Klub auswärts auf die Unterstützung seiner Anhänger verzichten, stellt das einen Wettbewerbsnachteil dar. Das darf die UEFA nicht zulassen.
Die Spielverlegung an einen neutralen Spielort wäre die logische Konsequenz. Nicht nur in Neapel würde diese Maßnahme den politischen Druck massiv erhöhen, Gästefans zuzulassen. In letzter Konsequenz müssten Spiele vielleicht gar nicht an neutralen Spielorten ausgetragen werden. Zur Unterstützung der großen Mehrzahl der friedlichen Fans sollte die UEFA dieses scharfe Schwert jetzt endlich zücken.
Beim letzten Aufeinandertreffen zwischen Neapel und Frankfurt erwies sich das Verbot von Gästetickets übrigens als Eigentor. Die Gewalttäter beider Seiten lieferten sich trotzdem schwere Straßenschlachten mit der Polizei. Im Stadion ließen sich Ausschreitungen wahrscheinlich besser unterbinden als in den engen, verwinkelten Gassen Neapels.
Eintracht auf Bewährung: Droht der erzieherische Effekt zu verpuffen?
Das neuerliche Ticketverbot könnte nun übrigens auch negative Auswirkungen auf die bevorstehende Partie bei Atletico Madrid am kommenden Dienstag haben. Wegen des Abbrennens und Werfens von Feuerwerkskörpern beim Europa-League-Spiel in Rom Anfang des Jahres sanktionierte die UEFA die Eintracht mit einem Fan-Ausschluss für ein Auswärtsspiel. Die Strafe wurde für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
Der erzieherische Effekt droht nun zu verpuffen. Mit einem "Feuerwerk" in Madrid könnten Chaoten versuchen, eine Aufhebung der Bewährung zu erwirken, um die Sperre in Neapel abzubrummen, wo ohnehin kein Eintracht-Fan ins Stadion darf. Hoffentlich bleibt es friedlich.
Unstrittig ist, dass Klubs und Sicherheitsbehörden alles daransetzen müssen, Gewalttäter vom Fußball fernzuhalten. Normale Fußballfans dürfen aber nicht willkürlich ausgeschlossen werden. Denn sie sind nicht einfach nur das Salz in der Suppe, sondern das Blut in den Adern des Profifußballs. Wer das nicht glaubt, sollte an die leeren Stadien während der Pandemie zurückdenken.
Ob die UEFA tätig wird, ist bisher nicht bekannt. Auch die Fans von Ajax Amsterdam sind aktuell betroffen, dürfen beim Auswärtsspiel in Marseille am kommenden Dienstag nicht ins Stadion. An die UEFA verschickte Fragen des kicker mit der Bitte um eine Stellungnahme bis Mittwochabend, 20 Uhr, blieben bisher unbeantwortet.