"Wir haben nur eine Halbzeit Basketball gespielt". Mehr wollte Interimscoach T.J. Parker bei EuroLeagueTV nicht zum Auftritt seiner Mannschaft in Valencia sagen. Mit 64:90 unterlagen die Münchner bei einem Team, welches in dieser Saison sehr an die Bayern des Vorjahres erinnerte. Eine neue Arena, kaum Stars, dafür aber eine klare Identität und Rollenverteilung. Qualitativ war Valencia nicht viel besser, dafür aber um Längen besser aufeinander abgestimmt.
Und die Bayern? Die bleiben in dieser Saison ein großes Rätsel. Ein Team ohne echte Identität, ohne funktionierende Offense und im Moment ohne einen Head Coach. Um Gordon Herbert ist es inzwischen verdächtig still geworden, seit nunmehr zwei Wochen fehlt der Kanadier und wird weiter von T.J. Parker vertreten. Updates seitens des Vereins gibt es keine.
Bayern: Wieder bricht alles auseinander
Unter dem Franzosen gab es nur Siege im Pokal in Trier und nach Verlängerung in Ulm, in der EuroLeague rutschten die Bayern mit vier Niederlagen in Serie und einer Bilanz von 5-8 auf Rang 16 ab. Vier weitere Auswärtsspiele bei Partizan, in Dubai, bei ASVEL und in Monaco werden folgen - womöglich können sich die Bayern schon zu Weihnachten vom Play-In-Traum verabschieden.
Auswärtsspiele in der EuroLeague sind hart, Niederlagen gewöhnlich, manchmal geht es aber auch einfach um die Art und Weise, wie zuletzt in Vitoria oder am Dienstag in Valencia. Dies sind Teams, die man hinter sich lassen muss, wenn es Playoff-Ambitionen gibt. Stattdessen zerfielen die Bayern nun zweimal in Serie nach der Pause in alle Einzelteile. "Totalausfall" nannte es Oscar da Silva recht passend und appellierte an die Einstellung und Disziplin der Mannschaft.
Auch in der Vorsaison gab es vor allem auswärts ähnliche Auftritte, dennoch gibt es in dieser Spielzeit deutlichere Warnzeichen. Es ist keine echte Hierarchie erkennbar, was sich auch in den Rotationen widerspiegelt. Mehrfach wechselten die Bayern nun schon ihre Starting Five, die Minutenverteilung kommt bisweilen willkürlich daher.
Bayern: Keine Klarheit bei den Rotationen
So spielte Andi Obst bei Baskonia vor der Pause als bester Akteur nur sieben Minuten, dann aber die zweite Halbzeit fast durch. Oscar da Silva, vermeintlich formstärkster Bayer sah das Feld in Halbzeit eins gar nicht. In Valencia fehlte dann mit Xavier Rathan-Mayes einer der besten Scorer im Team komplett, dafür waren mit da Silva, Johannes Voigtmann, Wenyen Gabriel und Leon Kratzer gleich vier potenzielle Center mit dabei. Jener Kratzer, der in Ulm keine einzige Sekunde zum Einsatz kam, obwohl Voigtmann geschont wurde und der unglückliche David McCormack nicht im Aufgebot vorzufinden war.
Star-Neuzugang Spencer Dinwiddie spielt dagegen weiter erstaunlich oft abseits des Balles, dafür wurde Justus Hollatz in die erste Fünf berufen. Der Nationalspieler ist für die EuroLeague aber schlichtweg zu limitiert, mit ihm auf dem Feld haben die Münchner ein grausames Offensiv-Rating von 93,6.
Bayern: Dinwiddie noch nicht die erhoffte Verstärkung
Überhaupt ist der Angriff - das Prunkstück des Vorjahres - das große Problem. Dinwiddie sollte die anfänglichen Probleme lösen, doch der ehemalige NBA-Star ist in der EuroLeague weiterhin noch nicht angekommen. Zu oft nimmt er sich mit vermeidbaren Fouls selbst aus der Partie, dazu passt die Abstimmung mit dem Team weiter nicht. Auffällig: Dinwiddie schafft es nur selten, sich (und seinem Team) echte Vorteile zu verschaffen. Nur sporadisch kann er seinen Gegenspieler klar im Eins-gegen-Eins schlagen.
10,8 Punkte und 2,5 Assists legt der 32-Jährige bei einer Wurfquote von 36 Prozent aus dem Feld auf - da hat man sich in München sicherlich mehr erwartet, schließlich sollte Dinwiddie doch der neue Motor der Bayern-Offensive sein. Stattdessen ist die Mannschaft eine Ansammlung vieler guter Rollenspieler, oder wie Per Günther es passend formulierte, ein Team mit "acht neunten Männern."
Bayern: Was ist die Identität?
Die Abgänge von Carsen Edwards, Nick Weiler-Babb und Devin Booker wiegen zu schwer, das Trio war zumeist verlässlich, wenn es um Scoring ging. In dieser Spielzeit muss man dagegen auf Explosionen von Obst, ein heißes Spiel von Isiaha Mike oder einen guten Abend eines Guards hoffen. Es fehlt Verlässlichkeit, eine Komponente, die Spiel für Spiel da ist.
So generiert das Team nur selten klare Vorteile, vor allem im Halbfeld. Die Dreierquote von 31,6 Prozent wird lediglich von ASVEL unterboten, die derzeit die Rote Laterne innehaben. Das alles führt dazu, dass ein wenig Ernüchterung eingetreten ist. Vor Saisonstart war klar, dass auch die Play-Ins eine echte Herausforderung werden, die vergangenen Spiele bestätigen das im Moment.
Es fehlt die Euphorie aus der Vorsaison, die zumeist guten Vibes. Neue Spieler, Verletzungen, eine komplizierte Vorbereitung. All das sind natürlich Gründe, die meisten anderen Teams hatten aber ähnliche Bedingungen. Ob eine Rückkehr von Herbert daran was ändert? Es ist schwer zu glauben, weil weiterhin nicht klar ist, was diese Mannschaft ist oder sein kann.
EuroLeague: Die Tabelle am 13. Spieltag
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