Erst Anfang August konnte der neue AEK-Trainer Marko Nikolic seinen Landsmann Luka Jovic überzeugen, bis zum Sommer 2027 nach Athen und nicht zum La-Liga-Aufsteiger Oviedo zu wechseln, wo er kurz vor der Unterschrift stand. Nach zwei Saisons bei der AC Mailand lief der Vertrag des einstigen Top-Stürmers aus und wurde nicht verlängert. Somit konnte der Serbe frei seinen neuen Arbeitgeber auswählen und Nikolics Wunsch nach einem Leader im Angriff erfüllen. Eine Rolle und das Vertrauen, all das, was der erst 28-jährige Stürmer zuletzt sowohl bei der AC Mailand als auch davor bei der Fiorentina vermisst hatte.
Es sollte eine richtig gute Wahl werden. Der serbische Nationalspieler (50 Länderspiele, elf Tore) scheint nach nur fünf Monaten in Athen seine sportliche Oase gefunden zu haben. Der Anfang lief schleppend und Jovic konnte nur ansatzweise sein enormes Können zeigen. In der für den Klub äußerst wichtigen Conference-League-Qualifikation im Sommer konnte der damals noch nicht ganz fitte Jovic nur mit Kurzeinsätzen aushelfen. So reichte es, in der Verlängerung des Duells mit Aris Limassol bei den zwei entscheidenden Toren mitzuwirken. Ein Tor und eine Vorlage katapultierten AEK (3:1) in die nächste Runde.
Auch in der Liga dauerte es etwas, die Erklärung lieferte er unlängst selbstkritisch: "Ich hatte im Sommer keine richtige Vorbereitung und kam spät ins Team. In letzter Zeit musste ich sehr oft allein im Sturm spielen und bin ziemlich müde. Doch in der Rückrunde wird es viel besser laufen."
Dies hört sich wie eine Drohung für die Ligakonkurrenz, aber auch für die nächsten Gegner in der Conference League an. Denn in den letzten zwei Monaten war Jovic mehr als wertvoll für den Athener Klub. Ende November entschied er bei Panathinaikos (3:2) das Athener Derby im Alleingang. Seine drei Treffer bedeuten sogar einen Allzeitrekord, denn noch nie hatte ein Spieler im besagten Derby einen Dreierpack auswärts erzielen können. Selbst der letzte Dreierpack lag mehr als 40 Jahre zurück und war AEK-Rekordtorjäger Thomas Mavros (502 Ligaspiele, 260 Tore) im weit entfernten 1984 vorbehalten.
Im folgenden Ligaspiel gegen Atromitos folgte ein Doppelpack, das dritte Jovic-Tor wurde vom VAR einkassiert. Dieser ist gewiss nicht sein Freund, denn bislang wurden dem Serben nachträglich fünf weitere Tore verwehrt. Zwei davon zurecht, denn sehr knapp im Abseits, die anderen drei gingen auf sein körperbetontes Spiel zurück. Dennoch bringt es Jovic, der kurz vor Weihnachten seinen 28. Geburtstag feierte, bislang in 24 Pflichtspielen und 1630 Minuten auf elf Tore und drei Assists. Vergleichsweise waren es im Vorjahr bei der AC Milan gerade mal 17 Spiele und vier Tore in nur 693 Spielminuten.
Auch in der Conference League überzeugend
Auch international weiß der frühere Frankfurter zu überzeugen. Bei den eher überraschenden Siegen der Athener in Florenz (1:0) und Samsun (2:1) war Jovic Alleinunterhalter im Angriff, da seine Sturmkollegen verletzt ausfielen. Frantzdy Pierrot erlitt mit Haiti beim entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen Nicaragua (2:0) einen Mittelfußbruch. AEK-Sturmhoffnung Zine verletzte sich in der Endphase des Spiels in Florenz, fällt ebenfalls für mehrere Wochen aus und musste sogar den Afrika-Cup mit Angola absagen.
