Seit Jahren wächst bei den Kindern in Deutschland der Traum, sich einen der begehrten Plätze in der NFL zu ergattern. Wie schwer das ist, zeigt ein Blick auf die aktuelle Lage: Nur Amon-Ra St. Brown hat seinen Roster Spot sicher, andere Spieler wie Leander Wiegand oder Lenny Krieg hoffen, sich über den Extra-Platz im Practice Squad für höhere Aufgaben zu empfehlen.
Doch auch hierzulande wittern die Spieler ihre Chance. So gibt es neben dem Weg über das College, wo derzeit 37 deutsche Talente auf dem höchsten Niveau spielen, und dem International Pathway Program eine neue Möglichkeit, in die größte Liga der Welt zu kommen. Die irischen Brüder Tadhg und Darragh Leader haben ein Programm gestartet, das nun auch in Deutschland heimisch geworden ist.
"Ich bin unglaublich glücklich über die Entwicklung", sagte Tadhg Leader im Interview mit football-world. "Wir sind schon nach zweieinhalb, drei Jahren an dem Punkt, den ich erst in Jahr sieben oder acht erwartet hätte."
Kicker-Programm kommt nach Deutschland
Im Rahmen des Berlin Game der NFL führten die beiden Brüder bereits ihr zweites Tryout auf deutschem Boden aus. An einem kalten Samstagnachmittag durften die örtlichen Talente auf dem Trainingsplatz der Berlin Adler im Nordwesten der Stadt ihr Potenzial zeigen.
Dabei waren mit Punter Bastian Roppelt, der in diesem Jahr bereits im IPP war, dem Kicker von Berlin Thunder, Nils Schauerte, und auch Daniel Schuhmacher drei deutscher Top-Spieler auf dieser Position vertreten. Besonders Letzterer, der in den vergangenen zwei Jahren als Punter für die Cologne Centurions gespielt hat, spielt eine entscheidende Rolle, dass Leader Kicking nach Deutschland gekommen ist.
"Ich wollte eigentlich ein eigenes Programm starten. Dann habe ich sie aber gefragt, ob wir das nicht zusammen machen wollen", schilderte er gegenüber football-world. Gesagt, getan: Mittlerweile ist er als Operations Lead Germany tätig, kümmert sich um die komplette Organisation der Tryouts und steht zudem selbst als Coach auf dem Feld. "Gemeinsam haben wir vieles auf den Weg gebracht", sagt er über die Zusammenarbeit.
Großer Andrang bei Tryout in Berlin
Für die jungen Talente, die sich auf den Weg auf das etwas abseits gelegte Trainingsgelände begeben hatte, bedeutete das jedoch die besten Voraussetzungen. In rund zwei Stunden wurden ihnen von Schumacher und den Leader-Brüdern, die beide selbst ebenfalls als Kicker aktiv waren, viele Tipps und Tricks mitgegeben.
Wo muss ich den Football beim Kickoff treffen? Wie muss ich ihn beim Punt halten? Und gibt es die perfekte Anlaufposition beim Kickoff und dem Field-Goal-Versuch? Selbst als langjähriger Begleiter des Sports konnte man an diesem Tag über die Position, die extrem wichtig ist, aber über die kaum geredet wird, sehr viel lernen.
Die anwesenden Trainer nahmen sich dabei die Zeit, den 34 anwesenden Spielern, darunter auch eine Kickerin, zu korrigieren und ihnen Wege aufzuweisen, was sie beim nächsten Versuch besser machen können. Die Aufgabe ist klar: Die Spieler sollen geformt werden, dass sie den Sprung an ein College oder über das IPP in die NFL, wie es Lenny Krieg jüngst gelungen ist, schaffen.
Leader gescheitert: Nun will er europäischen Talenten helfen
Dass es diese Möglichkeiten überhaupt gibt, ist nicht zuletzt Tadhg Leader zu verdanken. Während der Corona-Pandemie wechselte er vom Rugby zum American Football und wollte den Sprung in die NFL schaffen. Doch trotz guter Leistungen für die Wroclaw Panthers in der European League Football und den Hamilton Tiger-Cats in der CFL gelang ihm dieser Sprung nicht.
