Im Spätherbst 2025 stehen die Kansas City Chiefs vor einem ungewohnt harten Reality Check: Zwei der ersten drei Divisionsduelle gingen verloren, die Denver Broncos ziehen an der Spitze davon und selbst die kühnsten Optimisten im Mittleren Westen dürften nach der jüngsten Niederlage in Mile High den zehnten Division-Titel in Folge abgeschrieben haben. Immerhin sind die Playoffs nach aktuellem Stand zwar in Gefahr, aber noch erreichbar. Besonders auffällig: Während Kansas City in der Vorsaison noch 11-0 in One Score Games war, steht das Team 2025 in genau diesen engen Partien bei 0-5.
Kansas City Chiefs: Das Ende einer Ära
Das 22:19 in Denver war der nächste deutliche Weckruf. Kansas City ist zwar stark genug, um schwächere Gegner zu schlagen, aber nicht konstant genug, um strukturierte Offenses oder Elite-Defenses ernsthaft zu gefährden. Die Liste der Baustellen wächst: unpräzise Drives, uninspiriertes Play Calling, Probleme in der Red Zone, wackelige Protection, ein Run Game ohne Entlastung, Receiver ohne Separation und ein Patrick Mahomes, der immer häufiger in "Alles-oder-nichts"-Situationen gezwungen wird. Zwar übernahm der Quarterback die Verantwortung, doch selbst er kann die strukturellen Defizite dieses Teams nicht länger allein kaschieren.
Run Game und Rotation bleiben zentrale Schwachstellen
Das Run Game ist 2025 historisch schwach. Gemessen an explosiven Läufen über 10 Yards liefert Kansas City den schlechtesten Wert der vergangenen Jahrzehnte und das trotz eines Mahomes, der die Zahlen mit seinen Scrambles sogar noch kaschiert. Kein Running Back erreicht bislang 60 Yards pro Spiel, Kareem Hunt hat nur einen Lauf über 11 Yards, und Isiah Pacheco fällt erneut durch Verfügbarkeitsprobleme auf. Auch die übrige Auswahl bietet kaum Entlastung. Gleichzeitig verpasste das Front Office die Chance, in einem starken RB-Draftjahr nachzulegen: Erst in Runde sieben kam Brashard Smith, ein möglicher Trade für Breece Hall scheiterte am Preis.
Auch die Snap-Verteilung offenbart ein Team im Krisenmodus. Chris Jones musste gegen Denver 84 Prozent der defensiven Snaps absolvieren, weil dahinter kaum wirkungsvolle Tiefe vorhanden ist. Travis Kelce trägt erneut deutlich mehr Verantwortung, und Kareem Hunt stemmte mit 80 Prozent der Snaps im Backfield eine Arbeitslast, die langfristig kaum tragfähig ist.
Gleichzeitig bleiben junge Leistungsträger wie Cornerback Nohl Williams, gegen Denver ohne einen einzigen Snap, überraschend außen vor, während Neuzugang Kristian Fulton trotz enttäuschender Ansätze weiter Einsatzzeit erhält. Diese Mischung aus hoher Veteranen-Belastung und inkonsequenter Entwicklung junger Spieler zeigt, dass dem Team derzeit klare Antworten und eine erkennbare strategische Linie fehlen.
Zu wenig Reibung
Der schwache Auftritt nach der Bye Week hat die Diskussionen um Teile des Coaching-Staffs neu entfacht. In den Special Teams offenbaren sich erneut deutliche Disziplinprobleme, das Passing Game wirkt fahrig, und Mahomes fühlt sich in fast jedem Drive genötigt, den tiefen Ball zu erzwingen. Dadurch verliert die Offense immer wieder ihre strukturelle Balance. Selbst Head Coach Andy Reid wirkt zunehmend frustriert, doch intern fehlt offenbar jene Reibung, die unter Eric Bieniemy lange ein zentraler Erfolgsfaktor war. Es braucht dringend frische Impulse, klare Korrekturen und einige unbequeme Gespräche.
Wackeln jetzt auch die Playoffs?
Mit der Niederlage in Denver ist die Division-Krone laut Next Gen Stats (10 Prozent) nahezu außer Reichweite. Das Restprogramm für die Chiefs bleibt anspruchsvoll: Colts, das Thanksgiving-Duell bei den Cowboys, Texans, Chargers, Titans, das Christmas-Day-Rematch gegen Denver und zum Abschluss die Raiders. Kansas City steht aktuell nur auf Platz neun der AFC, ein 4-3-Finish dürfte damit zu wenig sein. Realistisch braucht es ein 5-2, idealerweise mit ein bis zwei Divisionssiegen. Gleichzeitig müssen Houston und Jacksonville patzen, da die Texans den Tiebreaker gegen die Chiefs halten.
