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Eine Saison zwischen Licht und Schatten

kicker

London calling. Für die Jacksonville Jaguars ist das Gastspiel auf der Insel - im Rahmen der NFL International Games - längst Routine geworden. Seit 2013 trägt das Franchise aus Florida jedes Jahr mindestens ein Regular-Season-Spiel in England aus und konnte von insgesamt 14 Partien sieben für sich entscheiden. Das Duell mit den Los Angeles Rams am vergangenen Wochenende war für Trevor Lawrence und Co. allerdings eines zum Vergessen.

Angeführt von Quarterback Matthew Stafford, der fünf Touchdown-Pässe warf und die Massen im Wembley Stadium verzauberte, erteilten die Rams den Jaguars eine Lehrstunde in "how to be a contender". Das 35:7, das am Ende die Anzeigetafel schmückte, zeigte dabei eindrucksvoll den Unterschied zwischen einem legitimen Super-Bowl-Anwärter und einem Team, das den eigenen Ansprüchen und Erwartungen auch in diesem Jahr hinterherzulaufen scheint.

Überraschung: Liam Coen kann nicht zaubern

Unter Neu-Head-Coach Liam Coen sollte vieles in Jacksonville anders laufen. Es sollte besser laufen. Und ja, vielleicht wird es das auch - in Zukunft. Nach sieben Spielen und einer Bilanz von 4-3 lässt sich jedoch festhalten, dass auch der Schrank des 39-Jährigen nicht mit Zaubermitteln und Geheimformeln gefüllt ist. Eine Spielvorbereitung in Jacksonville, Florida, kommt aktuell nämlich eher einer Anhäufung von vielen kleinen Baustellen gleich; und am Kopf dieser Anhäufung steht Coen mit Helm und Schaufel, überlegend, wo er am besten anfängt.

Das Problem? Er hat nur eine Woche Zeit. Also widmet er sich Quarterback Lawrence, erlaubt diesem seinen linken Fuß beim Wurf nach vorne zu stellen, wie er es am College erfolgreich getan hat. Eine Eigenart, die sowohl Urban Meyer als auch Doug Pederson, seine letzten Cheftrainer, versuchten, dem Spielführer abzutrainieren. Weiter geht’s. Coen schnappt sich Nummer-eins-Receiver Brian Thomas Jr., um sicherzustellen, dass Lawrence und er eine gute Chemie entwickeln. Perfekt. Dann geht es zur Defense. Schnell noch Arik Armstead zurück in die Mitte der Defensive Line stellen, wo er deutlich effektiver ist, und das Fehl-Coaching des Vorgängers korrigieren. Und dann ist auch schon Sonntag.

Während des Spiels und in der Nachbereitung stellt sich dann heraus: Travis Hunter, die Rookie-Sensation, für die Jacksonville unter anderem den Erstrundenpick des kommenden Jahres an Cleveland abgetreten hat, gibt es ja auch noch! Und die Secondary, allen voran das Safety-Duo, ist weiterhin ein gewaltiges Problem, das kein Passrush dieser Welt auffangen kann. Also schnappt sich Coen erneut Helm und Schaufel - neue Woche, neue, alte Baustellen.

Er entwickelt einen Gameplan für Hunter, um Teambesitzer, Medien und Fans zufriedenzustellen, grübelt, wie er die Schwachstellen auf der Safety-Position kaschieren kann. Und ehe er sich versieht, ist nicht nur wieder Sonntag, sondern eine erledigt geglaubte Baustelle verlangt plötzlich seine Aufmerksamkeit: Die Receiver lassen die einfachsten Bälle fallen. Es fehlt aber die Zeit, sich dem auch noch zu widmen. Das muss bis Montag warten.

Natürlich wurde die Problematik hier vereinfacht dargestellt, doch genau so hangeln sich Coen und seine Jaguars gefühlt von Woche zu Woche. Trotz positiver Bilanz und überdurchschnittlich viel Talent schaffen sie es nicht, ein "komplettes" Footballspiel zu spielen. In vier von sieben Fällen mochte es gelungen sein, ausreichend viele Baustellen anzugehen, um am Ende als Sieger vom Feld zu gehen. Aber spätestens gegen legitime Gegner fallen die Defizite auf. Und sie werfen das Franchise weiter hinter den eigenen Zeitplan zurück.

Im erweiterten Favoritenkreis? Nicht wirklich!

Immerhin sollte diese Saison das Jahr der Jaguars werden. Irgendwie zumindest. Zwar sah man sich nicht auf Augenhöhe mit der Elite der AFC, aber der Rolle des Underdogs, des Teams, das "die Großen ärgern kann", sah man sich längst entwachsen. Man bezahlt seinem Quarterback schließlich 55 Millionen US-Dollar pro Saison und hat diesem mit Thomas und Hunter zwei namhafte Offensivwaffen zur Seite gestellt, für letzteren sogar kurzfristiges Draft-Kapital geopfert.

Defensiv steckt in der Front Seven einiges an Kapital - sowohl finanziell als auch hohe Draftpicks. Ergo, wenn man kein Powerhouse in der Conference ist, ist man zumindest direkt dahinter. So war jedenfalls die Theorie. Praktisch entpuppte sich bereits die eigene Division als (zu) große Herausforderung, da man nicht nur die Houston Texans, sondern plötzlich auch die Indianapolis Colts als Konkurrenz hat. Überraschungserfolge wie gegen Kansas City sorgten zwar für Euphorie, beruhen jedoch nicht auf Nachhaltigkeit - wie das Spiel gegen die Rams zeigte.

Und so ist man ein Team, das eben einfach dabei ist - mal wieder: Respektabel, in der Lage, an jedem Sonntag einen Großen zu ärgern, aber weit weg von der Rolle des ernstzunehmenden Titelanwärters, bei dem man weiß, dass er an jedem Spieltag abliefert.

Coen und seine größte Aufgabe

Jacksonville ist eine Wundertüte und Head Coach Coen tritt jede Vorbereitungswoche an, nicht wissend, wie viele Baustellen er in den kommenden Tagen überhaupt zu bewältigen hat - und ob die Zeit dafür reicht. In der Folge ist sein Blick an der Seitenlinie ebenso von Überraschung geprägt wie jener der Fans auf den Rängen.

Mal ist es sein Nummer-eins-Passempfänger, der mehr Drops als Catches verzeichnet, nachdem er letztes Jahr noch jeden Ball gefangen hat. Mal handelt sich sein Team eine zweistellige Anzahl an Strafen ein, obwohl es in der Vorwoche noch fast fehlerfrei lief. Und mal spielt sein Quarterback wie die Zukunft der Franchise, mal wie eine zu teure Fehlinvestition, die nie mehr sein wird als das, was wir aktuell sehen.

Die Jaguars, sie zeigen in dieser Saison ebenso viel Licht wie Schatten, ebenso viel Gutes wie Schlechtes. Und eben diese Ambivalenz zu eliminieren, wird zweifelsohne die größte Coaching-Aufgabe von Liam Coen.