Herr Weiss, in der öffentlichen Debatte ist oft von einem Spannungsverhältnis die Rede: einerseits der Kapitalisierungswille der NBA, die in Europa Geld verdienen möchte, andererseits die europäische Fankultur, die es so in den USA nicht gibt. Wie kann die NBA Europe diese beiden Aspekte unter einen Hut bringen?
Weiss: Ich sehe den Kapitalisierungsaspekt gar nicht als das Hauptproblem. Es ist völlig legitim, dass die NBA sagt: Wir wollen Geld verdienen. Für mich steht der sportliche Aspekt im Vordergrund. Die EuroLeague ist sportlich kein schlechtes Produkt - aber es wurden viele Entscheidungen getroffen, die man hinterfragen muss. Ein Beispiel ist die Fenster-Problematik: Dass an einem Donnerstagabend gleichzeitig Deutschland gegen Serbien spielt und Bamberg gegen Belgrad in der EuroLeague - das ist aus Fansicht ein Unding.
Von wem ging dieses Problem denn aus?
Weiss: Die FIBA ist der EuroLeague über Jahre immer wieder entgegengekommen, hat Kompromissvorschläge gemacht, um diese Kollisionen zu vermeiden. Ich war bei vielen Gesprächen dabei. Doch die EuroLeague hat sich sehr arrogant verhalten und gesagt: Das brauchen wir nicht, ihr müsst euch nach uns richten. Zweites Beispiel: Die Aufnahme von Dubai in die EuroLeague. Ob das eine gute Entscheidung ist, darf man durchaus kritisch sehen. Ich halte das für problematisch.
Weiss: "EuroLeague hat sich sehr arrogant verhalten"
Bewegung hat es lange auch nicht mehr hinsichtlich einer möglichen Kooperation zwischen EuroLeague und NBA gegeben. Wie ist der Stand der Gespräche?
Weiss: Die Gespräche sind vom Tisch, weil die EuroLeague diese abgesagt hat. Die NBA hat über längere Zeit versucht, mit der EuroLeague zusammenzukommen. Es hat mehrere Sitzungen gegeben, es lag ein finanziell sehr attraktives Angebot vor. Am Ende war die EuroLeague auch hier wieder zu arrogant und hat von sich aus gesagt: Wir haben kein Interesse. Daraufhin hat die NBA entschieden: Dann machen wir es alleine.
Was wissen Sie über das Projekt - steht der Rahmen bereits?
Weiss: Die Pläne sind klar: Es wird eine von der NBA unterstützte Liga in Europa geben - wie sie am Ende heißt, ist zweitrangig. Geplant sind feste Startplätze für etwa acht bis zehn Klubs und vier bis sechs Plätze, die sportlich qualifiziert werden. Die Liga darunter soll die heutige FIBA Champions League bilden. So entsteht ein pyramidenförmiges System mit Auf- und Abstieg, wie wir es aus Europa kennen. Wichtig ist: Die neue Liga respektiert die Nationalmannschaftsfenster, respektiert Auf- und Abstieg und die sportlichen Vorgaben der FIBA. Die Zusammenarbeit zwischen NBA und FIBA - weltweit und speziell mit FIBA Europe - ist sehr eng.
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Hätten in einem solchen halbgeschlossenen System auch Klubs kleinerer Märkte wie ratiopharm Ulm die Chance, sich zu qualifizieren? War es nicht genau das, was NBA Europe von der EuroLeague unterscheiden sollte - der Fokus auf die großen europäischen Metropolen?
Weiss: Ich bin überzeugt, dass genau diese Mischung die Liga spannend macht. Wenn ein Klub wie Ulm aufsteigt und plötzlich gegen Real Madrid spielt, dann brennt da die Hütte. Die Halle wäre bei jedem Spiel ausverkauft, die Atmosphäre ein Hexenkessel. Wir haben das ja schon erlebt: Als Quakenbrück in der BBL unterwegs war, wollten viele zunächst gar nicht bis dahin fahren - und am Ende waren es fantastische Spiele mit großartiger Stimmung. Solche Standorte haben dem deutschen Basketball enorm geholfen, auch in der Talententwicklung - Isaiah Hartenstein als Beispiel. Natürlich darf die Liga nicht aus zwölf oder vierzehn "kleinen" Vereinen bestehen, das wäre nicht sinnvoll. Aber eine Kombination aus großen Märkten und kleineren, sehr basketballverrückten Standorten kann für Attraktivität sorgen.
