Man kann Thomas Krücken zweifelsfrei als Menschen bezeichnen, der sich von vielerlei Menschen hat inspirieren lassen in seiner beruflichen Vita. Denn der 48-Jährige war schon für diverse Klubs tätig. Der 1. FC Köln, Hertha BSC, Arminia Bielefeld, die TSG Hoffenheim, Mainz 05 und der VfB Stuttgart zierten die Visitenkarte des Nachwuchsspezialisten, ehe er 2023 bei Manchester City anheuerte.
Schon 2000/2001 war Krücken für die Skyblues tätig
An diesem Wochenende jährt sich Krückens Schritt über den Ärmelkanal zum wohl erfolgreichsten Klub der reichsten Liga der Welt in der jüngeren Vergangenheit. Wobei der gebürtige Neusser schon 2000/2001 für ein Jahr als Jugendtrainer bei City unterwegs war. 2023 aber holte ihn der Klub, der von der aus Abu Dhabi finanzierten City Football Group (CFG) kontrolliert wird, als Nachwuchschef vom VfB. Krücken sollte die Akademie der Cityzens auf Vordermann bringen. Das ist, offenkundig, gelungen.
Wer sich heute mit Bundesliga-Managern unterhält, dem wird schnell die Ausbildung bei dem "Scheichklub" als Musterbeispiel und Exempel für gelungene Entwicklung begegnen. War die Premier League in den 2010er-Jahren noch dafür bekannt, ihren finanziellen Vorsprung vor allem in Beine zu investieren, hat in den vergangenen Jahren ein gewisses Umdenken stattgefunden. Expertise und Infrastruktur sind mittlerweile auch hoch gewichtet, daran mag auch das Wirken von Bensemann-Preisträger Jürgen Klopp beim FC Liverpool seinen Anteil haben.
Besonders stolz ist Krücken auf O'Reilly
Sicher, Manchester City gibt nach wie vor viel Geld für Spitzenprofis aus. Aber: Zuletzt haben es auch einige heimische Talente zu den Profis geschafft, respektive in andere Profiligen und -Teams. Davon zeugt eine aktuelle Auswertung des Datencenters CIES aus Neuchatel in der Schweiz, das die City-Akademie mit Blick auf die Anzahl der jeweils bei einem Klub ausgebildeten Profis, die in den 49 relevantesten Ligen der Welt tätig sind, immerhin auf Platz 21 sieht und damit als das Top-Nachwuchsleistungszentrum in England. Zum Vergleich: Unter den Top-20 sind aus Europa "nur" Benfica Lissabon, der FC Barcelona, Ajax Amsterdam, Sporting Lissabon, Dinamo Zagreb, Real Madrid, Roter Stern Belgrad, Dynamo Kiew und Paris Saint-Germain vertreten.
Genau das ist für Krücken auch Beleg für gute Arbeit: Die Quote derer, die es nach oben schaffen. "Wir sind natürlich besonders stolz auf die fünf Debütanten in der Profimannschaft, speziell Nico O'Reilly, der es auf mehr als 1000 Minuten brachte", sagte der Deutsche bei seinem sommerlichen Zwischenfazit. Auch Kaden Braithwaite ist so ein Fall. Der Innenverteidiger debütierte mit 16 Jahren im Carabao-Cup gegen Watford, kurz nachdem Pep Guardiola und der damalige Sportdirektor Txiki Begiristain ihn in der Youth League gegen Inter Mailand live gescoutet hatten. "Vier Tage danach rief mich Txiki an und sagte: Pep will Kaden im Trainingskader", erzählte Krücken, für den diese Entwicklung ein eindeutiges Zeichen aussendet: "Die Türe zur ersten Mannschaft ist offen."
Jüngste Mannschaft wird Premier-League-2-Sieger
Der zweifache Familienvater setzt bei seinen neuen Impulsen für die Ausbildung auch auf deutsches Fachwissen, unter ihm kamen im Juli 2024 Jan-Moritz Lichte als Cheftrainer für den Nachwuchs und ein Jahr später Philipp Birker als Torwartkoordinator für die Akademie. Krückens klare Idee für die City-Jugend: Eine "innovationsgetriebene Kultur" und ein unverkennbarer Spielstil, wie ihn Guardiolas Profis zu besten Zeiten pflegten, also: "Schönen Fußball spielen, in des Gegners Hälfte sein, dominant auftreten. Das haben wir diese Saison gesehen", ließ sich der Fußballlehrer im Sommer zitieren.
Wobei das jogo bonito eben nicht nur Mittel zum Zweck sein soll und darf. Entscheidend auf der Visitenkarte sind eben auch die Titel und auch damit klappte es im zweiten Jahr für Krücken. Nach Rang 23 im Vorjahr etwa holte die U 21 2024/25 den Titel in der Ausbildungsliga "Premier League 2". Und für den Nachwuchschef bildet noch ein anderer Aspekt einen wichtigen Zusatzwert: "Wir hatten das jüngste Team mit 18,7 Jahren und 70 Prozent der Spieler haben ihre Karriere hier im U-Bereich begonnen. Das bedeutet: Viele unserer Mitarbeiter haben ihren Anteil an der Entwicklung dieser Spieler, also ist das eine große Gesamtleistung von allen."
Mehr Intensität und Individualität als Erfolgsfaktoren
Krücken führt diese Entwicklung auch auf die Schaffung eines höheren Intensitätslevels bei den Trainingseinheiten zurück, wodurch die Jungprofis mehr Resilienz entwickeln. Was gerade beim Übergang in die Profiteams ein Vorteil ist. Zudem habe man 2024/25 rund 250 Prozent mehr an individuellen Trainingseinheiten in der gesamten Akademie im Vergleich zur Vorsaison anbieten können.
Nur eins ärgert ihn: Dass die U 18 - nachdem sie die Nordstaffel der Premier League mit zwei Punkten Vorsprung vor Lokalrivale Manchester United gewonnen hatte - am Ende nicht den Titel holte. Trotz einer formidablen Runde. Nach einem schwachen Saisonstart habe die Elf "26 Spiele in Serie gewonnen. Das ist eine Riesenleistung, so konsistent zu spielen als Jugendmannschaft", lobt Krücken. Bitter: In Spiel Nummer 27, vor sage und schreibe 25.000 Zuschauern im Villa-Park, unterlagen Braithwaite, Matty Warhurst & Co. Aston Villa mit 0:1. "Sie waren das bessere Team, keine Frage," quittierte Krücken im Sommer. Steigerungspotenzial gibt es eben immer, gerade im Nachwuchs - und sei es nur in Sachen Effizienz.