Cristiano Ronaldo rammte seinem Gegenspieler Dara O'Shea den Ellenbogen in die Rippen, ungefähr das hat das FIFA-Disziplinarkomitee am Dienstag mit einem ehernen Grundsatz des Rechts gemacht. Es scheint, als seien vor dem Gesetz eben doch nicht alle gleich.
Obwohl die FIFA in ihrem Disziplinarreglement selbst vorschreibt, dass Tätlichkeiten eine Drei-Spiele-Sperre zur Folge haben, darf Cristiano Ronaldo beim WM-Auftakt 2026 mitwirken. Zwar erhielt der Superstar ebendiese Sperre. Weil die FIFA aber von ihrer Möglichkeit Gebrauch machte, einen Teil der Sperre zur Bewährung auszusetzen, und dafür gleich zwei der drei Spiele wählte, kommt das Urteil einem Freispruch gleich. Eine offizielle Begründung, die dringend geboten wäre, gibt es dafür bislang nicht.
Es stimmt, dass Cristiano Ronaldo im 226. Länderspiel erstmals Rot sah und es für die FIFA keine Rolle spielt, dass er als Vereinsspieler schon 13-mal vom Platz geflogen ist. Doch mal abgesehen davon, dass dieser Fakt eher dafür gesprochen hätte, die Standardstrafe nicht zu erhöhen: Was ist mit seinem unbeherrschten Abgang ohne Reue? Den "Heul doch"-Gesten in Richtung O'Shea, dem höhnischen Applaus fürs irische Publikum?
Erst im Oktober urteilte die FIFA bei einer Tätlichkeit anders
Ein vergleichbarer disziplinarischer Umgang mit einer klaren Tätlichkeit ist nicht bekannt, und es ist schwer vorstellbar, dass ein Spieler aus Schottland oder Südafrika dieselbe Milde erfahren hätte. Tigran Barseghyan, der sich bei Armeniens WM-Quali-Spiel gegen Irland im Oktober einen Kopfstoß geleistet hatte, war für drei Spiele gesperrt worden - ohne Bewährung. Auch beim nächsten Pflichtspiel fehlt er Armenien deshalb noch.
Der Verdacht drängt sich geradezu auf: Für die Richter schien ein WM-Auftakt ohne Aushängeschild Cristiano Ronaldo nicht infrage zu kommen, und das ist noch nicht mal das Problematischste an der Entscheidung. Das Problematischste ist, dass sie keineswegs unerwartet kommt. Erst im Sommer hatte die FIFA Lionel Messis Klub-WM-Teilnahme mit einer sportlich fragwürdigen Wildcard für Inter Miami ermöglicht. Was nicht passt, wird notfalls passend gemacht.
Mit der Verharmlosung einer weltweit beobachteten Tätlichkeit eines weltweit verehrten Fußballers sendet der Weltverband aber noch weitere verheerende Signale: an den Nachwuchs, an Amateurfußballer, an alle Sportgerichte. Die Lex CR7, die am Dienstag geschaffen wurde, dürfte mancher künftige Übeltäter auch für sich in Anspruch nehmen wollen.