Jovic' Siegtreffer nach einer wilden Aufholjagd im letzten Conference-League-Spiel gegen Universitatea Craiova ließ den Serben endgültig zum Leader der Athener werden. Sein abgezockt verwandelter Elfer in der Nachspielzeit brachte nicht nur den 3:2-Erfolg, sondern auch völlig überraschend den dritten Tabellenrang in der Ligaphase.
Drei Tage später im Ligaspiel gegen OFI folgte seine nächste Show: eine lange Aufholjagd nach frühem Rückstand und am Ende erzielte Jovic den vielumjubelten 2:1-Siegtreffer, der erstmals in der Saison die Tabellenführung für die Athener brachte. Dazwischen wurden dem Serben - mal wieder - zwei Tore vom VAR aberkannt und er verschoss erstmals auch einen Elfmeter. Sinnbildlich der allgegenwärtige Jovic, wie in den letzten Partien so oft. Gejubelt hat Jovic nach dem Torerfolg nicht, auch wenn all seine Kollegen ihn abfeierten. Erst als der Schiedsrichter auf den Mittelpunkt zeigte, eiferte Jovic ihm nach und bejubelte das Tor wie ein Schatten-Referee: die bekannte quadratische Bewegung und dann mit dem Zeigefinger auf den Mittelpunkt.
Statt Übergangssaison auf der Erfolgswelle
In einer Saison, die ursprünglich nach dem Trainerwechsel nach drei erfolgreichen Jahren mit Mattias Almeyda (nun FC Sevilla) zum Serben Marko Nikolic (wurde gegen Ablöse von ZSKA Moskau geholt), als Übergangssaison galt, haben sich AEK und Jovic mit zuletzt zwölf Siegen aus den letzten 13 Spielen (dazu ein Remis) eine hervorragende Basis erspielt: Tabellenführung in der Liga vor Olympiakos und PAOK, Sechzehntelfinale in der Conference League mit K.-o.-Spielen erst wieder Mitte März. Dazu der dritte Rang in der neuen Ligaphase des nationalen Pokals, der aufgrund der anderen Ergebnisse AEK den Weg ins Finale ohne ein Topspiel bringen kann. Denn die Konkurrenten Olympiakos, Panathinaikos, PAOK und Aris tummeln sich alle in der anderen Hälfte des Turnierbaums. Es wäre die siebte Finalteilnahme der Athener seit 2016.
Keine schlechte Ausgangslage für die zweite Saisonhälfte. Zumal AEK einen befreit aufspielenden Jovic, der anfangs nur schleppend reinfand und nun auch den Respekt der gesamten Konkurrenz erhält, in den eigenen Reihen hat. Nun wirkt der Serbe nicht nur fit und austrainiert, sondern selbst in letzter Zeit, als er gezwungenermaßen Alleinunterhalter im Angriff war, eine enorme Stütze im Umschalt- und Kombinationsspiel der Athener. Sein früherer Frankfurter Kollege Mijat Gacinovic (seit 2022 in Athen, 105 Spiele, 18 Tore für AEK), bis zu seinem verletzungsbedingten Ausfall, sowie der frühere portugiesische Nationalspieler Joao Mario (32) rückten in die Rollen der Ersatzstürmerhilfen der Athener auf.
In der höchstens aufstrebenden griechischen Liga erscheint aktuell ein Luka Jovic eher unterfordert, obwohl er sich schon jetzt in die Herzen der Fans gespielt hat. Erst recht dann, wenn er sein riesiges Potenzial demnächst ausschöpfen sollte. Doch bis ein europäischer Topklub wieder anklopft - was in dieser Verfassung nur eine Frage der Zeit erscheint - kann er endlich wieder das Vertrauen eines Trainers und den wiedergefundenen Spaß am Spiel genießen. Und weitere große Fußballabende in allen drei Wettbewerben bescheren.