Denver Broncos: Im Westen viel Neues
Ganz anders sieht die Welt derzeit in Colorado aus. Nach Week 11 haben sich die Denver Broncos als das kompletteste Team der AFC West etabliert und das schwierigste Stück Arbeit bereits erledigt. Acht Siege in Serie, fünf Comebacks im vierten Quarter und der knappe Erfolg im vorentscheidenden Duell gegen die Chiefs unterstreichen den deutlichen Wandel. Drei der letzten vier direkten Aufeinandertreffen gingen an Denver, ein bemerkenswerter Trend, nachdem Kansas City zuvor 16-mal in Serie gewonnen hatte.
Das Team von Head Coach Sean Payton überzeugt derzeit mit mentaler Stabilität und einer klaren Identität. Die Defense setzt dabei den Ton, führt die NFL mit 49 Sacks an und stellte Mahomes in Mile High mehrfach vor Probleme. Cornerback Ja’Quan McMillian war dabei ein zentraler Faktor.
Die Division führt über Denver
Auch das Restprogramm spricht für die Broncos: Nach der Bye Week folgen Auswärtsspiele bei den Commanders und Raiders, ehe mit den Packers und Jaguars zwei richtungsweisende Auftritte vor heimischer Kulisse anstehen. An Weihnachten kommt es im Arrowhead Stadium zum erneuten Duell mit den Chiefs, bevor zum Abschluss die Chargers zum möglichen Division-Showdown nach Mile High reisen. Drei der letzten vier Partien finden zuhause statt, ein klarer Vorteil im Schlussspurt. Laut Next Gen Stats liegt die Wahrscheinlichkeit auf den Division-Titel bei 74 Prozent, ein Top-3-Seed ist ebenfalls sehr realistisch. Perfekt müssen die Broncos dafür nicht spielen, lediglich ihren derzeitigen Kurs stabil halten.
Los Angeles Chargers: Qualität mit Wackelkontakt
In Los Angeles pendeln die Chargers mit ihrem 7-4-Record fast schon traditionell konstant zwischen berechtigter Zuversicht und klaren Grenzen. Die Niederlage gegen Jacksonville hat den Rückstand auf Denver weiter vergrößert und erneut gezeigt, warum L.A. aktuell eher wie ein Wild-Card-Anwärter wirkt als wie ein echter Herausforderer auf die Krone der AFC West.
Die Offense besitzt zwar durchaus Explosivität, lässt aber auch zu viele Chancen liegen: Drops, verpasste Tackles und eine schwankende Protection kosten regelmäßig Drives und Rhythmus. Auch die Defense ist verbessert, erreicht aber kein dauerhaftes Elite-Niveau. Zwar erzeugen die Chargers Druck auf gegnerische Quarterbacks, verlieren jedoch zu oft entscheidende Downs. Das Spiel gegen die Jaguars verdeutlichte einmal mehr, dass dieses Team mithalten kann, aber selten über längere Phasen die Kontrolle übernimmt.
Postseason im Blick, Spitzenplatz außer Reichweite?
Das Restprogramm der Chargers wirkt auf den ersten Blick ausgewogen, birgt jedoch gleich mehrere gefährliche Stolperfallen. Auf die Partien gegen die Jets und Bills folgt mit Week 14 in Denver und Week 15 zuhause gegen die Chiefs die entscheidende Phase im Kampf um die Division. Danach warten Duelle mit den Bengals und Raiders, zwei Gegner, die den Schlussspurt keineswegs einfacher machen. Unter diesen Voraussetzungen erscheint ein 3-3-Abschluss realistisch, doch um Denver wirklich unter Druck zu setzen, bräuchte Los Angeles eher ein 4-2-Finish, inklusive eines zwingenden Sieges im direkten Duell. Damit sind die Chargers momentan zwar stark genug für Playoff Football im Januar, doch um die Broncos ernsthaft vom Thron zu stoßen, müsste Denver schon gewaltig straucheln.
Die AFC West im Wandel
Die AFC West erlebt 2025 eine echte Zeitenwende. Denver hat sich mit kompletterem Kader, klarer Identität und einem leichteren Restprogramm an der Spitze festgesetzt, während die Chargers trotz Playoff-Potenzial weiterhin an ihrer Inkonstanz scheitern. Die Chiefs hingegen stehen erstmals seit fast einer Dekade vor einer ungewohnten Realität: Sie sind nicht mehr das Maß der Dinge in der Division und dürfen sich im Kampf um die Playoffs nahezu keine Fehler mehr erlauben. Nur die Las Vegas Raiders spielen auch 2025 keinerlei Rolle im Kampf um die Division und bleiben wie so oft auch im Postseason-Rennen lediglich Zuschauer.