Es war die 37. Minute im Lohrheidestadion: Ilias Anan nahm den Ball auf der rechten Seite an, sah keinen Mitspieler - und zog einfach ab. Der Schuss drehte sich in einer perfekten Flugkurve, prallte an den Innenpfosten und schlug im linken Winkel ein zur 1:0-Führung des Favoriten SG Wattenscheid 09 gegen die Zweitvertretung des SC Verl. Ein Tor, das die 993 Zuschauer begeisterte - und nach deutlich höherer Spielklasse roch.
Verfolger trennen sich torlos
Anans sehenswerte Treffer war der Grundstein zum souveränen 3:1-Sieg über den SC Verl II. Nach elf Spielen bleibt Wattenscheid ungeschlagen, führt mit 27 Punkten die Tabelle an - und kann in Ruhe an der Fortsetzung seiner kleinen Erfolgsgeschichte arbeiten. Dass sich die Verfolger SV Lippstadt 08 und Westfalia Rhynern 0:0 trennten, versüßte den Abend aus Wattenscheider Sicht zusätzlich.
Nach dem Schlusspfiff feierten die Anhänger nicht nur die Mannschaft, sondern auch Trainer Christopher Pache mit Sprechchören. Der Coach lobte die Reaktion seines Teams nach verhaltener Anfangsphase: "Verl spielt einen sauberen, spielerischen Fußball - da musst du erstmal Zugriff bekommen", erklärte Pache. "In den ersten Minuten haben wir das Spiel etwas abgegeben, aber dann den Zugriff gefunden und viele Bälle erobert. Das Tor von Ili war im Stile einer Top-Mannschaft - so ein Ding einfach mal reinzumachen, das gibt dir sofort eine breite Brust."
Eine treffende Einschätzung, denn bis zu Anans Traumtor hatte sich seine Mannschaft gegen den spielstarken SC Verl II schwergetan. Nur zwei Minuten nach dem 1:0 passte Emirhan Hacioglu im Anschluss an eine schöne Kombination präzise in den Strafraum, wo Finn Wortmann goldrichtig stand und auf 2:0 erhöhte.
Nach der Pause kontrollierte Wattenscheid die Partie weitgehend. Kevin Schacht sorgte kurz nach Wiederbeginn mit seinem achten Saisontor (49.) für die Entscheidung. Verl kam zwar durch Lian Vega Zambrano (72.) noch zum 1:3, gefährlich wurde es aber kaum noch. Im Gegenteil: Berkan Firat und Jermaine Jann hätten kurz vor Schluss sogar erhöhen können. "Verl hat nach der Pause noch mal Gas gegeben, aber wir haben es insgesamt sehr ordentlich gemacht", sagte Pache. "Am Ende des Tages geht’s darum, die Spiele zu ziehen - da ist die Mannschaft gerade brutal drin und sehr effektiv."
Querelen hinter den Kulissen
Während die Mannschaft auf dem Platz weiter überzeugt, bleibt es hinter den Kulissen unruhig. Kurz vor der Mitgliederversammlung am 10. November traten gleich drei von fünf Aufsichtsratsmitgliedern - Mano Oliveri, Charlotte Finger und Frank Kolberg - zurück.
In einer Vereinsmitteilung erklärte die SGW den Schritt mit "unterschiedlichen Auffassungen über die zukünftige Ausrichtung" und "fehlender interner Kommunikation". Ex-Aufsichtsrat Kolberg widersprach dieser Darstellung öffentlich und sprach in einem Facebook-Kommentar von einer "fehlenden Finanzberichterstattung" seit rund einem Jahr, die eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit" unmöglich gemacht habe. Der Vorstand wies die Vorwürfe laut Vereinsumfeld intern zurück und verwies auf die "gute sportliche und finanzielle Perspektive" des Klubs. Wie es um die finanzielle Situation des Klubs bestellt ist - darüber dürfte die Mitgliederversammlung Aufschluss geben.
Youngster Hacioglu zählt zu den Gewinnern
Pache hatte bereits vor der Partie betont, dass sich sein Team von den Unruhen im Umfeld nicht beeinflussen lassen wolle - und seine Spieler hielten Wort. "Es hat keine große Rolle gespielt. Zwar haben wir kurz über die Thematik in der Mannschaft gesprochen, aber dann einfach weitergemacht", sagte Emirhan Hacioglu, der eine Vorlage beisteuerte, nach dem Spiel. Der 19-jährige Außenverteidiger spielte in der vergangenen Saison noch für die A-Junioren des Hombrucher SV und hat sich schnell an das Tempo im Herrenfußball gewöhnt: "Als Mannschaft spielen wir viel mit One-Touch-Bällen - das liegt mir total." Obwohl die Fans längst vom Aufstieg träumen, bleibt er auf dem Boden: "Wir wollen in jedem Spiel 100 Prozent geben. Alles Weitere lassen wir auf uns zukommen."