Kaum hatte Christian Wück den Konkurrenzkampf ausgerufen, war er schon wieder vorbei. Eigentlich hätten sich Stina Johannes und Ena Mahmutovic in Abwesenheit von Ann-Katrin Berger um den Platz im deutschen Tor duellieren sollen. Aber weil Mahmutovic mit einer Sprunggelenksverletzung gar nicht erst anreiste, gewann Johannes den Zweikampf, der keiner war.
Das Problem: Die 25-Jährige hat in der laufenden Saison noch nicht an ihre Leistungen vergangener Tage angeknüpft. In Erinnerung blieb vor allem das reichlich kuriose Gegentor gegen den Hamburger SV. "Man muss sagen, dass Stina Johannes in dieser Saison noch nicht komplett überzeugt hat. Da waren schon einige Fehler in der Liga dabei", sagte nun auch Almuth Schult im Interview der Wolfsburger Allgemeinen.
Borggräfe und Dick sind noch ohne A-Länderspiel
Zwar gehörte Johannes vor zwei Wochen beim 4:0 in der Champions League gegen Paris St. Germain zu den Sieggarantinnen, Schult ist mit der Qualität im deutschen Tor dennoch nicht hundertprozentig zufrieden. Nach Ansicht der Olympiasiegerin von 2016 und ARD-Expertin hat Bundestrainer Christian Wück "viele Torhüterinnen auf gutem Bundesliganiveau. Aber haben wir eine Weltklasse-Torhüterin neben Berger? Davon müsste mich aktuell noch jemand überzeugen", sagte Schult.
Stammkeeperin Berger von NJ/NY Gotham City FC fällt wegen einer Knieverletzung für das Halbfinal-Hinspiel gegen Frankreich und auch für das Rückspiel am Dienstag in Caen aus. Zudem ist unklar, ob die 35-Jährige ihre Karriere in der Nationalelf nach diesem Jahr fortsetzt.
Außer Johannes hat Wück für die beiden Partien gegen Les Bleues Rafaela Borggräfe vom FC Liverpool und Debütantin Laura Dick von der TSG Hoffenheim berufen, beide noch ohne ein einziges Länderspiel. Johannes selbst stand dreimal für die deutsche A-Elf zwischen den Pfosten.
In der Bundesliga häufen sich Torwartpatzer
Mahmutovic wiederum gilt als Top-Talent, wirkte aber beispielsweise bei Bayerns 1:7-Niederlage gegen den FC Barcelona überfordert. Nach Schults Ansicht hat auch die 21-Jährige an einigen Stellen "noch Schwierigkeiten".
Droht dem deutschen Fußball der Frauen also auf kurze Sicht ein Torwartproblem? Der Blick auf die Bundesliga nährt diesen Eindruck: Nachdem einige Top-Keeperinnen wie Livia Peng (FC Chelsea), Merle Frohms (Real Madrid), Anneke Borbe (FC Arsenal) und eben Borggräfe die Liga in Richtung Ausland verlassen haben, ist das Niveau auf dieser Position spürbar gesunken.
Viele Torhüterinnen leisteten sich schon klare Patzer in der laufenden Saison: neben Johannes unter anderem Inga Schuldt (HSV), Kim Sindermann und Luisa Palmen (beide SGS Essen), Lina Altenburg (Eintracht Frankfurt), Irina Fuchs (1. FC Köln) und zuletzt Charlotte Voll (Bayer 04 Leverkusen).