So entschloss er sich, einen anderen Weg zu gehen und den jüngeren Spielern dabei zu helfen, an ein College oder direkt in die NFL zu bekommen. "Ich habe abertausende Nachrichten an Coaches und über einhundert Colleges geschickt", erinnert sich der 33-Jährige an seine Anfangszeit.
Diese harte Arbeit machte sich bezahlt, denn der ein oder andere Coach meldete sich zurück. Daher entschloss Leader sich, mit den Talenten in die USA zu fliegen, um vor Ort zu zeigen, wie gut die Spieler wirklich sind. "Es ist eine Sache zu sagen: 'Hey, wir haben in Irland Spieler, die 55- oder 60-Yard-Field-Goals kicken.' Sie könnten denken, dass wir das Feld kleiner machen oder es nicht stimmt", schildert er.
Dank Krieg & Roppelt: Irische IPP-Coach kommt nach Deutschland
Doch die Trainer in den Staaten merkten schnell, dass Leader eben keinen Unsinn erzählt hat. "Ich bekomme nun die Nachrichten der Coaches, was ein großer Wandel ist", berichtet er. So hat er schon jetzt zahlreiche Landsmänner an ein College vermittelt, mit Adam McCann Gibbs geht einer 2026 sogar zu Penn State - einem der absoluten Powerhouses im College Football.
Dabei hat der frühere Fußball- und Gaelic-Football-Spieler erst vor rund anderthalb Jahren mit dem Sport begonnen. "Der Übergang war am Anfang schwierig, aber es wurde von Zeit zu Zeit besser", berichtet er football-world. Dabei beeindruckte er die Trainer dermaßen, dass er im Sommer bei Penn State vorspielen durfte und das im Anschluss erhaltene Angebot direkt unterschrieben hat.
Diesen Sprung soll nun auch vermehrt deutschen Kicker-Talenten gelingen. "Lenny und Basti haben mir gesagt, dass es in Deutschland mehr Struktur und Entwicklungsmöglichkeiten braucht, sodass die Spieler nicht immer alleine trainieren müssen", berichtet Tadhg Leader. "Da ich wusste, wie talentiert Lenny und Basti sind, war ich mir sicher, dass es bestimmt Spieler gibt, die fünf oder zehn Jahre jünger sind."
Auch für Schuhmacher waren die Erfolge der beiden deutschen Spieler ganz entscheidend, dass sich der Weg für die Talente verbessern wird. "Die Erfolge von Lenny Krieg und Bastian Roppelt haben zusätzlich gezeigt, wie viel Potenzial in deutschen Kickern steckt", meint er.
Deutsche Kicker-Talente mit guten Chancen
Daher hat Schuhmacher, dessen Kenntnisse Leader positiv hervorhob, begonnen, auch in Deutschland die Talente zu scouten. Während es bei einem ersten Tryout in Köln noch nicht so rund lief, war der Eindruck in Berlin ein deutlich besserer.
"Ich war wirklich beeindruckt", meinte Leader, der auch Trainer im IPP ist. "Ich habe keinen Zweifel, dass einer der Jungs, die heute hier gekickt haben, in zwei, drei Jahren vor 80.000 Menschen im College spielen werden." Auch Schumacher lobte die Talente: "Wir haben so drei bis fünf Spieler, wo wir Potenzial sehen und mit ihnen ans College gehen könnte."
Doch mit dem Auftakt in Berlin, für das auch ein polnisches Talent extra acht Stunden Fahrt auf sich genommen hat, beginnt die Arbeit von Schumacher erst so richtig. "Zwischen den Events bin ich regelmäßig mit vielen deutschen Talenten im Austausch. Video Calls, Practice auf dem Feld, Kontakte, Tipps - ich unterstütze sie mit Videoanalysen, Trainingsplänen, Feedback und strukturierter Begleitung", beschreibt er sein Aufgabenfeld.
Dabei verfolgt er ein klares Ziel: "Ich versuche, ihnen die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, wie sie Kicker in den USA bekommen." Somit scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der nächste deutsche Kicker in der NFL landet. Sollte er den Weg über das College gehen, könnte er sogar einen kleinen Vorteil gegenüber Krieg, der nie am College war, haben. Doch eins ist klar: Der Weg für die deutschen Spieler in die USA wird immer besser.