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"Sehr dankbar": Boyd macht zum Saisonende Schluss

kicker

Sich selbst gut einschätzen, das konnte Terrence Boyd (34) wahrscheinlich schon immer. Wenn der Angreifer über Begebenheiten sprach, die sich während seiner Karriere zugetragen haben, dann oft und gerne mit einem Schuss Humor und Selbstironie. Und anekdotenreich erzählen, konnte Boyd schon immer gut. Da ist etwa die Geschichte mit seinem Länderspiel-Debüt für die USA, bei dem er gegen Italien eingewechselt worden war und Momente später einen Gegenspieler umwemste, der sich - wie Boyd erschrocken erkannte - als Andrea Pirlo erwies. Dem Weltmeister von 2006 half er schnell auf die Beine: "Sorry, i'm a big fan."

Eine von vielen Geschichten, die zu einer Karriere gehören, die sich zwischen großen und kleinen Bühnen abspielte - und die im Sommer 2026 zu Ende gehen wird. Boyd macht Schluss, wie er am Dienstag über seinen Verein, den SV Waldhof Mannheim, bekanntgab. "Ich habe für mich entschieden, dass ich zum Saisonende meine Schuhe an den Nagel hängen werde", wird er in einer Mitteilung zitiert.

Der Sohn einer deutschen Mutter und eines US-amerikanischen Soldaten, kam in Bremen zur Welt und begann auch dort mit dem Fußballspielen. Ende der 2000er Jahre holte ihn Hertha BSC in den eigenen Nachwuchs, wo Boyd vor allem in der Regionalliga-Saison 2010/11 mit 13 Toren und vier Vorlagen für Aufsehen sorgte. Borussia Dortmund verpflichtete den bulligen Angreifer, ein Profi-Einsatz war ihm trotz Kader-Nominierungen unter Jürgen Klopp zwar nicht vergönnt - Klopp soll den kräftigen Stoßstürmer gebeten haben, im Training doch bitte niemanden zu "zerbrechen" -, doch Boyd wurde dank Jürgen Klinsmann zum Nationalspieler für die USA - jener Begegnung mit Pirlo sollten noch 13 weitere Länderspiele für das Land seines Vaters folgen. Der Traum von der WM 2014 erfüllte sich jedoch nicht.

Schwere Verletzung 2014 - und düstere Gedanken

Tore hatte er in den Jahren davor im BVB-Regionalliga-Team weiter wie am Fließbahn geschossen. Nach zwei Jahren in der österreichischen Bundesliga für Rapid Wien, 28 Toren in 59 Spielen, wechselte er schließlich 2014 zurück nach Deutschland und lief fortan für RB Leipzig auf.

Durchstarten konnte Boyd dort jedoch nicht - ein im Dezember erlittener Kreuzbandriss bremste ihn über ein Jahr aus - und zog düstere Gedanken nach sich. In jenen schweren Monaten dachte der Stürmer - inzwischen Vater geworden - nicht nur einmal über ein Karriereende nach, wie er später ESPN verriet: "Wenn ich mit dem Fußball aufhöre, was sollen wir dann tun? Es war verrückt, weil einem so viele schreckliche Gedanken durch den Kopf gehen." Die schwere Verletzung veränderte seine Sicht auf den Fußball.

Der Publikumsliebling geht zum Erzrivalen

Boyd zog es zwar nach Darmstadt, dort schoss er sein erstes Bundesliga-Tor, nach einem Intermezzo in der MLS ging er jedoch 2019 zurück in die Region Leipzig - allerdings in der 3. Liga für den Halleschen FC an den Start. Der Grund: Wieder näher an die Familie.

Nicht mehr im ganz großen Rampenlicht, lief Boyd zu Höchstform auf. Mit 39 Toren und 17 Assists in 85 Drittliga-Partien war er eine Art Lebensversicherung für den HFC - und wurde zum Sprachrohr. Nicht nur einmal lenkte er die Emotionen in der Saalestadt durch kluge und clevere Interviews. Und dann kam die Winterpause 2021: Liga-Konkurrent Kaiserslautern war auf der Suche nach einem treffsicheren Stürmer und bot Boyd schließlich einen Wechsel an. Dieser war bereit, noch einmal auf eine große Bühne zurückzukehren - und eroberte die Pfälzer Herzen im Sturm. In der Aufstiegsrückrunde erzielte Boyd acht Tore und feierte die viel umjubelte Rückkehr in die 2. Liga, die ja auch für ihn ein Comeback bedeutete. Im ersten Zweitliga-Jahr nach dem Aufstieg steuerte er 13 Treffer bei.

Weniger die Konkurrenzsituation mit Ragnar Ache, mehr die unsichere Zukunft führte dann zu einem unerwarteten Wechsel des Publikumslieblings. Im Winter 2023/24 konnten ihm die Verantwortlichen des 1. FC Kaiserslautern dem keine langfristige Perspektive aufzeigen, weshalb sich Boyd für den Abschied entschied - und zum Entsetzen vieler FCK-Fans zum verhassten Rivalen Waldhof Mannheim ging, trotz Angeboten namhafter anderer Klubs. Boyd aber wollte in der Nähe von Heidelberg, wo sich seine Familie niedergelassen hat, bleiben.

Ab Sommer im Waldhof-Nachwuchs tätig

Seine Entscheidung habe er aber genau aus diesem triftigen Grund gefällt, denn es sei die "Entscheidung eines Familienvaters" gewesen, betonte er später und verteidigte sich danach auch mehrmals vehement in Interviews. Ihm sei es "am Ende des Tages als Privatperson wichtiger", in der Nähe seiner Familie zu sein, "als dass ich zwei Jahre Kleinkind-Alter von meinen Kindern nicht präsent bin. Ich habe hoffentlich noch ein bisschen Leben vor mir - und nochmal: Diese Bindung möchte ich nicht kaputt machen nur durch den Beruf 'Fußball'".

Bereut hat er die Entscheidung nicht ("Der Waldhof war für mich eine sehr gute Wahl als letzte Spielerstation"), so wie Boyd überhaupt sehr wenig bereut. Schon vor wenigen Jahren hatte er betont: "Ich bin sehr dankbar, denn wenn man all die Scheiße durchgemacht hat, die ich durchgemacht habe, ist das demütigend. Man nimmt nichts für selbstverständlich. Das habe ich vorher nicht getan, aber jetzt schätzt man einfach alles noch mehr.

Nach zweieinhalb Saisons beim Waldhof - und seiner zu Saisonbeginn fast vollzogenen Aussortierung unter Dominik Glawogger, wird sich die aktive Karriere nun dem Ende zuneigen. Boyd will aber ein neues Kapitel aufschlagen und dem Waldhof in anderer Funktion erhalten bleiben, nämlich als Nachwuchstrainer. "Seit 2009 bin ich nun im Profigeschäft tätig und konnte unzählige prägende Erfahrungen sammeln, die ich nun an den Nachwuchs weitergeben möchte", sagt Boyd. "Ich bin sehr dankbar, dass mir der Verein den Übergang in die Karriere nach der Karriere ermöglicht hat."