Eines wollte Ralf Rangnick gleich bei seinem Amtsantritt vermitteln: Österreich soll unter seiner Führung kein Fußballzwerg mehr sein. Und also sendete der Deutsche nach dem 1:1 gegen Frankreich in der Nations League eine Botschaft an die gesamte Nation. "Ich glaube nicht, dass es irgendwas zu gratulieren gibt", störte sich Rangnick massiv an den Glückwünschen von ORF-Moderator Rainer Pariasek. "Ich bin überhaupt nicht zufrieden mit diesem Ergebnis. Wir haben bis zur 83. Minute geführt." Der Ton für die kommenden Jahre war spätestens damit gesetzt.
Dieser Ton war für die Nationalspieler Musik in den Ohren. Hatte das hochveranlagte Team unter Franco Foda noch oft ohne Rhythmus und Harmonie gespielt, fand es unter Rangnick plötzlich seinen Takt. Neben dem Remis gegen Frankreich holte Österreich unter anderem Testspielsiege gegen Italien (2:0) und Deutschland (2:0) - und auch bei der EM 2024 geigten die rot-weiß-roten Kicker groß auf. In der Hammergruppe D gelang vor Frankreich, den Niederlanden und Polen der Gruppensieg.
Österreich behebt auch das letzte Problem
Österreichs großes Problem waren zuweilen die Entscheidungsspiele: Sowohl bei der EM gegen die Türkei (1:2) als auch in der Nations League gegen Slowenien (1:1) und Serbien (1:1 bzw. 0:2) versagten die Nerven des ansonsten so gut eingespielten Orchesters. Im Rückblick mutet es fast schon grotesk an, dass die ÖFB-Elf keines dieser vier Spiele gewinnen konnte, war sie doch in jedem davon die (teils deutlich) bessere Mannschaft. Dass gegen Bosnien-Herzegowina (1:1) nun ausgerechnet in einem Do-or-die-Spiel das Ticket für die Endrunde gebucht wurde, war der perfekte Schlussakkord der diesjährigen WM-Qualifikation - und ein weiterer Beweis der ständigen Weiterentwicklung dieses Teams.
Angesichts der Auslosung musste es natürlich der Anspruch sein, bei der WM dabei zu sein. Die Souveränität, mit der Marko Arnautovic und Co. ihre Aufgaben erledigten, war dennoch bemerkenswert. Schließlich zeigten die Österreicher im Laufe der Qualifikation eindrucksvoll, dass sie mittlerweile die gesamte Klaviatur beherrschen. Auf den dreckigen und vorentscheidenden Sieg in Zenica folgte eine Rekordvorstellung gegen San Marino, die Rangnick ebenso seriös einordnete wie die einzige Niederlage in Rumänien.
Rangnick ist Österreichs idealer Taktgeber
Dass Rangnick nach der erfolgreichen Qualifikation weiterhin die Nationalmannschaft dirigieren wird, ist nicht nur für Spieler und Fans ein Segen. Dank des Teamchefs sind überfällige Themen wie der Bau einer modernen Event-Arena oder der verstärke Fokus auf die eigene Nachwuchsarbeit mittlerweile in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Der 67-Jährige führte den Verband mit all seinen Ecken und Kanten aus einer langen Generalpause und gab diesem einen neuen, klaren Takt vor. Eine Leistung, die weit über sein eigentliches Aufgabengebiet hinausgeht.
Es ist demnach kein Zufall, dass Österreich ausgerechnet unter Rangnick nach 28 Jahren wieder auf der größten Bühne des Fußballs spielen wird. Weil sie weiß, dass am Ende alles Teil eines harmonischen Gesamtwerks ist, folgt die Mannschaft ihrem Trainer selbst dann, wenn dieser einmal rauere Töne anschlägt. Womit wir wieder beim Interview mit Rainer Pariasek angekommen wären ...