*Diese Auflistung ist spekulativ und basiert auf einzelnen Aussagen verschiedener Funktionäre.
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"Niemand sollte erwarten, dass von heute auf morgen eine perfekte 'Bombenliga' steht"
Es wird viel darüber spekuliert, dass Vereine wie Manchester City, AS Rom oder andere Fußballgiganten mit eigener Basketballsparte einsteigen könnten. Der FC Bayern machte das sehr erfolgreich vor, brauchte aber ebenfalls mehr als ein Jahrzehnt, um den heutigen Status zu erreichen. Wie hoch ist das Risiko, dass die Liga in den ersten Jahren deutlich hinter den Erwartungen der NBA zurückbleibt, wenn man solche Projekte quasi "auf Knopfdruck" startet?
Weiss: Zunächst einmal: Es ist nicht so, dass die NBA all diese Klubs aktiv anfragt. Vielmehr ist es oft umgekehrt: Einige große Fußballvereine klopfen bei der NBA an und sagen, dass sie Interesse hätten. Paris Saint-Germain zum Beispiel. Zweitens: Niemand sollte erwarten, dass die NBA nach Europa kommt und von heute auf morgen eine perfekte "Bombenliga" steht. Das muss wachsen. Mir hat einmal vor 30, 40 Jahren Bayer-Leverkusen-Manager Otto Reintjes gesagt: "Wir schauen nach Amerika, aber wir übernehmen nicht einfach alles. Wir lassen vieles bei uns organisch wachsen." Genau so muss man das hier betrachten. Die NBA bringt ihre Expertise und ihren Namen ein, aber die Liga wird in Europa von europäischen Akteuren aufgebaut. Die Erwartungshaltung muss ambitioniert, aber realistisch sein.
Damit diese europäische Herangehensweise funktioniert, braucht es vor allem einen langen Atem - und zwar auf Seiten der Amerikaner. Sind Sie sicher, dass die NBA bereit ist, diesen Weg mitzugehen?
Weiss: Ja, und genau darin liegt die Stärke des Projekts. Die NBA lässt die Organisation bewusst in europäischen Händen. Die Verträge werden zwar in New York von den Juristen der NBA aufgesetzt, aber verhandelt wird hier vor Ort. Natürlich kommen immer wieder Impulse aus New York - das ist normal. Aber die Kunst besteht darin, zu entscheiden: Was passt zu Europa, was nicht? Wenn etwas sinnvoll ist, übernimmt man es. Wenn nicht, sagt man Nein.
Weiss über deutsche NBA-Teilnehmer: Bayern könnte Konkurrenz von Borussia Dortmund bekommen
Kommen wir zur Situation der deutschen Klubs: Wie sieht es mit Alba Berlin, Bayern München und weiteren deutschen Standorten aus?
Weiss: Bei Alba Berlin weiß ich, dass es ein klares Interesse gibt. Der Klub ist in Gesprächen und hat seinen Willen signalisiert, Teil der neuen Liga zu sein. Wie genau die vertraglichen Details aussehen, ist Sache von Alba, aber die Chancen stehen sehr gut - wenn Alba es will. Bei Bayern München weiß ich, dass es Kontakt mit der NBA gibt und dass man Gespräche führen wollte. Wie weit diese fortgeschritten sind, kann ich nicht beurteilen. Darüber hinaus gibt es zwei, drei weitere deutsche Standorte mit großen Hallen, die Gespräche führen. Köln, Borussia Dortmund, vielleicht weitere. Große Fußballvereine sehen: Da entsteht ein neuer Markt. Sie wollen ihn sich nicht entgehen lassen, sondern selbst Teil davon sein.
Diese Vereine werden sich die kolportierten Eintrittsgebühren von mehreren hundert Millionen Euro auch leisten können. Stimmen diese Berichte?
Weiss: Natürlich ist das ein Thema. Aber die genaue Ausgestaltung - Höhe, Zahlungsmodalitäten, Beteiligungsmodelle - ist Teil der laufenden Verhandlungen. Hier werden Klubs, NBA und Investoren noch Lösungen finden müssen. Es gibt eine Reihe von US-Investoren, die gerne in eine europäische Mannschaft investieren wollen. Ich glaube: In ein, zwei Jahren werden wir zunächst einmal die Liga stehen haben. Dann wird man sehen, wie sich Strukturen und Modelle weiterentwickeln. Spannend ist das Thema allemal.
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